In Sachen Genetik habe ich nicht das grosse Los gezogen. Während die Frauen in der Familie meiner Mutter alle schlank und zierlich sind, siehts auf der Seite meines Vaters anders aus. Sowohl seine Mutter als auch seine drei Schwestern sind, seit ich denken kann, übergewichtig.
Keine der Frauen hat sich aber jemals darüber beklagt. Und auch sonst kann ich mich nicht daran erinnern, dass sich jemals jemand daran gestört hat. Im Gegenteil. Auf dem Schoss meiner Tanten war es immer besonders kuschelig.
An Familienfesten trugen sie kurze Röcke, hohe Haken und stolzierten im Sommer selbstbewusst im Bikini durch die Badis.
Ich komme ganz nach meinen Tanten. So war ich schon als Kind übergewichtig. Ein Fakt, den meine Familie stets sehr gut gehandelt hat. Sie hat nämlich kein grosses Thema daraus gemacht. Ich habe früh gelernt, dass Körper divers sind und dass das super ist so. Weil es ja total langweilig wäre, wenn wir alle gleich aussehen würden.
Ich war ständig beschäftigt mit verstecken
Dann aber kam die Pubertät. Und die Sommer während der Pubertät. Die Badi-Besuche mit den Jungs. All meine Freundinnen, die ihre schlanken Körper in ihren herzigen Bikinis präsentierten. Natürlich war ich neidisch.
Ich erinnere mich daran, dass ich meinen Bauch stets unter T-Shirts versteckte. Dass ich Badeanzüge statt Bikinis trug. Dass ich ganz schnell im Wasser verschwand, egal, wie kalt dieses war. Hauptsache versteckt.
Was ich aber nie gemacht habe ist, nicht in die Badi zu gehen. Oder statt Pommes nur Salat zu bestellen. Ich erinnerte mich stets an die Worte meiner Eltern: Du bist prima so, wie du bist. Dein Körper leistet ganze Arbeit, sei stolz auf ihn.
Im Alter von etwa 20 Jahren hatte ich mir den Satz so oft genug gesagt, bis er verinnerlicht war: Ich trug knappe Bikinis, stolzierte darin zum Restaurant, zum WC und drehte locker Runden durch die ganze Badi.
Nie hat mich jemand abschätzig angestarrt. Oder ich habe es nicht bemerkt. Eigentlich auch total egal. Wer abschätzig schaut, kann mir nämlich sowieso gestohlen bleiben.
Zum Glück ist jeder Body ein Beach-Body!
Getty ImagesMein Gewicht konnte ich bis vor sechs Jahren stabil halten. Ich trug zuverlässig Kleidergrösse 42. Dann wurde ich schwanger. Nach der Geburt meines Kindes konnte ich tun und lassen, was ich will: Diese eine Kleidergrösse mehr hat sich entschieden, zu bleiben. Die 44 und ich, wir sind quasi das neue Team.
Während der meisten Tage bin ich okay mit der Schnapszahl. An den anderen finde ich es mühsam: Eine 44 zu tragen bedeutet in meinem Fall auch: XL-Boobs. In Bikinis fühle ich mich heute nicht mehr wohl.
Zugegeben, auch im Badeanzug will ich mein Spiegelbild nicht ständig highfiven. Die Teile sind scheisseng, total mühsam zum umziehen, geschweige denn zum aufs WC gehen.
Und plötzlich «vergesse» ich, mir Gedanken darüber zu machen, was andere denken!
Im Juni trifft mich die erste Hitzeperiode des Sommers ziemlich unverhofft. Temperaturen bis 35 Grad zwingen mich nicht in die Knie, dafür aber ins Badekleid. Ich schaue mich prüfend im Spiegel an.
Schon biz viel Bauch, Beine. Po, finde ich. Es ist mein Kind, das mich unterbricht. Es will jetzt in die Badi. Wir ziehen los, bevor wir uns vor Ort bis auf die Badehosen ausziehen. Wir springen Hand in Hand ins Wasser. Und verbringen wunderbare Stunden.
Wir treffen Gspänli, Nachbarn, Menschen aus dem Quartier. Wir haben es so lustig, dass ich komplett vergesse, mich unwohl zu fühlen. Oder mir zu überlegen, was andere wohl über meinen Körper denken. Das ist nicht nur total befreiend, das ist auch total gesund. Und das ist es, was ich sein will: Frei und gesund. Für mich. Und meine kleine Familie.