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Der ganz normale Wahnsinn

Wechseljahre trifft auf Pubertät

Im Haus unserer Familienbloggerin ist gerade der Hormon-Teufel los. Sie selbst leidet unter den Wechseljahren, ihre Kinder sind in der Pubertät. Ihr Trost: «Wenigstens bin ich nicht die einzige, deren Körper und Hirn gerade eine Grossbaustelle ist.»

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Sandra Casalini, bei sich zu Hause in Thalwil, mit ihren Kindern Gian und Joya, am 04.12.2018, Foto Lucian Hunziker

Die Hormone sorgen bei unserer Familienbloggerin und ihren beiden Teenagern gerade immer wieder mal für Gefühlsausbrüche. 

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Ich finde die Diskussionen ums richtige Alter zum Kinderkriegen eigentlich müssig. Es gibt keines. Sowohl jüngere als auch ältere Eltern haben Vor- und Nachteile. Eines überlegt man sich bei diesem Thema allerdings nie – und ich wäre gerade froh gewesen, wenn ich mir schon früher mal den einen oder anderen Gedanken dazu gemacht hätte: Wenn frau zwischen Ende zwanzig und Mitte dreissig Mutter wird, treffen ihre Wechseljahre auf die Pubertät ihrer Kinder. Und so viel Hormon-Instabilität im Haus kann zuweilen ganz schön anstrengend sein.

Viel mehr als Hitzewallungen

Man muss sich das mal vorstellen: Da ist jemand im Haus, dessen Körper sich gerade total verändert, und der überhaupt nicht damit klarkommt. Der den ganzen Haushalt seinen Launen aussetzt, mal völlig überdreht ist und mal grundlos losheult. Der Tage hat, an denen er sich selbst so blöd findet, dass er es kaum erträgt, wenn andere Leute ihn gut finden. Dessen Hirn total seltsame Überlegungen anstellt, und an Vergesslichkeit kaum zu überbieten ist. Der total seltsam gekleidet rumläuft, weil er plötzlich ein ganz kurioses Wärmeempfinden hat.

Dieser Jemand bin ich. Das Schlimme ist, dass ich mich nie richtig mit den Wechseljahren beschäftigt habe. Ich dachte immer, man hat ein paar Hitzewallungen, und gut ist. Damit, dass ich mich fühlen würde, wie wenn in meinem Körper und meinem Hirn Pubertät und Schwangerschaft miteinander ringen würden, hätte ich niemals gedacht.

 

«Meine Tochter findet mich blöd, weil ich ihr Taschengeld vergessen habe. Mein Sohn findet mich blöd, weil ich komische Fragen zu seinem Privatleben stelle. Ich finde mich selbst blöd, weil ich ich bin.»

Was mich allerdings auch in die privilegierte Lage versetzt, dass ich jeden internen hormonellen Jammer-Wettbewerb für mich entscheide. Meine Tochter klagt über Pickel. Mein Sohn klagt über seine angeblich zu wenig muskulösen Beine. Ich habe Tage, an denen ich, Progesteron-Mangel und Wassereinlagerungen sei Dank, fast aus meiner Haut platze, und nur noch in sackartige Klamotten passe. Eins zu null für mich.

Meine Tochter klagt über Rückenschmerzen zu Beginn ihrer Periode. Mein Sohn klagt über Wachstumsschmerzen in den Beinen. Ich habe manchmal alle zwei Wochen heftigste Blutungen, während denen ich mich kaum aus dem Haus traue, weil ich innerhalb von zwei Stunden einen Tampon durchblute. Zwei zu null für mich.

Meine Tochter hat morgens miese Laune, weil sie in die Schule muss. Mein Sohn hat abends miese Laune, weil er findet, es hat nichts Anständiges zu Essen im Haus. Ich hab den ganzen Tag miese Laune, Punkt. Drei zu null für mich.

Meine Tochter findet mich blöd, weil ich ihr Taschengeld vergessen habe. Mein Sohn findet mich blöd, weil ich komische Fragen zu seinem Privatleben stelle. Ich finde mich selbst blöd, weil ich ich bin. Vier zu null für mich.

Grossbaustelle in Körper und Hirn

Natürlich finde ich, dass ich, total objektiv gesehen im Fall, viel schlimmer dran bin als meine Kinder, und dass alles viel einfacher wäre, wenn sie entweder noch jünger oder schon älter wären, und dementsprechend rein hormonell einfacher im Umgang. Aber wenigstens bin ich nicht die einzige, deren Körper und Hirn gerade eine Grossbaustelle ist. Das ist irgendwie tröstlich. So gesehen bin ich im genau richtigen Alter Mutter geworden.

Von SC am 6. Mai 2023 - 18:00 Uhr