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Zimtsterne hat er gar nicht so gerne

Andrew Bond legt die Beichte ab

Wohl jedes Schweizer ­Schulkind kennt das Lied «Zimetschtern han i gern» von Andrew Bond. Beim Backen auf dem Familienhof am Zürichsee gibt er zu: Der Text entspricht nicht ganz der Wahrheit. Und für die Öffentlichkeit war das Lied auch nie gedacht. 

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<p>Andrew Bond besingt nicht nur Guetsli. Auch einen Grittibänz gibts in seinem 1000-Lieder-Repertoire.</p>

Andrew Bond besingt nicht nur Guetsli. Auch einen Grittibänz gibts in seinem 1000-Lieder-Repertoire.

Fabienne Bühler

Wer hätte das gedacht. Seit 27 Jahren singt Andrew Bond «Zimetschtern han i gern». Jetzt legt der Zürcher Liedermacher die Beichte ab: «Eigentlich mag ich Mailänderli viel lieber.» Vor allem ungebacken, fügt er lachend an. Den rohen Teig, den er gerade mit seinem Sohn Tim, 30, verarbeitet, schnabuliert der 60 Jährige aber nicht. Daraus entstehen Grittibänzen für den Chlaushöck – ein Treffen mit Freunden, zu dem Familie Bond jedes Jahr auf ihr Gut bei Wädenswil ZH lädt.

Andrew Bonds Familienrezept

Gewusst? Andrew Bonds liebste Guetsli sind Flapjacks, ein englisches Haferflockengebäck. Der Halbbrite kennt es aus seiner Kindheit. Und backt seine Flapjacks auch heute noch nach dem alten Familienrezept. So gehts:

Zutaten

  • 300 g Butter
  • 180 g Rohzucker
  • 6 bis 7 Esslöffel Golden Syrup, helle Melasse oder Honig
  • ¼ Teelöffel Salz
  • 600 g feine Haferflocken beigeben
Flapjacks

So sehen Flapjacks aus.

Getty Images/Westend61

Zubereiten

Butter in einer grossen Pfanne schmelzen. Dann Zucker, Salz und Honig (oder eine Alternative) untermischen und rühren, bis eine gleichmässige Masse entsteht. Am Schluss die Haferflocken beigeben. Wer mag, mischt nun auch Rosinen oder Schoggi-Stückli unter. Die Masse wird auf einem Blech flach ausgedrückt.

Backen

10 Minuten bei 180 Grad backen und noch warm in viereckige Guetzli schneiden oder runde Flapjacks ausstechen. 

Eine Scheune und ein Wohnhaus bilden den Hof. Er ist umgeben von verpachteten Feldern. Andrew Bonds Grosseltern übernahmen die rund 400 Jahre alten Gebäude nach dem Zweiten Weltkrieg in baufälligem Zustand. Seither belegten zeitweise vier Bond-Generationen gleichzeitig den Familiensitz.

Wie der Vater so der Sohn

Tim wohnt längst nicht mehr zu Hause, kommt an diesem Morgen aber zu Besuch und hilft beim Backen. Er ist Musiker. Wie sein Vater und doch ganz anders. «Unser Zugang zur Musik unterscheidet sich: Für mich war der Klang immer wichtiger als der Text eines Liedes.» Er hat einen Master in Jazzmusik, spielt Tasteninstrumente, Schlagzeug und Akkordeon und steht mit Pop- und Hip-Hop-Formationen auf der Bühne. 2023 erhielt er mit seiner Band muralim den Residency Award am Montreux Jazz Festival. «Tim ist mir musikalisch weit überlegen», sagt der Vater. «Schon als Zweijähriger wollte er Klavier spielen. Und als wir ihm ein Schlagzeug aus Büchsen bauten, übte er so lange darauf, bis das Blech Löcher hatte.» Ein anderer Beruf als Musiker kam nie infrage.

<p>Wenn Tim Zeit hat, unterstützt er seinen Vater musikalisch. Auf der Bühne und im privaten Aufnahmestudio.</p>

Wenn Tim Zeit hat, unterstützt er seinen Vater musikalisch. Auf der Bühne und im privaten Aufnahmestudio.

Fabienne Bühler

Andrew Bonds Werdegang war weniger geradlinig. Die ersten fünf Lebensjahre verbrachte er im Kongo, wo seine Eltern an einer Schule unterrichteten. Obwohl er sich nicht aktiv an diese Zeit erinnert, spürt er bei jeder Rückkehr nach Kimpese, wie tief ihn diese Erfahrung geprägt hat. Die Schule unterstützt er noch immer. Gerade hat er eine Spendenaktion aufgegleist, um kongolesischen Familien unbürokratisch Toiletten zu finanzieren.

