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Notabene von Chris von Rohr

«Alles grün oder was?»

Musiker, Produzent und Autor Chris von Rohr schreibt in seiner Kolumne über das wenig nachhaltige Konsumverhalten des westlichen Menschen.

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Tree Above Cracked Dry Soil Elevated View
Getty Images

Das Klima wechselt – der Frühling kommt. Spass beiseite. Der Mensch ist wohl das einzige Lebewesen, das grundsätzlich schädlich ist für die Welt. Wir machen alle einen Haufen Dreck. Das ist beschämend für uns. Allerdings gehe ich davon aus, dass die Erde uns überleben wird und es ihr keine Rolle spielt, wie lange sie zur Erholung braucht. Eile und Zeitnot sind ein menschliches Problem.

Bereits in der Grundschule sprachen wir über die letzte Eiszeit. Man erzählte uns von Gletschern, die sich lange vor der Erfindung des FCKW-gekühlten Eisschrankes zurückgezogen haben. Und wir lauschten fasziniert den Geschichten über die Dinosaurier, die noch vor dem Erscheinen des Homo sapiens verschwunden sein sollen. Also gehe ich davon aus, dass wir uns in unserer Wirkung nicht überschätzen dürfen. Die Erde war seit ihrer Geburt starken Veränderungen unterworfen. Der Mensch hat eine enorme Macht, aber das Universum kostet dies ein müdes Lächeln.

Was ich ausserdem weiss, ist, dass wir alle im Schnitt 5000 Liter Wasser pro Tag verbrauchen oder verschmutzen, der grösste Teil zur Herstellung von Konsumgütern

Echte Demut gibt sich jedoch nicht mit dieser Feststellung zufrieden. Ob es in so vielen Fällen blosses Unwissen ist, das die Menschen dazu bringt, hier eine Party zu feiern, als gäbe es kein Morgen, weiss ich nicht. Wissen tue ich aber, dass nicht primär in bäuerlichen Gegenden planlos Wohnungen gebaut werden, bloss, um dem Geld ein Zuhause zu geben – nachdem es bei den Banken nicht mehr willkommen ist. Was ich ausserdem weiss, ist, dass wir alle im Schnitt 5000 Liter Wasser pro Tag verbrauchen oder verschmutzen, der grösste Teil zur Herstellung von Konsumgütern. Ein Kilo Fleisch benötigt 50 000 Liter Wasser! Von der unseligen Massentierhaltung und ihren Folgen will ich hier schon gar nicht sprechen.

In China bestäuben die Bauern die Obst- und Mandelbäume bereits von Hand, weil sie aus Versehen die Bienen ausgerottet haben. Trotzdem legen sich die Trendsetter von heute fleissig unnatürliche Gärten an, die toter sind als die Sahara. Und falls sich doch eine Eidechse oder ein Igel trauen, diese Einöde zu betreten, werden sie vom permanent patrouillierenden Mähroboter zerschnetzelt.

Der westliche Mensch verhält sich parasitär

Einen weiteren Schuldbrief hat die Menschheit in den Tropen, wo aufgrund der Bauxit-Reserven unser tägliches Aluminium hergestellt wird. Die örtliche Armut begünstigt das dreiste Vorgehen: Hochgiftiger Abfall wird in Form von rotem Schlamm quadratkilometerweise auf abgeholztem Land verteilt und das vergiftete Abwasser in den Fluss geleitet, in dem sich die Anwohner waschen. Bereits den Kleinsten hängen Hautfetzen von den Beinen, und die einheimische Bevölkerung ist deswegen zu krank, um selber in der Alufabrik arbeiten zu gehen. Man kann also nicht einmal das Arbeitsplatzargument hervorkramen. Der westliche Mensch verhält sich parasitär, und mit seinem Ersetzungswahn hält er eine ganze toxische Industrie am Blühen.

Dass wir die Erde zugrunde richten, ist die eine Sache. Aber dem Mitmenschen und der Kreatur ein solches Elend anzutun, um etwa hierzulande aus der Dose trinken zu können, ist reinstes Barbarentum. Dazu kommen vermüllte Meere, miese Luft, Hochglanzprospekte, die keiner braucht, Plastikflaschen und tonnenweise Esswaren, die auf dem Misthaufen landen. Die Transportkosten für den ganzen Kleiderdreck aus China fallen kaum noch ins Gewicht. Die Schädlinge sind WIR, und ich bin besorgt darüber.

Ich finde die Proteste der Jungmannschaft sympathisch, aber sind sie auch wirksam? Veränderungen, die einschränken, will niemand. Die Jugend richtet es sich mit ihren Wegwerfkommunikationsmitteln im Selbstbedienungsladen des Überflusses wohlig ein. Sie muss noch beweisen, dass sie besser und nachhaltiger lebt als die alten, gierigen Trottel. Sie kennt keine Kriege und wird allein ob all der Auswahl ihrer Möglichkeiten, der Werbung und Verlockungen konfus. Trotzdem hoffe ich auf ihr Rebellentum und ihre Ausdauer. Es wird auch nicht reichen, sich auf den CO2-Ausstoss zu fixieren. Da liegt einiges mehr im Argen, aber trotzdem sind Weltuntergangsparolen fehl am Platz – die Welt wird nicht untergehen, der Mensch schon eher.

Lösungen müssen wir gemeinsam finden. Vorbilder, echte Lichtgestalten und Politiker, die sich nach den Wahlen an ihren guten Willen zurückerinnern, sind dringend nötig. Diese Pseudo-Klimaabkommen halte ich hingegen für Realsatire und Klimarappen und -kompensation für schwarzen Humor. Am Klima können wir vielleicht nicht viel schrauben – an unserem persönlichen Lifestyle schon. Massenkonsum spricht niemanden frei von Schuld. Frühling heisst Erneuerung. Die brauchen wir.

Von Chris von Rohr am 4. März 2019 - 14:56 Uhr, aktualisiert 4. März 2019 - 20:24 Uhr