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Der ganz normale Wahnsinn

Unsere Kinder sind müde!

Es ist die letzte Schulwoche vor den Weihnachtsferien und die Kinder unserer Familienbloggerin kommen morgens kaum mehr aus dem Bett. Ihre morgendliche Müdigkeit ist Sinnbild für dieses Jahr. Natürlich haben wir alle langsam keinen Bock mehr auf diese Pandemie. Aber die Jugend leidet besonders.

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Familienblog Jugendliche Corona-müde

Mit Mundschutz durch die Weihnachtszeit - langsam aber sicher haben die Kids keinen Bock mehr!

imago images/MiS

Kind 1 hat diese Woche dreimal verschlafen. Dreimal. Klar, es ist auch sonst ein Morgenmuffel, der nur schwer aus dem Bett kommt. Aber dass meine Tochter zu spät zur Schule geht, kommt sonst sehr selten vor. Auch Kind 2, sonst eher ein Morgenmensch, hat viel mehr Mühe mit Aufstehen als sonst. Meine Kinder sind müde. Nicht nur am Morgen, sondern generell. Müde von einem weiteren Jahr mit angezogner Handbremse in einer Zeit ihres Lebens, in der sie eigentlich Vollgas geben sollten. Müde davon, nicht richtig wahr und nicht richtig ernst genommen zu werden, in all diesen Diskussionen, in denen es drum geht, was für wen das Beste ist.

Angst vor der Zukunft

Eine Umfrage der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft ZHAW unter 12- bis 18-jährigen Schülerinnen und Schülern sagt, dass zwei Drittel der befragten Kinder Zukunftsängste plagen. Die Zahl der Jugendlichen mit emotionalen Problemen sind im vergangenen Jahr stark angestiegen, die Fälle von Cybermobbing haben sich mehr als verdoppelt.

«Es tut mir in der Seele weh, meinen 15-Jährigen zu sehen, dessen eh schon schwierige Lehrstellensuche jetzt nochmal schwieriger wurde. Der nicht mehr unterscheiden kann zwischen «Die Umstände sind schwer» und «Ich bin nicht gut genug».»

Nun sind Zukunftsängste, emotionale Achterbahnfahrten und - leider - auch Mobbing in dem Alter normal. Aber die Umstände, unter denen die Kids momentan durchs Leben müssen, lassen ihnen - gerade jetzt wieder mal wörtlich - kaum Luft zum Atmen. Es tut mir in der Seele weh, meinen 15-Jährigen zu sehen, dem Schnupperstellen zu- und wieder abgesagt werden, dessen eh schon schwierige Lehrstellensuche jetzt nochmal schwieriger wurde, weil wieder keine Bewerbungsgespräche durchgeführt werden. Der nicht mehr unterscheiden kann zwischen «Die Umstände sind schwer» und «Ich bin nicht gut genug». Der langsam aber sicher total keine Lust mehr hat -. und einfach gar nichts mehr macht.

Gesangs- und Sportunterricht mit Maske

Es tut mir unendlich leid für meine 17-Jährige, die mit Maske zum Gesangs- und Sportunterricht muss, die sich wöchentlich, wenn nicht gar täglich, neuen Regelungen unterwerfen muss und kaum mehr weiss, was eigentlich gilt. Die seit über einem Jahr nicht mehr an einem Konzert war - ihre grosse Passion - und sich trotzdem immer wieder Tickets kauft, in der Hoffnung, dass endlich mal etwas nicht verschoben oder abgesagt wird. Und immer wieder enttäuscht wird.

Ich weiss, für manche von uns Erwachsenen klingen solche Dinge wie «Peanuts». Aber für unsere Kinder sind sie das nicht. Für sie fühlen sich diese Sachen sehr final an. Sie haben Angst «für immer» Masken tragen zu müssen. «Nie wieder» an Konzerte oder Partys gehen zu dürfen. «Nie im Leben» eine Lehrstelle zu finden.

«2020 wurden in der Schweiz doppelt so viele Suizidversuche bei Kindern und Jugendlichen verzeichnet als 2019. Bei Pro Juventute melden sich durchschnittlich sieben Teenager mit Suizidgedanken - pro Tag!»

Vielleicht sollten wir den wöchentlich kommunizierten Corona-Zahlen mal diese Zahlen gegenüberstellen: 2020 wurden in der Schweiz doppelt so viele Suizidversuche bei Kindern und Jugendlichen verzeichnet als 2019. Bei Pro Juventute melden sich durchschnittlich sieben Teenager mit Suizidgedanken - pro Tag Die Notfallambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychatrie in Zürich verzeichnete im letzten Quartal 2020 einen Anstieg von 50 Prozent, 2021 wurde er noch höher.

Man verstehe mich nicht falsch, es ist wichtig über Massnahmen für unsere körperliche Gesundheit zu reden. Aber wann reden wir über welche für die psychische Gesundheit unserer Kinder?

Familienbloggerin Sandra C.
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Von Sandra Casalini am 18. Dezember 2021 - 13:41 Uhr