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Beziehungstipps

«Paare brauchen mehr Ruhe»

Journalistin Sabine Meyer und Psychotherapeutin Felizitas Ambauen erklären die häufigsten Stolpersteine im Zusammenleben. Ihr Podcast «Beziehungskosmos» ist einer der meistgehörten der ganzen Schweiz.

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Sabine Meyer, Felizitas Ambauen, Podcast "Beziehungskosmos"

Praxis und Podcaststudio: Sabine Meyer (l.) und Felizitas Ambauen widmen jede Folge einem anderen Thema.

Kurt Reichenbach

Warum machen Sie einen Podcast zum Thema Beziehungen?
Felizitas Ambauen: Wir verstehen es als Angebot zur Weiterbildung.
Sabine Meyer: Paare, die uns hören, bekommen Distanz zur eigenen Beziehung und können über unsere Fallbeispiele reden, statt grad persönlich oder vorwurfsvoll zu werden.
Ambauen: Man kann den Partner oder die Partnerin auch bitten, sich eine bestimmte Folge von uns anzuhören, weil es hilft, ein Gespräch so in Gang zu bringen.

Was sind denn die häufigsten Beziehungsprobleme von Herrn und Frau Schweizer?
Meyer: Stress und externe Belastung werden in die Beziehung getragen. Diesen Punkt höre ich von unseren Hörerinnen und Hörern am meisten.
Ambauen: Zwei weitere Punkte: Kommunikation und der Umgang damit, dass man sich als Paar um andere kümmern muss – seien es Kinder oder Angehörige.

Wann braucht ein Paar eine Beziehungstherapie?
Ambauen: Wenn man merkt, dass es gleich chlöpft, oder – noch besser – bevor die Probleme massiv sind.

Sollte jedes Paar mal eine Therapie machen?
Ambauen: Nein.

Das überrascht mich.
Ambauen: Es braucht nicht immer eine Fachperson im Boot. Aber ein Paar braucht Inputs: sei es ein Buch, einen Podcast oder ein anregendes Gespräch mit Freunden.
Meyer: Man kann auch ohne Anleitung an der Beziehung arbeiten. Relevanter finde ich, dass jeder bei sich selbst genau hinschaut. Ich höre oft – vor allem von Frauen: Mein Partner macht nichts oder will nicht an unserer Beziehung arbeiten. Das heisst doch auch: An mir selbst muss ich nichts ändern – das Problem liegt allein bei ihm. Das finde ich eine schwierige Haltung.
Ambauen: Mit mehr Selbsterkenntnis versteht man vielleicht auch eher, was in der Beziehung schiefläuft – und wird cleverer darin, den Partner ins Boot zu holen.

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Welche Lebensphasen bringen Paare an den Anschlag?
Meyer: Jene, in denen sie Kinder grossziehen.
Ambauen: Mein Partner nennt sie liebevoll Brandbeschleuniger und Chaosmaschinen. Unterschätzt wird aber auch das Zusammenziehen.

Warum?
Ambauen: Es fördert Dinge zutage, die man vorher vermeiden oder verstecken konnte. Verlassen die Kinder das Haus, ist das fast so, als würde man noch mal zusammenziehen. Es gibt Paare, die ihre eigenen Themen 25 Jahre lang ausgeblendet haben, weil sie sich auf die Kinder fokussierten.

Haben wir heutzutage verlernt, wie Beziehungen funktionieren?
Meyer: Nein, wir können das eigentlich von Natur aus ganz gut!

«Diese Paare meinen es gut – wählen aber oft den falschen Zeitpunkt.»

Felizitas Ambauen

Wie beeinflusst uns, dass wir heute ständig mit der ganzen Welt verbunden sind?
Ambauen: Wenn mein Handy piepst, während mir mein Partner gerade was erzählt, sind wir beide abgelenkt. Man unterschätzt, was solche Mikrostörungen mit einem machen. Als Paar sollte man sich immer wieder mal bewusst abschotten und Ruheinseln schaffen, wo man von niemandem gestört wird.
Meyer: Paare haben heute viel weniger Ruhephasen als früher.

Sie empfehlen Paaren auch einen «regelmässigen Wetterbericht». Was heisst das?
Ambauen: Dass man sich in gewissen Abständen austauscht: Was läuft bei mir, was beschäftigt oder bedrückt mich?
Meyer: Wir beide machen das auch vor jeder Podcastaufnahme. Wenn eine müde ist oder Kopfschmerzen hat, kann sich die andere darauf einstellen und Verständnis haben – und interpretiert es nicht falsch.

Die meisten Paare reden doch jeden Tag miteinander.
Ambauen: Über Organisatorisches, ja. Über Gefühle und Bedürfnisse wird abends eher weniger geredet. So ein «Wetterbericht» braucht Ruhe. Man kann abmachen: Am Samstag nehmen wir uns eine halbe Stunde Zeit und reden darüber, was uns gerade wirklich bewegt.

Machen Sie selbst das auch?
Ambauen: Ja, morgens im Bett mit meinem Mann. Diese Gespräche geben mir ein vollständigeres Bild von ihm, und plötzlich verstehe ich: Ach, deshalb ist der gerade so gereizt oder abweisend! Ich muss es nicht persönlich nehmen. So können Konflikte vermieden werden, weil man nicht überrascht wird, wenn es in der Beziehung vermeintlich aus heiterem Himmel blitzt und stürmt.
Meyer: Und es geht auch darum, einfach mal zuzuhören, ohne grad auf das Gesagte zu reagieren.
Ambauen: Viele Paare sagen uns: Unsere Kommunikation eskaliert. Diese Paare meinen es gut – wählen aber oft den falschen Zeitpunkt. Das Timing ist wichtig! Kommt jemand abends fix und fertig nach Hause, wird er wohl gereizt auf eine Forderung des Partners reagieren.

Wann sollte man eine Beziehung beenden?
Meyer: Das muss letztlich jedes Paar für sich selbst beantworten.
Ambauen: Man kann sich fragen: Werden meine Grundbedürfnisse geachtet? Darf ich meine Gefühle zeigen und ich selbst sein? Kann ich wachsen in dieser Beziehung? Doch auch ein Stillstand kann für ein Paar stimmen. Es steht mir als Therapeutin nicht zu, den Erfolg einer Beziehung zu messen.

Gibts keine K.-o.-Kriterien?
Ambauen: Wenn mir jemand sagt, dass er oder sie sehr unglücklich ist, dann scheint mir das ein hoher Preis dafür, in einer Beziehung zu bleiben.

LS
Lynn ScheurerMehr erfahren
Von Lynn Scheurer am 7. Dezember 2023 - 09:00 Uhr