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Der ganz normale Wahnsinn

Offener Brief an Lehrerinnen und Lehrer

Die grösste Herausforderung für die Lehrpersonen in unserem Land ist offenbar nicht der Umgang mit den Schülerinnen und Schülern, sondern der mit den Eltern. So hat der Dachverband der Schweizer Leherinnen und Lehrer eine Art Leitfaden zum Umgang mit «schwierigen Eltern» herausgegeben. Sandra C. hat durchaus Verständnis für diese «Leiden», findet aber auch, ein bisschen mehr Verständnis für die Eltern könnte manchmal nicht schaden. Ein offener Brief der Familienbloggerin.

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Familien-Blog Lehrer

«Viele Eltern meinen, dass sie ein Recht darauf haben, bei allem mitreden zu können, was in der Schule passiert»

Getty Images

Liebe Lehrerinnen und Lehrer,

ich weiss, ihr habt keinen einfachen Job. Ihr versucht, in teilweise riesengrossen Klassen den Kindern oder Jugendlichen halbwegs gerecht zu werden und euren Lehrplan durchzukriegen. Zusätzlich geratet ihr immer häufiger auch von der Seite von uns Eltern unter Druck. «Viele Eltern meinen, dass sie ein Recht darauf haben, bei allem mitreden zu können, was in der Schule passiert», sagt Sarah Knüsel, Präsidentin des Schulleiter-Verbandes des Kantons Zürich im «Blick».

Ich muss zugeben, dass ich auch hin und wieder den Kopf darüber schüttle, worüber sich gewisse Eltern stunden-, tage- wochenlang den Kopf zerbrechen und Staub aufwirbeln können. Ich persönlich habe weder Zeit noch Nerven darüber zu diskutieren, ob Darvida als Znüni erlaubt sein sollte, da es ja auch Zucker enthält oder ob Fidget Spinner auf dem Schulareal verboten werden sollten. Von mir aus könnt ihr Darvidas, Fidget Spinner und was auch immer ihr sonst noch auf dem Kieker habt verbieten, es wird weder mein Leben noch das meiner Kinder nachhaltig beeinflussen.

Es ist viel einfacher, den Lehrplan nach Schema F runterzurattern, statt sich wirklich mit den Kindern auseinanderzusetzen

Aber wenn ihr findet, wir Eltern haben kein Recht auf Mitsprache, dann versetzt euch doch mal in unsere Situation: Wir haben unsere Kinder geboren (also zumindest die eine Hälfte von uns) und aufgezogen und sie dann – ziemlich früh – in eure Hände gegeben. Und ihr verbringt nun im Alltag mehr Zeit mit ihnen als wir. Wir haben aber immer noch zu hundert Prozent die Verantwortung für sie. Ich glaube schon, dass man uns da zumindest gewisse Einblicke zugestehen sollte und auch das Recht, mal das eine oder andere zu hinterfragen.

Ich will euch ja nicht zu nahe treten, und ich weiss auch, dass man nicht alle in den gleichen Topf werfen kann, aber ganz ehrlich: Ich hatte schon mehr als einmal das Gefühl, das ist euch zu mühsam. Es ist viel einfacher, den Lehrplan nach Schema F runterzurattern und vielleicht zwei, drei pädagogische Grundsätze nach Lehrbuch anzuwenden statt sich wirklich mit den Kindern auseinanderzusetzen.

Ich erwarte, dass ihr euch für die Kinder interessiert

Es ist viel einfacher, die Kinder nach einer gewissen Schonzeit in Schubladen zu stecken – und eines von meinen landete schon öfter in der der «Arschlochkinder» – statt zu hinterfragen, ob da vielleicht mehr oder etwas anderes dahintersteckt (zum Beispiel, dass sich gewisse Kinder nicht so schnell an Neues gewöhnen, wie im vorletzten Blog geschrieben). Und es ist auch viel einfacher, die Eltern, die ihr Kind euch nicht einfach tagtäglich vorbehaltlos überlassen, in die Schublade der «Problemeltern» zu stecken.

Liebe Lehrerinnen und Lehrer, ihr verbringt so viel Zeit mit meinen Kindern. Ich erwarte nicht, dass ihr sie umsorgt, nicht mal unbedingt, dass ihr sie mögt. Aber ich erwarte, dass ihr euch für sie interessiert. Dass ihr euch die Mühe macht, hinter die Fassade zu schauen und auch mal etwas zu hinterfragen. Und dass ihr es ertragt, wenn wir Eltern das auch tun.

Wir geben unser Liebstes, unser Wertvollstes, jeden Tag in eure Hände

Natürlich ist Erziehung in erster Linie Sache der Eltern und nicht der Schule. Aber die Schule ist für unsere Kinder so viel mehr als ein Ort, der ihnen Wissen vermittelt. Sie pflegen dort ihre Freundschaften, ihr Sozialleben, sie lachen, weinen, schimpfen, streiten, lieben, leben dort. Und am Ende des Tages trägt die Tatsache, ob sie gern zur Schule gehen oder nicht, zu ihrem Glück bei wie kaum etwas anderes. Und dafür, dass sie gern zur Schule gehen, können wir Eltern nicht viel tun – ihr Lehrpersonen hingegen schon.

Also, liebe Lehrerinnen und Lehrer, bevor ihr uns in die «Problemeltern»-Schublade steckt, überlegt euch: Wir geben unser Liebstes, unser Wertvollstes, jeden Tag in eure Hände. Ihr prägt den Alltag unserer Kinder in einer Weise, wie wir das nicht mehr können.

Also habt Verständnis dafür, wenn wir uns hin und wieder das Recht herausnehmen, zu fragen und zu hinterfragen. Genau wie ich das von euch auch erwarte. Und lasst Milde walten, wenn wir es dabei manchmal übertreiben. Wir sind nicht perfekt. Genau wie ihr es auch nicht seid. Und auch nicht unsere Kinder. Aber wir können alle versuchen, ein bisschen Verständnis füreinander aufzubringen, statt uns krampfhaft an irgendwelchen Leitfäden festzuhalten. Wir würden sicher alle profitieren.

Herzlich,
Eure Sandra C.

am 12. Oktober 2017 - 15:07 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 01:27 Uhr