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Der ganz normale Wahnsinn

Warum stehen Teenager so auf Marken?

Der Sohn unserer Familienbloggerin verlor kürzlich seine Brieftasche mit sozusagen seinem ganzen Leben drin: ID, Zug-Abo, Bankkarten. Am meisten betrauert er allerdings sein Marken-Portemonnaie. Warum stehen die Jugend im Allgemeinen und mein Kind im Besonderen eigentlich so auf Gucci, Vuitton und Co., fragt sich Sandra C.

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Genauso wichtig wie die Ästhetik ist für Jugendliche oft der Markenname auf ihren Turnschuhen.

imago/USA TODAY Network

Ich muss gestehen, dass mein Sohn schon immer einen gewissen Hang zu Materiellem hatte, viel mehr als seine Schwester. Ich erinnere mich an eine Weihnacht, da war er ungefähr sieben Jahre alt. Meine Tochter wünschte sich damals bereits von ihrem Gotti und dem Götti keine Geschenke mehr, sondern Zeit, einen Tag, den sie gemeinsam verbringen. Ich legte Kind 2 nahe, es solle das doch auch mal wünschen, Gotti und Götti hätten sehr viel mehr Freude an einem Tag mit ihm, statt loszuziehen und irgend ein Geschenk zu besorgen. Es sagte also seinem Götti, es wünsche sich einen Tag mit ihm. Der Götti, hoch erfreut: «Und was sollen wir an diesem Tag machen?» Darauf das Kind: «Wir gehen ein grosses Geschenk kaufen!»

Im Job Uniform, in der Freizeit Individualität

Natürlich kommt seine Vorliebe für gewisse Sachen nicht von ungefähr. Sowohl sein Vater als auch ich mögen schöne Dinge. Seine Schwester auch, aber ihr ist sehr viel weniger wichtig, ob da nun ein Markenname draufsteht oder nicht. Zum einen sicher auch deshalb, weil sie sich als Schülerin diese Dinge eh nicht leisten kann. Zum anderen auch, weil es in ihrem Freundeskreis nicht wichtig ist, welche Marke man trägt.

In den Kreisen, in denen sich mein Sohn bewegt, sieht das offenbar anders aus. Da ist es wirklich wichtig, die «richtigen» Klamotten zu tragen, – allem voran Turnschuhe –, und die richtigen Accessoires zu haben. Und sie geben dafür einen guten Teil ihres Lehrlingslohnes aus. Ein Phänomen, das mich zum einen verwundert – für mich war mit 16 H&M das Höchste meiner Marken-Gefühle –, zum anderen kann ichs aber auch nachvollziehen. Ich ging als Teenager eine Weile in Australien zur Schule, wo man Schuluniform trug. Umso wichtiger wurde, was man in seiner Freizeit anhatte. Im Gegensatz zu seiner Schwester, die im Gymnasium jeden Tag durch ihre Klamotten ihre Individualität ausdrücken kann, trägt mein Sohn im Job-Alltag eben auch so eine Art Uniform aus schwarzer Hose, weissem Hemd und schwarzen Schuhen, und viele seiner Freunde ebenfalls. Ich kann gut nachvollziehen, dass man da ein gewisses Bedürfnis hat, in der Freizeit zu zeigen, was man sonst noch hat.

«Die Frage, die sich mir stellt: Definiert er seinen Wert über diese Nike-Treter und dieses Gucci-Portemonnaie? Die Antwort lautet vermutlich ja und nein. »

Tatsächlich zeigen aktuelle Umfragen und Studien aber auch, dass Luxusgüter jungen Leuten immer wichtiger werden. Zum einen, weil sie, Social Media sei Dank, überhaupt von deren Existenz wissen. Zum zweiten, weil viele ihrer Vorbilder – Sänger, Rapper und Co. – die Sachen für ihre Generation salonfähig machen, indem sie sie nicht nur tragen, sondern auch über sie singen. Und drittens – man mags glauben oder nicht – steckt auch ein gewisser Nachhaltigkeits-Gedanke dahinter. Fast Fashion wird in gewissen Kreisen von Kids je länger je verpönter. Auch mein Sohn sagt tatsächlich, er kaufe sich lieber ein Paar Schuhe, das etwas teuerer ist, er aber daüfr lange trägt, statt alle paar Monate etwas Neues.

Was ich ja grundsätzlich begrüssenswert finde. Die Frage, die sich mir stellt: Definiert er seinen Wert über diese Nike-Treter und dieses Gucci-Portemonnaie? Die Antwort lautet vermutlich ja und nein. Wenn nicht, wäre ja total Wurst, ob auf diesem Portemonnaie nun Gucci steht oder nicht – es hätte bestimmt auch andere, günstigere gegeben, die seinen ästhetischen Ansprüchen genügen. Aber wenns so ultra wichtig wäre, hätte er das Ding nicht verloren. Die Inhalte hat er inzwischen alle ersetzt. Und lebt ganz gut ohne Gucci-Portemonnaie.

Von SC am 16. April 2023 - 12:03 Uhr