Es ist Freitagabend, ihr sitzt auf dem Sofa und habt soeben die Musical-Serie «Schmigadoon!» für euch entdeckt. Die Handlung ist witzig, die Besetzung super und die Songs grossartig. Aber Moment mal: Den einen Song da, den kennt ihr doch! Ihr seid euch ganz sicher, dass ihr ihn schon gehört habt. Das kann aber eigentlich gar nicht sein, weil ihr schaut doch die Serie gerade zum ersten Mal. Nein, keine Sorge, ihr seid nicht verrückt geworden und habt auch kein Déjà-vu. Die Macher von «Schmigadoon!» können einfach Musical – und haben sich deshalb Inspiration aus den besten Stücken der vergangenen Jahrzehnte geholt.
Hier sind meine Top 6 Anlehnungen an andere Musicals und was «Schmigadoon!» daraus gemacht hat.
Der Song «Enjoy the Ride» ist ein Duett zwischen Melissa und Danny. Die Anspielung ist hier für manche vielleicht nicht wahnsinnig offensichtlich – für mich war sie es dies jedenfalls nicht –, aber im Vergleich muss man zugeben: Ja, hat was. Im Vergleich zu was? Zum Song «If I were a bell» aus dem Musical «Guys&Dolls». In dem Musical von 1950 singt Sarah sturzbetrunken darüber, was sie alles für den von ihr angebeteten Sky machen würde.
Und Melissa? Achtung, Spoiler: Die singt über ihre Pläne mit dem Bad Boy von Schmigadoon, Danny, den sie ziemlich sexy findet. Ich kann es ihr nicht verdenken, Danny wird immerhin von Aaron Tveit gespielt. Und wenn der anfängt zu singen...Holla die Waldfee. Aber es geht ja hier nicht darum, wie Aaron Tveit mich mit seiner Stimme zum Dahinschmelzen bringt. Also zurück zum Thema.
«Schmigadoon!» versus «Guys&Dolls». Falls ihr das Musical nicht kennt oder es nicht mehr auf der Rechnung habt, gebe ich euch hier gerne einen kleinen Erinnerungsbooster. Danach könnt ihr selbst entscheiden, welche Version euch besser gefällt; das Original oder die Schmigadoonische.
Als ich «Corn Puddin'» das erste Mal gehört habe, hatte ich danach tagelang einen Ohrwurm. Und ausserdem ziemlich Appetit auf Corn Pudding, was auch immer das ist. Ich bin einfach mal davon ausgegangen, dass es so etwas wie Griessbrei ist. Also habe ich mir Griessbrei gekauft – und dabei «Corn Puddin'» gehört. Damit ich auch so richtig in die Welt von «Schmigadoon!» eintauchen konnte. Ich bin ja schliesslich nicht Josh, der das Ganze ziemlich doof findet.
Während Schmigadoon schon wie ein ziemliches Nonsens-Wort klingt, setzt das Lied, von dem sich «Corn Puddin'» hat inspirieren lassen, noch einen drauf: «Shipoopi». Der fröhliche Rhythmus ist schon fast genug, um die Parallelen zwischen den beiden Liedern zu erkennen. Doch auch die Tanznummer zum Song «Shipoopi» aus dem Musical «The Music Man» diente ziemlich eindeutig als Grundlage für das «Schmigadoon!»-Äquivalent. Aber seht selbst:
Eigentlich liegt es ja fast auf der Hand, woher «Schmigadoon!» die Idee her hat, über den Namen des Orts zu singen, oder? Von der Betonung der Silben bis hin zum Buchstabieren des Ortsnamens ist der Song «Schmigadoon!» im Prinzip eine moderne Version des Songs «Oklahoma!» aus dem Musical, well, «Oklahoma!». Uninspiriert oder genial? Ich finde: genial! Denn diese offensichtliche Anspielung auf eines der ikonischsten Musicals aller Zeiten lässt keinen Zweifel mehr offen, in was für einer Welt wir uns befinden – weder bei uns noch bei Melissa und Josh, den beiden Protagonisten.
Ihr wollt den Vergleich, ob ich tatsächlich Recht habe mit meiner Behauptung, «Schmigadoon!» sei eine moderne Variante von «Oklahoma!»? Bitteschön, hört rein und bildet euch eure Meinung selbst.
