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«SENKRECHT» MIT NATASCHA KNECHT

Bergtouristen und ihre Kleinkriege

Natascha Knecht, 49, Journalistin und Alpinistin, Buchautorin und Bloggerin erklärt, wie sich Bergtouristen gegenseitig in die Quere kommen.

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Ein Mountainbiker ist unterwegs mit einem E-Mountainbike, am Freitag, 7. Oktober 2016, am Flueelapass in Davos. Nach der Elektrifizierung gaengier Fahrraeder erfreuen sich nun auch vollgefederte, bergtaugliche Mountainbikes mit Elektroantrieb immer groesserer Beliebtheit. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Keystone

Kürzlich traf ich den wohl griesgrämigsten Wanderer in diesem Land. Es war an einem sonnigen Morgen in einem Gasthaus auf einer Alp in der Innerschweiz. Ich hatte geschlafen wie ein Murmeltier, draussen spross der Bergfrühling. Nachdem ich kurz geduscht hatte, ging ich hinab in die Gaststube zum Frühstück. Und da stand er: ein älterer Herr, der sich bei der Wirtin beschwerte – über mich!

Zuerst glaubte ich, nicht richtig zu hören. Er behauptete, ich hätte zwanzig Minuten lang geduscht. Zwanzig Minuten! Anscheinend hatte er sein Ohr an meine Tür gehalten. Denn er monierte, dass er keine Geräusche gehört habe, wie er sich das von duschenden Leuten gewohnt sei. Nur das Wasser sei geflossen.

Wanderer können auf Mountainbiker verzichten

Ich war baff. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass ich unmöglich so lange geduscht haben konnte. Zudem hatte der Mann nicht neben meinem Zimmer genächtigt und wegen der ringhörigen Wände meine Morgenhygiene mitbekommen. Nein. Sein Zimmer lag am anderen Ende der Etage. Warum lungerte er vor meiner Tür?

Was wollte er? Blöd stürmen? Gut möglich. Denn auf der Suche nach Erholung und Natur entstehen unter Bergtouristen immer wieder Spannungen. Zu viele unterschiedliche Bedürfnisse und Interessengruppen treffen aufeinander. Jeder meint, er habe mehr Berechtigung als die anderen. Deutlich bemerkbar macht sich das, wenn sogenannt «Artenfremde» in das eigene Revier eindringen.

Die Wanderer regen sich über die Mountainbiker auf. Weil diese auf den Wanderwegen bergab blochen. Mit ihren «Göppeln» in der vollen Gondel Platz für drei beanspruchen. Nicht kapieren, worum es in unseren hehren Bergen geht: nämlich um Respekt und Langsamkeit.

«Jeder meint, er habe mehr Berechtigung als die anderen.»

Und erst die E-Mountainbiker, die bergauf flitzen! Sie gelten in den Augen vieler Wanderer als Kriminelle. Das Gesetz verbiete motorisierte Geräte auf Wanderwegen. Und bald gebe es in unseren Tälern mehr Strom-Ladestationen als Schneekanonen.

Snowboarder vs. Skifahrer

Apropos Schneekanonen: Im Winter kommen die Snowboarder den Skifahrern in die Quere. Raser den Genussfahrern. Alkoholisierte den Nüchternen. Touristen den Einheimischen. Am Lift nerven die Drängler. Abseits der Pisten rufen die Skitourengeher wegen der Schneeschuhläufer aus. Weil diese mit ihren «Tennisschlägern an den Füssen» die angelegten Skispuren zertrampeln wie Elefanten. Die Schneeschuhläufer finden dagegen, die Hänge seien für alle da.

Skitourengeher wie Schneeschuhläufer sind wiederum den Jägern ein Dorn im Auge. Da sie das Wild stören. Wie die Heliskifahrer, Gleitschirmflieger und Drohnenlärmer. Die Fischer mögen keine Kajakfahrer. Die Bauern keine Wanderer, die über ihre Wiesen trampeln. Nicht zu vergessen die Hündeler. In die Wolle geraten sich sogar Bergsportler und Berg-Unsportler. Etwa an den Alpenpässen die Autofahrer, Töfffahrer und Rennvelofahrer.

Doch zurück zum griesgrämigen «Dusch-Polizisten». Nachdem er fertig blöd gestürmt hatte, setzte er sich an seinen Tisch – und ass zufrieden das Zmorge. Im Reinen mit sich und seiner Bergwelt.

Von Natascha Knecht am 24. Juni 2019 - 17:13 Uhr