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  4. Start-up Seprify: Lukas Schertels nachhaltiger Weissmacher
Erfindung aus der Schweiz

Der Weissmacher auf dem Weg zur Erleuchtung

Er steckt in der Zahnpasta, dem Lippenstift oder in unseren Möbeln: Weissmacher. Weil der herkömmliche Stoff schädlich ist, hat Lukas Schertel vom Start-up Seprify in Marly FR eine überraschende und natürliche Alternative erfunden.

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<p>Aus braunem Holz wird weisse Farbe: Lukas Schertel stellt Weissmacher aus Zellulose her.</p>

Aus braunem Holz wird weisse Farbe: Lukas Schertel stellt Weissmacher aus Zellulose her.

Kurt Reichenbach

Die Turnschuhe? Ja. Der Kaugummi? Der auch. Auf den ersten Blick erkennt Lukas Schertel, 35, welche Weissmacher seine Besucher mitbringen. Der Stoff steckt in weissen Schuhen und weissem Kaugummi. «Weiss verbinden wir mit Gesundheit, Sauberkeit und Reinheit», sagt Lukas Schertel. «Manchmal geht es dabei um die Funktionalität. Aber oft auch um die Ästhetik.» Deshalb steckt Weissmacher auch in vielen farbigen Produkten: Er lässt zum Beispiel Süsswaren wie M&Ms leuchten. Und wird sogar feuchtem Tierfutter beigemischt, damit es «appetitlicher» aussieht. «Den Hunden ist das wohl herzlich egal», sagt Schertel.

<p>Das Pulver ist nicht giftig: Die Schutzanzüge sorgen dafür, dass Lukas Schertel und seine Mitarbeiterin Ana Rebelo das Material nicht verunreinigen.</p>

Das Pulver ist nicht giftig: Die Schutzanzüge sorgen dafür, dass Lukas Schertel und seine Mitarbeiterin Ana Rebelo das Material nicht verunreinigen.

Kurt Reichenbach

Ihm ist es nicht gleichgültig, denn der am häufigsten eingesetzte Weissmacher ist das Schwermetall Titandioxid. In der Schweiz darf es seit 2022 nicht mehr für Esswaren verwendet werden. Wegen des Verdachts einer «erbgutschädigenden Wirkung» hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit Titandioxid verboten. In Kosmetik, Zahnpasta, Sonnencreme und anderen Produkten darf es jedoch weiter verwendet werden.

«Ikea ist interessiert»

Lukas Schertel führt durch seinen Produktionsraum in Marly, ausserhalb von Freiburg. Hier stehen grosse Fässer, flankiert von Schläuchen, Apparaturen und Messgeräten. Schertel studierte Physik an der Uni Zürich und erforschte in Cambridge optische Materialien. Während der Ausbildung kam er einem neuen Weiss auf die Spur. «Ein Käfer hat uns inspiriert», erzählt er schmunzelnd. Der Cyphochilus-Käfer zeigt mit seinem weissen Mantel, dass ein organisch strahlendes Weiss möglich ist. «Die Kunst ist, mit möglichst wenig Material eine möglichst deckende Farbe hinzukriegen.» Die Lösung fand Schertel überraschenderweise in einem braunen Rohstoff – Holz! Beziehungsweise Zellulose, einem Holzbestandteil. Schertel kauft weisse Zelluloseplatten ein und verarbeitet sie zu einem weissen Pulver.

<p>Weich und dicht: Das pflanzliche Pulver kann überall eingesetzt werden.</p>

Weich und dicht: Das pflanzliche Pulver kann überall eingesetzt werden.

Kurt Reichenbach

Dieses fühlt sich weich und sehr dicht an. Der Prozess läuft mittlerweile vollautomatisch, und in den letzten drei Jahren hat sich das Start-up von wenigen Gramm zu Hunderten Tonnen pro Jahr gesteigert. 21 Mitarbeitende unterstützen Lukas Schertel. Ein kleines Team, wenn man bedenkt, wie viele Industrien Interesse an seinem Pulver haben: «Ikea möchte mit uns zusammenarbeiten.» Der weisse Lack auf einem Ikea-Regal besteht heute noch aus Titandioxid. «Wird das Möbel entsorgt, muss man die Lackierung abkratzen, um das Schwermetall vom Holz zu trennen. Das ist aufwendig und nicht nachhaltig.» Neben Möbeln ist der Weissmacher von Seprify aber auch bei Lebensmitteln einsetzbar. Bisher hat dort meist Reisstärke oder Kalk das verbotene Titandioxid ersetzt.

Ein weiterer grosser potenzieller Abnehmer ist die Kosmetikindustrie. Bisher hat das Start-up 11,4 Millionen Franken eingesammelt, um sich für die Märkte zu rüsten. «Wir werden die Produktion nicht alleine stemmen können und haben sie teilweise schon ausgelagert», sagt Schertel. Auch ein Lizenzmodell kommt für ihn infrage. Ob in Marly oder woanders: Für einmal ist Lukas Schertel froh, dass er auf dem Holzweg ist.

Lynn Scheurer von Schweizer Illustrierte
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Von Lynn Scheurer vor 1 Stunde