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  4. Psychologin Lisa Fischbach über Dating-Apps wie Tinder & Co. und deren Einfluss auf die Psyche

Präsentiert von Toyota

«Dating-Apps sind gekommen, um zu bleiben»

20 Prozent der Schweizer Paare haben sich online kennengelernt – Tendenz steigend. Doch nicht bei allen Singles führen das Swipen und Matchen auf Dating-Apps zum grossen Glück, sondern bei einigen auch zu einer mentalen Krise. Die Psychologin Lisa Fischbach erzählt, was sie in solchen Fällen rät und wie sich unser Dating-Verhalten künftig ändern wird.

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Lisa Fischbach

Lisa Fischbach sieht Dating-Apps unter anderem für Alleinstehende und ältere Singles als Bereicherung.

ZVG

Lisa Fischbach, Dating-Apps sind zu einer der häufigsten Formen des Kennenlernens von Paaren geworden. Ist das eine positive oder negative Entwicklung?
Grundsätzlich werte ich das als positive Entwicklung – Dating-Apps verunmöglichen es schliesslich nicht, sich offline kennenzulernen. Vielmehr können sie als Empowerment betrachtet werden, da viele Menschen dank den Apps nicht mehr auf ihr Offline-Umfeld angewiesen sind. Das ist insbesondere für Alleinerziehende, Singles, die auf dem Land leben oder bereits etwas älter sind, eine Bereicherung.

Sehen Sie keine Gefahr, dass man aufgrund von Dating-Apps mit weniger offenen Augen durch die reale Welt geht?
Für viele Singles ist Online-Dating tatsächlich die erste Wahl, doch deshalb müssen sie sich anderen Optionen nicht verschliessen. Ich stelle vielmehr fest, dass Menschen, die sich aktiv für die Partnersuche entscheiden und sich bei einer Dating-App anmelden, ab diesem Moment insgesamt offener für neue Kontakte sind. 

Steigen die Nutzerzahlen von Dating-Apps weiterhin an?
Es wird weiterhin ein Wachstum verzeichnet, wenngleich viele das Online-Dating schon für sich entdeckt haben. Genutzt werden die Apps nach wie vor von allen Altersgruppen rege. Online-Dating ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und ein völlig legitimes Mittel, jemanden kennenzulernen.

«Dating-Apps werden von allen Altersgruppen rege genutzt.»

Können Sie dazu Zahlen nennen?
20 Prozent aller Schweizer Paare haben sich gemäss einer Studie von ElitePartner und Parship online kennengelernt. Bei den Paaren, die bereits vor 20 Jahren zusammenkamen – also zu einer Zeit, in der es noch viel weniger Dating-Plattformen gab – sind es nur vier Prozent. Von den Paaren, die maximal zwei Jahre liiert sind, haben sich hingegen ganze 56 Prozent online gefunden. 

Das Body & Health Lab

Im Body & Health Lab beschäftigen wir uns mit aktuellen Themen aus den Bereichen Mental Health, Body Science sowie Innovation und Digitalisierung. Welche Technologien, Trends und Therapien sind richtungsweisend? Was tut sich gerade in der Forschung? Und wer sind die Menschen dahinter? Fundiert recherchierte Artikel geben Auskunft. Unterstützt werden wir dabei von unserem langjährigen Partner Toyota. Auch Toyota ist stets bestrebt, neue Lösungen zu finden und Innovationen voranzutreiben mit dem Ziel, unser Leben und unsere Zukunft besser und nachhaltiger zu machen.

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Haben sich die Absichten und Erwartungen der Nutzerinnen und Nutzer von Dating-Apps mit den Jahren verändert?
Nicht grundlegend. Gemäss unseren Befragungen wünschen sich drei Viertel der Schweizer Singles eine feste Beziehung und nur 20 Prozent suchen eine alternative Beziehungsform oder eine unverbindliche Affäre. Was sich aber dank der Dating-Apps beim Kennenlernen eines potenziellen Partners oder einer Partnerin verändert hat, ist das Kommunizieren der Absichten und Erwartungen. 

Was heisst das?
Bei einigen Apps kann angegeben werden, wie man es etwa mit Monogamie hält oder ob man sich Kinder wünscht. Dadurch haben sich die Nutzerinnen und Nutzer einerseits bereits Gedanken darüber gemacht, was sie suchen, andererseits treten sie automatisch eher mit Menschen mit ähnlichen Vorstellungen und Wünschen in Kontakt. Auf dieser Basis wird auch schneller angesprochen, was vom Gegenüber und einer allfälligen Beziehung erwartet wird.  

