Kürzlich lasse ich mich breitschlagen, gemeinsam mit Kind 2 Achterbahn zu fahren. Mit Looping und allem, was dazu gehört. Während der Fahrt konzentriere ich mich auf meinen Atem und darauf, meinen Mageninhalt zu kontrollieren. Stillschweigend, versteht sich, man will sich ja keine Blösse geben. Kind 2 hingegen jammert unentwegt vor sich hin: «Meine Haare. Meine Haare. Meine Haaaaare!» Während ich mich nach dem Aussteigen erstmal sammeln muss, kontrolliert das Kind mittels Handy sofort seine Frisur.
Dieses Episödchen zeigt, welchen Stellenwert seine Haare im Leben meines Sohnes einnehmen. Und seine Schwester steht ihm diesbezüglich in nichts nach. Etwas, das für mich selbst ein bisschen befremdlich ist, da ich meine Frisur nie als Mittel, meine Persönlichkeit auszudrücken, empfand, so, wie es meine Tochter tut. Oder aber als Mittel einer Zugehörigkeit zu einer gewissen Gruppe, wie das bei meinem Sohn der Fall ist. Das liegt zum einen sicher daran, dass man mit Locken und so dünnen Haaren, wie ich sie habe, nicht wahnsinnig weit kommt in Sachen Styling und Frisur. Zum anderen besuchte ich in meiner Jugend eine Zeitlang eine katholische Schule, und da gab es neben der Schuluniform auch sehr strikte Frisuren-Regeln. Mädchen hatten die Haare mindestens kinnlang und zusammengebunden zu tragen, Jungen kurz geschnitten, tönen oder färben war verboten. Ihr seht: In meinen Teenagertagen lagen kaum haarige Experimente drin für mich.
«Warum rennst du ständig zum Coiffeur, nur, um immer gleich auszusehen?»
Die Kopfsachen meiner Kids unterliegen keinen solchen Regeln. So lässt sich Kind 2 seine Locken, die es von mir geerbt hat, an den Seiten und hinten kurz scheren und lässt sie oben und vorne länger. Dies alle zwei Wochen, und ausschliesslich vom Coiffeur seines Vertrauens. Bei diesem muss sich gefühlt jeder zweite Jugendliche in der Gegend dieselbe Frisur verpassen lassen. Jedenfalls passiert es mir etwa fünfmal täglich, dass ich beim Vorbeifahren an einer Bushalte anhalten will, weil ich denke, mein Sohn steht da.
Kind 1 schüttelt eher den Kopf über die haarige Uniform seines Bruders: «Warum rennst du ständig zum Coiffeur, nur, um immer gleich auszusehen?» Kind 1 selbst frequentiert ihre Friseurin – eine Freundin im letzten Lehrjahr – etwa im gleichen Rhythmus. Und es ist jedes mal eine Überraschung, wie es danach aussieht. Mal platinblond, mal pink, mal blau, mal schwarz. Was zur Folge hat, dass ich öfter mal an meiner Tochter vorbeifahre, wenn ich sie irgendwo abhole, weil ich sie einfach nicht erkenne, da mein alterndes Hirn mit den schnellen Wechseln nicht mehr mitkommt. Dabei muss ich gestehen, dass ich die ständigen Farbwechsel nicht nur lässig finde. Selbstverständlich ist es ihr eigener Kopf, und sie muss wissen, was sie damit macht. Aber den Duschabfluss teilen wir uns, und der ist ständig verstopft. «Willst du deinen Haaren nicht mal eine Pause von dem chemischen Zeugs gönnen?», wage ich kürzlich zu fragen. «Was?», fragt das Kind entsetzt. «Keine Farbe im Haar? Das ist, wie wenn ich nackt rumlaufen würde. Oder so wie du!» Zu meinem eigenen Schutz frage ich das Kind nicht, was es schlimmer fände, und ziehe stattdessen los, um den Duschabfluss zu entstopfen.