Meine Kinder haben schon vor längerem klar gemacht: Diesen Sommer wird nichts mit Familienferien. Kind 2 geht mit einem Freund ins Ferienhaus von dessen Familie, Kind 1 macht sonstwie sein eigenes Ding. Voll okay für mich, ich hab eh nicht wirklich Zeit für Ferien. Und dass der «Kleine» zum ersten Mal so lange allein von daheim weg ist, nehm ich total locker.
Zumal er nun endlich langsam einigermassen selbstständig wird. Jedenfalls hat er sich mit seinen fast 16 Jahren erstmals durchgerungen, seinen Koffer selbst zu packen. Und ich hab mich mit meinen 46 Jahren erstmals durchgerungen, sein Gepäck nicht nachzukontrollieren. Okay, letzteres ist gelogen, aber ich hab nichts gesagt. Ich hab mich nur gewundert, dass er irgendwelche Trainings-Gadgets und Nahrungsergänzungsmittel eingepackt hat, und hab ihm noch ein Deo mit dazugelegt. Das ist alles, ich schwörs.
Zum Flughafen fahren durfte ich ihn dann auch noch. Dass mich mein mittlerweile über 1.85-Meter-Kind beim Abschied freiwillig umarmt hat, hat mir dann doch fast die Tränen in die Augen getrieben. Ein WhatsApp vor dem Abflug und nach der Ankunft bestätigten, dass alles gut gegangen ist. Seither bettle ich alle paar Tage mal um eine Nachricht (das Maximum bisher: «Isch schön da») und/oder ein Foto (meistens schickt er dann eins von einem riesigen Stück Fleisch oder einem Teller Pasta). Und dass ich ab und zu in sein Zimmer gehe und einfach seine Sachen anschauen, ist imfall ein böses Gerücht.
«Ich beschränke mich jetzt aufs Wesentliche: Ich will wissen, wo das Kind in der Nacht ist, und es soll bitte weder unangemeldet reinschneien, noch unentschuldigt fernbleiben. Damit können wir beide leben.»
Kind 1 ist noch zu Hause, plant aber noch ein paar Tage Ferien in den Bergen mit einer Freundin. So richtig oft sehen tu ich es nicht. Es schläft bis am Nachmittag, dann blockierts eine Stunde lang das Bad und schwebt dann zur Tür raus. Meine Tochter und ich haben abgemacht, dass sie mich einigermassen über ihr Programm auf dem Laufenden hält. Eine solche WhatsApp-Konversation liest sich so: «Ich bin jetzt mit Tim in der Stadt, dann fahr ich zu Lena nach Basel und übernachte dort, dann komm ich wieder zurück und geh zu Lindas Geburtstagsparty. Vielleicht schlaf ich dann dort, oder bei Bella oder irgendwo anders.» – «Ok, lässt du mich wissen, wann du definitiv wo schläfst?»
Mitten in der Nacht schrecke ich auf, weil jemand zur Tür reinkommt, ich schnappe meine Glasflasche, um mich mutig dem Einbrecher zu stellen – und stehe vor meiner Tochter, die sich null Mühe gibt, irgendwie leise zu sein, «Ich dachte, du schläfst bei Lena?» – «Planänderung. War noch bei Tim, jetzt schlaf ich hier und geh morgen zu Lena.» – «Und in demfall nicht an die Party?» – «Doch. Morgen früh zu Lena und am Abend an die Party.» Nun, abgesehen davon, dass das Wort «früh» in keiner Art und Weise zu meiner Tochter passt, schon gar nicht in den Ferien, hat sich dieser Plan dann auch wieder geändert. Ich beschränke mich jetzt aufs Wesentliche: Ich will wissen, wo das Kind in der Nacht ist, und es soll bitte weder unangemeldet reinschneien, noch unentschuldigt fernbleiben. Damit können wir beide leben. Und ich muss gestehen: Je länger mehr finde ichs so eigentlich ganz entspannt. Fast schon ein bisschen langweilig. Zum Glück hab ich in ein paar Wochen meine schlecht gelaunten, motzenden Teenager zurück. Dann weiss ich wenigstens, dass ich noch gebraucht werde.