Weihnachten steht vor der Tür und damit bei vielen Familien auch einige Traditionen und Rituale, die eigentlich gar niemand mehr so richtig will. Schon wieder Fondue Chinoise. Schon wieder Stress, für jedes Familienmitglied ein passendes Geschenk zu finden. Schon wieder eine langweilige Mitternachtsmesse. Die über Jahre hinweg gepflegten Weihnachtsrituale über Bord zu werfen, traut sich aber oft trotzdem niemand so recht. Dabei könnte genau das der Schlüssel zu einem erfüllten, lustigen Weihnachtsfest sein – umso mehr für Familien mit Kindern im Teenager- oder jungen Erwachsenenalter.
«Zu Weihnachten entsteht oft eine Art Generationendruck. Weder die Eltern noch die Jugendlichen trauen sich, an festgefahrenen Traditionen zu rütteln oder sie aufzulösen – aus Angst, jemanden zu enttäuschen», beobachtet die freie Theologin Barbara Schleuniger in ihren Coachings von Familien. «Viele haben Respekt davor, ihre Wünsche klar zu formulieren», dabei liesse eine klare Kommunikation zwischen den Generationen viele Reibungspunkte an Weihnachten gar nicht erst entstehen. «Wenn Familien ihre Weihnachtsrituale bewusst gemeinsam verändern, können alte Erwartungen gar nicht enttäuscht werden», so Schleuniger, die sich als überkonfessionelle Trauerbegleiterin mit alten und neuen Ritualen befasst.

Barbara Schleuniger arbeitet seit zehn Jahren als überkonfessionelle freie Theologin. Mit verschiedenen Ritualen begleitet sie als Coach Menschen in herausfordernden Lebensübergängen, in Zeiten der Neuorientierung oder bei der Bewältigung von Trauerarbeit.
Cornelius FischerDas A und O für ein gelungenes Weihnachtsfest mit Teenies oder jungen Erwachsenen ist für Barbara Schleuniger eine offene Kommunikation im Voraus. «Einmal wirklich das Gespräch suchen und dabei alle abholen. Was sind die Erwartungen, was die Bedürfnisse fürs Fest? Was sind Stressfaktoren und wie können wir sie reduzieren?» Das sind Fragen, die Familien im Voraus für sich klären sollten. So entsteht Raum für neue Traditionen – wie zum Beispiel die folgenden Ideen für ein neues, altersgerechteres Weihnachtsfest mit (fast) erwachsenen Kindern.
Vegi-Weihnachtsmenü statt Fondue Chinoise
«Wenn die Oma ein Filet im Teig oder das Fondue Chinoise erwartet, die Jugendlichen sich nun aber vegetarisch ernähren, wird ein unnötiges Drama kreiert. Dabei gibt es so viele feine, lockere Menüs, die alle gerne haben. Wie wär's zum Beispiel mit selbst gemachten Knödeln an einer Pilzsauce?»
Weihnachtsparty statt engster Familienkreis an Heiligabend
«Warum nicht einmal den Ort wechseln oder an Heiligabend mit anderen Familien zusammen feiern? Auch eine familiäre Party mit einer gemeinsamen Playlist oder einer Cocktailbar statt einem besinnlichen Essen am grossen Tisch peppen Heiligabend auf.»
Karaoke statt Stille Nacht
«Anstatt die traditionellen Lieder anzustimmen, kann das ‹Singen unterm Baum› auch bewusst lustig gestaltet werden. Zum Beispiel mit Karaoke. Es gibt so viele Möglichkeiten, mit alten Traditionen zu brechen, aber trotzdem gemeinsam zu feiern.»
Lotto statt Bescherung
«Eine schöne Idee zu Weihnachten ist ein Lotto mit Preisen. Die Erwachsenen geben ein Budget vor, alle Familienmitglieder denken sich Preise aus. Der Hauptpreis könnte zum Beispiel ein Familienausflug mit drei verschiedenen Zielen sein. So wird die Familienzeit nicht nur an Weihnachten gelebt, sondern aufs ganze Jahr ausgeweitet.»
Deep Talk statt Small Talk
«Zum Beispiel mit ‹ Deep Talk›-Gesprächskarten können Familien oberflächliche Tischgespräche umgehen und dafür in die Tiefe gehen. Jugendliche hinterfragen sowieso oft alles – da bringt Oberflächlichkeit nichts. Sie wollen Tiefe und Echtheit. Diese Gesprächskarten bieten einen guten Weg in solche Gespräche.»
Wunderkerzen-Ritual statt Mitternachtsmesse
«Statt in die Kirche zu gehen, können Familien zu Hause auf dem Balkon, im Garten oder einfach auf dem Fenstersims einige Kerzen anzünden und daraus ein schönes Ritual gestalten. Zum Beispiel mit Wunderkerzen. Sie werden angezündet für liebe Menschen, an die wir denken, die aber heute – aus welchen Gründen auch immer – nicht am Fest dabei sein können.»
Wunsch-Papier statt Gebet
«Auf sogenanntes ‹Flying Wish-Papier› schreibt man einen Wunsch, zerknüllt das Papier und wickelt es zu einer Art Mini-Kamin, den man dann anzündet. Das Wish-Papier hebt wie magisch mit dem Wunsch ab, wenn es verbrennt.»
Vision Board statt gute Vorsätze
«Was soll die Familie nächstes Jahr gemeinsam erleben? Was für einen Höhepunkt nehmen wir uns für das nächste Jahr vor? Ein Vision Board mit Wünschen von allen Familienmitgliedern für die Familie ist eine schöne kreative Aufgabe für Weihnachten oder auch Silvester im Familienkreis. Gerade weil gemeinsame Erlebnisse als Familie oft weniger werden, wenn die Kinder langsam erwachsen werden.»