Oh, Kristin Chenoweth, wie ich sie liebe. Ob als Glinda in «Wicked» oder Maleficent in «The Descendants» – die kleine Blondine begeistert mich einfach immer. Und in «Schmigadoon!» ist das nicht anders, wenn sie als bibeltreue Mrs. Mildred Layton die kleine Stadt und deren Bewohnerinnen und Bewohner tyrannisiert. Ihre Ambitionen werden im Song «Tribulation» deutlich – sie will Bürgermeisterin werden und beeinflusst die simpel gestrickten Schmigadoonerinnen und Schmigadooner, indem sie ihnen die Fehler der Stadt aufzeigt und behauptet, sie könnte dies alles besser machen. Überzeugend ist sie anscheinend – und das weiss sie, sonst hätte sie nicht schon Anstecker und ein Banner für ihre Kampagne bereit.
Der Song ist eindeutig geprägt vom Song «Ya got Trouble» – erneut ein Song aus «The Music Man». Auch hier will der Interpret, ein Salesman, sein Publikum davon überzeugen, ihm zu geben, was er will, indem er auf die Ängste der Zuhörerinnen und Zuhörer anspielt und diese so beeinflusst.
Der Gospel-Stil, in dem beide Lieder gesungen werden, wirkt fast schon wie eine Predigt in einer Kirche, die einen mitreisst und willig macht, so ziemlich allem zuzustimmen, was einem angeboten wird. Denn wenn es so spassig und überzeugend angepriesen wird, wie kann es da schlecht sein. Oder?
Wenn ihr das Lied «Va-Gi-Na» aus «Schmigadoon!» hört – geht sicher, dass ihr dieses nicht unbedingt auf voller Lautstärke in der Öffentlichkeit anhört. Obwohl – es ist natürlich sehr lehrreich, denn Melissa singt einem ahnungslosen Pärchen vor, wie ein Baby entsteht. Im hinterwäldlerischen Schmigadoon wird über sowas nämlich nicht gesprochen. Und wie könnte man besser über diesen Entstehungsprozess lernen, als darüber zu singen?
Das hat schliesslich auch schon Maria aus «Sound of Music» festgestellt – und dort den von-Trapp-Kindern so die Harmonien der Musik näher gebracht. Ihr habt es selbstverständlich schon erkannt: Die Vorlage für den Aufklärungssong war «Do-Re-Mi» – inklusive Gitarre und Alpen im Hintergrund, aber mit einem etwas jugendfreieren Thema.
Der Song «Always, always never get my man» handelt davon, wie der Komtesse immer die Männer ihrer Wahl davon laufen. In der Regel, weil sie ihr fremd gehen. Obwohl sie doch gut aussehe und clever sei. Diesen Fluch scheint sie nicht brechen zu können, denn nun kommt ihr auch noch Melissa in den Weg.
Wer sich in Musicals auskennt, muss nicht lange überlegen, von welchem Lied der Song inspiriert wurde: «Always true to you in my Fashion» aus einem meiner absoluten Lieblings-Musicals «Kiss me, Kate». Die Interpretin des Songs singt im Stück zu ihrem Liebsten und sagt, auch wenn sie fremdflirtet und auch mal mit anderen Männern im Bett landet, sei sie ihm doch immer treu – eben nur auf ihre eigene Art und Weise.
Eine besonders lustige Parallele ist, dass beide Frauen in ihren jeweiligen Liedern von einem Mann namens Tex singen. Die eine wurde von ihm betrogen, die andere wurde von ihm verführt. Reden sie etwa vom gleichen Tex? Vielleicht weniger, denn bei der einen ist es ein Börsenmakler, bei der anderen handelt der Mann mit Öl. Die Vorstellung, dass es sich um den gleichen Herren handelt, ist trotzdem lustig. Und hey, es sind Musical-Welten. Wieso sollte es also so abwegig sein?
Eure Meinung?
Na, was meint ihr? Seht und hört ihr die Parallelen oder findet ihr, dass es zwischen den Songs so gar keine Gemeinsamkeiten gibt? Ist ja eigentlich auch gar nicht so wichtig, denn Hauptsache, ihr habt Spass daran, die Serie zu schauen und nach dem dritten Mal bingen die Lieder lauthals mitzusingen. Denn darum geht es doch letztendlich, oder?
Zur Person
Silja Anders kümmert sich als Online-Redaktorin bei der Schweizer Illustrierten um alle Geschichten, die mit Promis, People und Royals zu tun haben. Als studierte Filmwissenschaftlerin mit einem Master of Arts der Universität Zürich bringt sie in ihrer Kolumne «Siljas (Film-)Klappe» jede Woche zu einem anderen Thema ihre Leidenschaft für Filme und Serien zum Ausdruck.