Es folgten Jahre in England, der Heimat seines Vaters, bevor Andrew Bond als 12-Jähriger in die Schweiz kam. Damals sprach der Mundartpoet kaum ein Wort Deutsch. Er fand sich schnell zurecht, studierte Theologie und machte ein Praktikumsjahr als Pfarrer in Horgen ZH, bevor er sich der Jugendarbeit und Pädagogik verschrieb.

Kinderliedermacher wurde Andrew Bond durch Zufall. «Immer, wenn wir Guetsli backten, sangen wir Weihnachtslieder. So kam irgendwann das ‹Zimetschtern›-Lied zustande.» Er teilte eine Kassette mit Nachbarn – und plötzlich fand der Song seinen Weg in die Öffentlichkeit. «Die erste Aufnahme war grauenhaft. Aber in der Kindermusik zählen andere Qualitätsmerkmale als Perfektion. Es geht um Freude, Geschichten und Inklusion.» Kürzlich hat er ein Liederbuch in Gebärdensprache veröffentlicht. Der «Zimetschtern» ist auch drin.

<p>«Zimetschtern» in Porta-Gebärdensprache: Mit den Fingern rollen, um die Zimtstange darzustellen und dann mit beiden Händen die Form von Sternenzacken aufzeigen. </p>

«Zimetschtern» in Porta-Gebärdensprache: Mit den Fingern rollen, um die Zimtstange darzustellen und dann mit beiden Händen die Form von Sternenzacken aufzeigen. 

Fabienne Bühler

Das Lied ist inzwischen fester Teil des Schweizer Kulturguts und wird in fast jeder Schulklasse gesungen. Die Melodie hat Andrew Bond von «Jingle Bells» übernommen. Dass ein Lied, das er nicht vollständig selbst komponiert hat, sein grösster Hit wurde, stört ihn nicht. «Kindern ist egal, was ich kann, solange ich sie damit begeistere.»

Jetzt sind die Teigmänner hübsch genug für den Ofen. Während ihnen die Hitze dicke Bäuche beschert, setzen sich Tim und Andrew in den Garten. Auch so spät im Jahr wächst in der Wintersonne noch einiges: Pastinaken, Mangold und Zwiebeln. Im Gewächshaus reifen Kohlrabi und Kräuter.

<p>Der Familienname Bond bedeutet Bauer: Träger Andrew macht ihm mit seinem grünen Daumen alle Ehre.</p>

Der Familienname Bond bedeutet Bauer: Träger Andrew macht ihm mit seinem grünen Daumen alle Ehre.

Fabienne Bühler

Der Hof liegt fast zuoberst auf dem Wädenswiler Berg. Man sieht den Zürichsee, aber auch den Alpstein. «Hier aufzuwachsen, war fantastisch», sagt Tim. Die Spuren seiner Kindheit sind noch sichtbar. Ein Tunnel führt unter Sträuchern hindurch. Den Teich hat die Familie für Lurche und Frösche angelegt. Auch einen toten Nussbaum hat Bond seit damals stehen lassen, weil dort Buntspechte hausen. Er ist leidenschaftlicher Vogelkundler und freut sich über weisse Sprenkel auf dem Laub. «Schau, Tim, eine Eule hat uns auch besucht!»

Tim muss bald los zu einem Konzert. «Willst du einen warmen Bänz mitnehmen?», fragt Andrew. Für das leibliche Wohl seiner Familie zu sorgen, ist seine Liebessprache. Eine Schublade der Gefriertruhe trägt die Aufschrift «Survival». Dort finden alle Familienmitglieder vorgekochte Menüs für Notfälle. 

<p>Im Vorratsraum biegt sich das Lagerregal unter selbstgemachter Konfi. Ein Teil ist fürs Sozialwerk Pfarrer Sieber reserviert.</p>

Im Vorratsraum biegt sich das Lagerregal unter selbstgemachter Konfi. Ein Teil ist fürs Sozialwerk Pfarrer Sieber reserviert.

Fabienne Bühler

Andrew Bond macht auch Musik für Erwachsene

Andrew gibt seinem Sohn noch ein anderes Geschenk mit – ein Fotobuch des ersten gemeinsamen Musikprojekts. Zum 60. respektive 30. Geburtstag haben Vater und Sohn ein Album mit keltischer Musik aufgenommen: «Embrace the Rain».

Andrew Bonds Vater wäre gleichzeitig 90 geworden, starb jedoch vor einem Jahr an Demenz. Das Projekt war auch eine Form der Verarbeitung. «Musik ist in unserer Familie sehr wichtig. In allen Lebenslagen», sagt Tim. «Ihre Wirkung sah ich zuletzt eindrücklich bei meinem Grossvater. Als dementer Mann war er immer noch in der Lage, Weihnachtslieder mit fünf Strophen auswendig zu singen.»

Für Andrew war das gemeinsame Projekt der musikalische Höhepunkt seines Lebens. «Das war nicht ich als Liedermacher, Unterhalter oder Pädagoge. Sondern einfach ich.»

Von Sylvie Kempa (SI) vor 1 Stunde