1. Home
  2. Blogs
  3. Joëlle schaut fern
  4. Joëlle schaut fern – «Teenie-Mütter»: Der einzige Assi war ich selbst
Joëlle schaut fern

«Teenie-Mütter»: Der einzige Assi war ich selbst

Unsere TV-Bloggerin Joëlle Weil hat sich auf einen Abend voller Trash gefreut. Am Ende der Sendung hat sie sich geschämt... Und zwar über sich selbst... 

Artikel teilen

Tatjana und ihr Babybauch. Es ist ihre zweite Schwangerschaft.

Tatjana und ihr Babybauch. Es ist ihre zweite Schwangerschaft. 

Der einzige Assi an diesem Abend war ich. Ich arrogante Sau. Diese Woche wollte ich mit voller Absicht am Mittwochabend auf RTL2 (lachen Sie ruhig, es wird Ihnen schon noch vergehen) eine Episode der Dokureihe «Teenie-Mütter» schauen. Einfach nur, weil ich gerne bashen wollte. Ich arrogante Sau...

RTL2 (lachen Sie ruhig ein zweites Mal) zeigt dabei die Leben der Protagonistinnen Sabrina, 14, und Tatjana, 18. Beide schwanger, beide zu jung dafür. Tatjana hat bereits eine zweijährige Tochter. Nun können wir uns über Verhütung unterhalten oder darüber, wie alt man für Sex sein darf (14 ist nämlich tatsächlich zu jung. In dem Alter habe ich persönlich noch das Pferdemagazin «Wendy» gelesen), oder wir können uns einfach ohne Vorbehalt erzählen lassen, wie diese beiden jungen Frauen das Leben in ihrer Ausnahmesituation so meistern.

Sabrina erzählt, dass sie ihre Lehre nach der Geburt wieder aufnehmen möchte. So doof klingt das gar nicht.

Sabrina erzählt, dass sie ihre Lehre nach der Geburt wieder aufnehmen möchte. So doof klingt das gar nicht. 

Screenshot RTL2

RTL2 (Ja, Sie dürfen jetzt das letzte Mal lachen) entschied sich für zweiteres. Ohne jegliche Vorbehalte und ohne die Protagonistinnen auch nur eine Sekunde lang doof dastehen zu lassen, zeigte der Sender, wie sich die beiden durch ihr neues Leben schlagen. Und dabei muss ich sagen, waren beide durchaus verantwortungsbewusst und handelten ihrem Alter entsprechend reif.

Ja, ein Verantwortungsbewusstsein hätte lieber vor als nach dem Koitus einsetzen sollen, dann hätte man sich die ganze Dokureihe sparen können. Aber beide Frauen wirkten so, als sähen sie ihre Situation ganz klar und wüssten, was auf sie zukommt. Sabrina hat ihre Lehre abgebrochen und zog zurück zu ihren Eltern. Sie wird wohl nach der Geburt in ein betreutes Wohnheim ziehen. Sie informiert sich bei einer Anwältin über ihre Rechte und diejenigen des Kindsvaters (Spoiler: Die beiden sind nicht verheiratet) und Tatjana heiratet ihren Martin, 31, noch vor der Geburt und möchte, dass die bereits geborene Tochter ihn als Vater annimmt. Das versucht sie durchaus mit Feingefühl und mit viel Hingabe und Liebe. Sie und Martin rechnen ihr finanzielles Leben durch, informieren sich bei den Ämtern und machen sich Gedanken über die Zukunft.

Tatjana im Kinderzimmer ihrer ersten Tochter. Es könnte auch ihr eigenes Zimmer sein.

Tatjana im Kinderzimmer ihrer bereits zweijährigen Tochter. Zugegeben: Es könnte auch ihr eigenes Zimmer sein. 

Screenshot RTL2

Ich arrogante Sau. Es geschieht mir recht, dass ich nicht mit Trash-TV belohnt wurde. Und während ich durch die mittelmässige und nicht grottenschlechte Qualität meines TV-Abends überrascht wurde, dachte ich, wie gemein wir doch die Protagonisten des sogenannten «Assi-TVs» immer be- und verurteilen. Wie wir es uns erlauben, auf sie hinunterzublicken. Als wären wir etwas Besseres. Wir nutzen diese Formate, in denen eine uns scheinbar unterlegene Gesellschaftsschicht dokumentiert wird, dazu, uns geiler zu fühlen. Ist das nicht assi?

Nun habe ich mich während einer Stunde schlecht gefühlt und am Ende gab es nur einen Menschen zu verurteilen: mich selbst. An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Karma für all die Male entschuldigen, als ich über «Assi-TV» gelacht habe. Ich werde in Zukunft davon absehen. Pardon. Perdono. Äxgüsi.

Von Joëlle Weil am 21. Juni 2018 - 08:28 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 01:25 Uhr