Ist dies mit ein Grund dafür, dass Paare, die sich über eine Dating-App kennengelernt haben, gemäss einer Studie der Universität Genf glücklicher sind als andere?
Genau. Paare, die sich online kennenlernen, sind oftmals zielgerichteter und sich über die für eine Beziehung relevanten Themen im Klaren. Dadurch werden sie schneller verbindlich. Etwa, indem sie rascher heiraten und eine Familie gründen.

Dating App

56 Prozent der Schweizer Paare, die maximal zwei Jahre zusammen sind, haben sich dank einer Dating-App gefunden.

Getty Images

Trotzdem werden nicht alle Menschen dank Dating-Apps glücklich. Das Swipen kann auch einen negativen Einfluss auf die Psyche haben. Weshalb ist das so?
Vor allem bei Apps mit zahlreichen Profilen, wie zum Beispiel bei Tinder, entsteht ein Widerspruch zur Exklusivität von Liebe: Liebe ist etwas Besonderes, doch der technische Prozess des Swipens kann eine Distanz zu diesem emotionalen Thema schaffen. Zudem reduzieren das ständige Beurteilen und Verwerfen von möglichen Date-Partnern Menschen auf ihr Dating-Profil. Das lässt viele Nutzerinnen und Nutzer vergessen, dass hinter den Profilen Menschen mit Gefühlen und Sehnsüchten stecken. Dadurch kann die Wertschätzung gegenüber anderen Nutzerinnen und Nutzern sinken.

Was macht es mit einem Menschen, wenn ständig Matches aufgelöst werden oder plötzlich keine Antworten mehr kommen?
Zurückweisung tut weh – auch wenn man offline einen Korb kassiert. Dating-Apps intensivieren und multiplizieren diese Erfahrungen. Wie man damit umgeht, hängt stark von der eigenen Persönlichkeitsstruktur ab. Menschen, die bereits verunsichert sind und ein negatives Selbstbild haben, trifft es härter. Sie fühlen sich in ihren eigenen Glaubenssätzen, wie «Ich reiche nicht» oder «Ich finde eh niemanden», bestätigt.

«Liebe ist etwas Besonderes, doch der technische Prozess des Swipens kann eine Distanz zu diesem emotionalen Thema schaffen.»

Mussten Sie schon Klientinnen oder Klienten davon abraten, weiterhin auf Dating-Plattformen aktiv zu sein?
Ich rate nicht dazu, den Wunsch nach einer Partnerschaft abzuhaken, aber ich habe Menschen schon empfohlen, eine Pause einzulegen, um die negative Spirale zu unterbrechen und sich erstmal um sich selbst zu kümmern. 

Wie wird sich das Online-Dating in Zukunft verändern?
Das letzte Jahrzehnt war das Jahrzehnt von Tinder. Die App hat sich schnell verbreitet und Millionen von Nutzerinnen und Nutzern angezogen. Eine solch rasante Entwicklung provoziert meist eine Gegenbewegung. Dating-Apps sind zwar gekommen, um zu bleiben, doch mittlerweile stellt sich bei einigen Nutzern eine «Swipe Fatigue» ein. Die Lust sinkt, bei zahlreichen Kontakten die gleiche Dating-Routine zu wiederholen. Daraus entsteht ein Trend zum Slow-Dating: Man setzt eher auf Qualität als auf Quantität und sucht sein Glück auf Plattformen, die eine Spezialisierung haben. Zum Beispiel auf solchen, die an Alleinerziehende oder religiöse Menschen gerichtet sind, oder die wie ElitePartner individuelle Matches auf Basis eines Persönlichkeitstestes vorschlagen.

Die Expertin

Lisa Fischbach

Lisa Fischbach ist Psychologin mit eigener Praxis in Hamburg und leitet bei der Online-Partnervermittlung ElitePartner den Bereich Forschung und Matchmaking.

ZVG
Alternativen zu Tinder & Co.

Lovetastic: Eine neue Schweizer App, bei der nicht das Aussehen im Zentrum steht. Bilder können nämlich erst nach einem Match ausgetauscht werden. 

Once: Hier besteht keine Gefahr, von der blossen Masse an Profilen überfordert zu werden. Ein Algorithmus schlägt Nutzerinnen und Nutzern nämlich nur einmal pro Tag einen Menschen vor, der ein «Perfect Match» sein könnte. Wer jedoch mehr Vorschläge wünscht, kann dafür einen Aufpreis bezahlen.

Happn: Diese Dating-App basiert auf Geotagging. Das heisst, man kann nur einen Match mit einem Menschen haben, der einem zuvor bereits im Real Life über den Weg gelaufen ist. 

Veggly: Wer vegan ist und das auch von seinem Partner oder seiner Partnerin erwartet, muss auf der App «Veggly» nicht unzählige unpassende Profile wegwischen. 

Von fei am 20. März 2023 - 09:06 Uhr