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Der ganz normale Wahnsinn

Eine «Extraportion Milch?» Not!

Dass die Werbung nicht immer ganz die Wahrheit sagt, ist klar. Zumindest für uns Erwachsene. Kinder aber sind sicher, dass Milchschnitten unglaublich gesund sind und Spielzeuge immer so aussehen, wie auf der Mattscheibe präsentiert. Das geht Familienbloggerin Sandra C. zuweilen ganz schön auf den Geist.

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Als ich kürzlich in einem Eltern-Magazin blättere, «stolpere» ich über folgenden Werbe-Slogan (zu einem Bild einer Mutter mit fröhlich lachendem Mädchen, das in einer Schüssel rührt): «Mein erstes Kochen so unvergesslich wie mein erstes Kiri.» (Für Nicht-Wisser: Kiri sind so kleine, einzeln verpackte Doppelrahm-Frischkäsewürfel). Ich muss grinsen. «Wieso lachst du?», fragt meine Tochter. «Kannst du dich an dein erstes Kiri erinnern?», frage ich zurück. «Hä?», sie schaut mich an, als ob ich von einem anderen Stern käme. So unvergesslich kann das Ding also nicht gewesen sein. Ich bin aber sicher, dass sie die mindestens schon mal probiert hat, bevor ich zum Schluss kam, dass ich das Zeug nicht mehr kaufe, weil es regelmässig im Kühlschrank vor sich hin modert und von niemandem wirklich gemocht wird.

Ein paar Seiten weiter hinten muss ich schon wieder wegen einer Werbung lachen (meine Tochter verdreht genervt die Augen und geht): «Die Babynahrung der neuen Generation» wird da angepriesen. Es geht um «BabyNes», eine Art Espressomaschine für Babymilch. Da steht unter dem Titel «Glückliche Eltern bestätigen» geschrieben: «Melanie schmeckt die Milch auch nach bald zwei Jahren nach wie vor und sie ist in der Entwicklung und dem Gewicht ihrem Alter entsprechend.» Wow, was für eine Sensation: Melanie ist in Entwicklung und Gewicht ihrem Alter entsprechend. Und das nur dank «BabyNes». Total empfehlenswert! Und dann gibts da noch den Vater von Hugo (armes Kind!), der schwärmt: «Der Verkaufsservice ist wirklich aussergewöhnlich. Die Begrüssung, die Beratung und die Verfügbarkeit zeichnen einen Kundendienst von seltener Qualität aus.» Läck du mir, die Verkäufer dort sagen «Hallo», raten dir, dir unbedingt so ein Ding zuzulegen und...sie sind tatsächlich im Laden (sowohl der Verkäufer als auch der «BabyNes»-Automat). Un.Glaub.Lich!!!

Das sind ja einigermassen lustige Beispiele, die niemandem weh tun. Und schlussendlich ist jeder, der sich sündhaft teure Milch in Kapseln aufschwatzen lässt, selbst schuld. Aber es gibt auch Werbung, die mich aufregt. Dann nämlich, wenn sie Eltern und Kindern etwas vorgaukeln, was nicht stimmt, und oft sogar das Gegenteil der Fall ist. Hier meine Top 3 der verlogensten Werbungen:

1. Milchschnitte und Co.

Was die Werbung sagt: «Mit viel frischer Milch gemacht. Schmeckt leicht und belastet nicht.» Und wenn man sie isst, wird man so stark wie die Klitschko-Brüder und/oder erlebt unglaubliche Abenteuer, aus denen man als Heldin hervorgeht. Was die Werbung nicht sagt: Leicht ist sie tatsächlich, die Schnitte, sie wiegt gerade mal 28 Gramm. Und in diesen 28 Gramm stecken 120 Kalorien. Milch hats zwar schon drin, aber noch mehr Fett und Zucker und zwar mehr als in einem Stück Rahmtorte! Abgesehen davon, dass es für mich wie überzuckerter Karton schmeckt - also weder frisch noch leicht - macht das Ding nicht fit, sondern fett. In die gleiche Richtung gehen diverse Frühstücks-Flocken-Spots. Da wird zum Beispiel versprochen, dass die «Cini Minis» «Vollkorngetreide sowie wichtige Vitamine und Mineralstoffe» enthalten. Wenn man sich die Zutaten ansieht, merkt man, dass man von den 16 Inhaltstoffen gerade mal drei fehlerfrei aussprechen kann: Getreide, Zucker (und auch davon gibts reichlich) und Zimt. Der Rest: Maltodextrin, Säureregulator, Emulgator, Farbstoffe und so weiter. Klingt alles andere als gesund, wenn ihr mich fragt.

2. Capri-Sonne und Co.

Was die Werbung sagt: Der Getränkehersteller bewirbt seinen «Fruchtsaft» mit dem Slogan «Natürlich Spass». Die Beutel passen in jede Schultasche und sind eine gesunde Alternative zu Süssgetränken. Was die Werbung nicht sagt: «Natürlich» ist hier nicht viel. Ein Beutel Capri-Sonne Orange enthält zum Beispiel gerade mal sieben Prozent Orangensaftkonzentrat, dazu fünf Prozent Zitronensaftkonzentrat. In einer Packung (200 ml) steckt soviel Zucker wie in sieben Stück Würfelzucker, das ist fast gleich viel wie in der gleichen Menge Coca Cola! Apropos Coke: Die machen in ihrer aktuellen Werbung wenigstens keine unrealistischen Versprechungen (abgesehen davon, dass die Cola-Werbung mittlerweile legendär ist). Sie versprechen weder gesunde noch natürliche Inhaltsstoffe, sondern «Momente der Lebensfreude», was durchaus sein kann, schliesslich putscht Zucker ja auf. Aber um doch noch ein Steinchen in den Capri-Sonne-Garten zu werfen: Seit kurzem gibt es auch eine zuckerreduzierte Variante. Immerhin.

3. Mattel Hot Wheels und Co.

Was die Werbung sagt: Mattel bewirbt die kleinen Autos und dazugehörigen Parcours mit Superlativen: «Mega Jump», «Mega Loop», «Mega Challenge». In den Spots sausen unzählige der Dinger in immensem Tempo durch riesige Loopings und Wasserbecken, in denen sie die Farbe wechseln. Ein Junge kann sich damit stundenlang die Zeit vertreiben. Was die Werbung nicht sagt: Die «Mega Challenge» besteht vor allem darin, das Teil zusammenzusetzen. Wenn man es dann halbwegs geschafft hat, sieht es in keinster Weise so aus, wie auf dem Plakat oder am TV. In erster Linie ist es schon mal viel kleiner, als man sich das vorgestellt hat. In der Packung sind gerade mal zwei der kleinen Autos enthalten und selbstverständlich nicht die coolen, welche in der Werbung gezeigt werden, und die schaffen es kaum über den ersten Looping, geschweige denn durch ein Wasserbecken. Farbe wechseln? Ja, schon wenn man sie einen halben Tag lang im Wasser liegen lässt. Und wenn man es nach einmal Abbauen wieder zusammensetzen will, gehts ganz bestimmt nicht mehr, weil sich der billige Plastik irgendwie verformt hat. Ähnliches gilt für ziemlich viele der SpielzeugWerbungen.

Also, liebe Kinder: Die Sachen sehen in Echt selten so aus wie in der Werbung. Und liebe Eltern: Enttäuschung und Wutanfälle sind öfter vorprogrammiert, wenn man sich dazu verleiten lässt, aufgrund eines Werbespots ein Super-Duper-Mega-Spielzeug zu kaufen.

am 16. Juli 2015 - 11:04 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 01:30 Uhr