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Der ganz normale Wahnsinn

Auch mit Teenagern gibt’s keine «Stille Nacht»

Unsere Familienbloggerin erzählt ja gern herum, wie total entspannt die Weihnachtszeit mit Teenagern ist im Gegensatz zu Festtagen mit Kleinkindern. Dieses Jahr wurde sie mal wieder daran erinnert, dass das schlicht und einfach gelogen ist.

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Sandra Casalini Blog der ganz normale Wahnsinn

Ruhige Festtage? Nicht bei unserer Familienbloggerin und ihren Teenagern. 

Lucia Hunziker

Ich liebe die Festtage. Püktlich am ersten Dezember wird bei mir die Wohnung auf Weihnachten getrimmt. Geschenke besorge ich schon im Oktober und November. So auch dieses Jahr. Online. Umso mehr nervt es mich, dass es das Geschenke-Online-Portal meines Vertrauens wieder nicht geschafft hat, alle bestellten Geschenke vor Weihnachten zu liefern. So wie jedes Jahr. Aber ich gebe ihm immer wieder eine Chance.

Abendessen zu zweit - oder?

Dieses Jahr gibt es keine Ferien in den Bergen, Weihnachten wird im kleinen Kreis gefeiert. Ich beschliesse aber spontan, uns dreien vor dem Fest wenigstens zwei Tage im Schnee zu gönnen. Ich finde also, es lohnt sich nicht, vorher nochmal einzukaufen. Um am Nachmittag dann leicht panisch zu merken, dass ich ja trotzdem noch etwas zum Abendessen kaufen muss. Ich renne also los und gehe unterwegs noch beim Coiffeur vorbei, bei dem Kind 2 noch einen Termin hat. Schliesslich hat es mich so nett per WhatsApp gebeten: «Chasch du äm Coifför go s Gäld bringe, ha kei meh!»

«Ich will gerade «Kommt nicht in Frage» tippen, als ich mich vor meinem inneren Auge mit einem grummeligen, lustlos im Essen rumstochernden Pubertier am Tisch sitzen sehe, das mich in dem Moment für das gemeinste Lebewesen auf Erden hält.»

Als ich mit den Einkäufen ins Haus komme, kreuze ich Kind 1. «Wo gehst du hin?» Es verdreht die Augen. «Anna hat Geburtstag. Hab ich dir doch gesagt.» - «Dann bist du nicht hier zum Abendessen?» - «Neeeeheeein! Hab ich dir doch gesaaaaagt!» Hat sie tatsächlich. Naja. Kind 2 ist ein männlicher Teenager, der isst ihre Portion mit. Oder auch nicht. Im nächsten WhatsApp steht: «Chan ich bim Marco übernachte?» Ja super. Eigentlich würde ich gern nein sagen. Das heisst schreiben. Erstens weil ich ich extra eingekauft haben und zweitens weil wir morgen früh abfahren.

Sandra allein zu Haus

Ich will gerade «Kommt nicht in Frage» tippen, als ich mich vor meinem inneren Auge mit einem grummeligen, lustlos im Essen rumstochernden Pubertier am Tisch sitzen sehe, das mich in dem Moment für das gemeinste Lebewesen auf Erden hält. Also schreibe ich: «Okay. Aber du bist morgen früh um Punkt acht Uhr hier! Wir fahren um 8.30 Uhr los.» Tja. Einkäufe in den Gefrierer, Weihnachtsguetzli zum Znacht, «Kevin allein zu Haus» und nicht aufregen!

«Der zweite Teil des Satzes geht in ein entgeistertes «Oh mein Gott!» über, als ich seinen mehr oder weniger kahl rasierten Schädel im Rückspiegel sehe.»

Am nächsten Morgen kommt, was kommen musste: 8.15 Uhr, kein Kind 2 in Sicht. Anrufe und WhatsApps werden ignoriert. 8.30 Uhr, immer noch kein Kind 2 in Sicht. Immerhin geht es ans Telefon: «Bin auf dem Weg!» Ich bin wütend. Auf ihn und auf mich. 8.45 Uhr immer noch kein Kind 2 in Sicht. Meine Wut weicht der Angst. Er ist mit dem Mofa unterwegs, der Weg dauert fünf Minuten. Liegt er irgendwo unter einem Auto? Gerade als ich ihn suchen gehen will, kommt er gemütlich um die Ecke gefahren.

Dasselbe in Grün

«Also, junger Mann», sage ich, als wir losgefahren sind. «Was genau war dein Problem heute Morgen?» Das heisst, das wollte ich sagen. Der zweite Teil des Satzes geht in ein entgeistertes «Oh mein Gott!» über, als ich seinen mehr oder weniger kahl rasierten Schädel im Rückspiegel sehe. «Ääääähm, war das Absicht?» - «Ich wollte sie schon kurz, aber nicht SO kurz», meint er mit einem schiefen Grinsen. «Die wachsen ja wieder nach.» Stimmt. Es sieht trotzdem furchtbar aus. Aber er muss so rumlaufen, nicht ich. Was am Morgen passiert ist? Er hat den Wecker gestellt, ist aufgewacht – und wieder eingeschlafen.

«Kurz vor elf komme ich ins Zimmer – und finde ein Riesenpuff und zwei tief schlafende Teenager vor. Durchatmen. Nicht aufregen. Es ist Weihnachten.»

Was am nächsten Morgen passiert? Dasselbe in Grün. Wir müssen um elf aus dem Hotel auschecken. Um zehn sind alle wach, ich packe mein Zeugs und gehe einen Kaffee trinken – mit der Ansage, man möge doch bitte gepackt haben und bereit sein, wenn ich wiederkomme. Kurz vor elf komme ich ins Zimmer – und finde ein Riesenpuff und zwei tief schlafende Teenager vor. Durchatmen. Nicht aufregen. Es ist Weihnachten. Decken wegziehen. Proteste ignorieren. «Wir sehen uns in zehn Minuten mit Gepäck in der Lobby. Und mit geputzten Zähnen. Sonst gibt’s keine Geschenke!» Was soll ich sagen. Manche Dinge funktionieren auch bei Teenagern noch. Und nächstes Jahr werde ich gerne wieder kundtun, wie entspannt die Festtage mit grossen Kindern sind.

 

 

 

 

Familienbloggerin Sandra C.
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Von Sandra Casalini am 26. Dezember 2020 - 17:09 Uhr