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Gelassenheit statt Überforderung

Darum sollten Eltern mehr nach dem Faultier-Prinzip erziehen

Eltern wünschen sich für ihre Kinder eine glückliche und erfolgreiche Zukunft. Um ihnen ein möglichst sorgenfreies Leben zu ermöglichen, sind viele der Meinung, ihre Kinder möglichst früh fördern zu müssen. Die Psychologin Anke Elisabeth Ballmann sieht das kritisch. Sie plädiert aufs «Faultier-Prinzip» – und damit auf mehr Gelassenheit.

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Darum sollten Eltern mehr nach dem Faultier-Prinzip erziehen und Kinder keinem Leistungsdruck aussetzen

Gemäss dem «Faultier-Prinzip» ist es eher kontraproduktiv, Kinder zu stark zu fördern.

Getty Images

Eltern wollen für ihre Kinder nur das Beste. Um ihnen ein glückliches Leben zu ermöglichen, würden sie meist alles tun. Sie fördern ihre Kinder etwa, damit sie gute Schulnoten nach Hause bringen, da diese aus ihrer Sicht der Grundstein für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn sind. Hinkt das Kind in der Schule oder in der allgemeinen Entwicklung anderen Kindern hinterher, machen sie sich rasch Sorgen – und versuchen nicht selten, das Kind umso stärker zu fördern.

Die Psychologin Anke Elisabeth Ballmann steht diesem Verhalten kritisch gegenüber. In ihrem Buch «Das Faultier-Prinzip – Wie Kinder in ihrem Lebenstempo gelassen und frei ihre Fähigkeiten entwickeln und die Welt für sich entdecken» macht sie deutlich, dass starke Förderung bei Kindern rasch zu Überforderung führen kann. Sie plädiert auf mehr Gelassenheit und erklärt, was Kinder wirklich brauchen, um glücklich und erfolgreich zu sein. 

Stress schadet der Entwicklung

Im Interview mit focus.de sagt die Psychologin: «Eltern fördern ihre Kinder sehr oft und sehr stark.» Sie denke, genau das ist ein Fehler. Leistungsdruck verursache Stress, und Stress schade nachweislich der kindlichen Entwicklung, dem Lernen und letztlich auch der Bildung. Weiter sagt sie: «Eltern können viel entspannter sein, denn Menschen lernen ein Leben lang und nicht nur in der Kindheit.» Sie sei davon überzeugt, dass Menschen umso freudvoller und dauerhafter lernen, je positiver ihre Lernerfahrungen in der Kindheit waren. Man müsse Kinder daher nicht zum Lernen drängen, sondern ihnen eher mehr Zeit geben. 

Ballmann sieht es als Problem, dass Kinder viel zu früh bewertet und beurteilt werden. Das beginne bereits in der Kita und bei Kinderärztinnen und -ärzten mit Beobachtungsbögen und Tabellen, die festlegen, was ein Kind in welchem Alter können muss. Nun ist die Entwicklung von Kindern aber individuell. Die einen sprechen beispielsweise schon mit einem Jahr gut, andere erst mit zwei Jahren. Letzteres muss noch kein Grund zur Sorge sein. Anke Elisabeth Ballmann räumt aber auch ein: «Natürlich gibt es auch ein ‹zu spät › und es ist gut, die Entwicklung zu beobachten.» Dabei dürfe man aber ruhig etwas entspannter sein, als das derzeit oft der Fall ist. 

Keine Verunsicherung durch Vergleiche

Ballmann möchte Eltern ausserdem ermutigen, sich nicht durch Vergleiche der Kinder verunsichern zu lassen, sondern ihre Kinder als einzigartige Wesen zu betrachten. Man solle lieber darauf achten, wo die jeweiligen Interessen und Stärken der Kinder liegen, als nach Fehlern zu suchen und in einen «Förderwahn» zu verfallen. 

Fördern und fordern sei zwar gut, aber nur solange es massvoll ist – «und Kinder zeigen deutlich, wenn das Mass voll ist», so die Psychologin. Sobald sich das Verhalten eines Kindes ändert, es sich zurückzieht oder aggressiv wird, über körperliche Beschwerden klagt oder Rückschritte in der Entwicklung macht, sei dringend Entspannung angesagt. 

Scheitern soll erlaubt sein

Auf die Frage, was Kinder denn von ihren Eltern brauchen, sagt Anke Elisabeth Ballmann: «Das Wichtigste, das Eltern ihren Kindern schenken können, ist Liebe, das Gefühl der Zugehörigkeit, gemeinsame Zeit und Vertrauen.» Weiter würden Kinder ein Bedürfnis nach körperlichen und seelischen Schutzräumen haben, sowie Anregung und Ruhezeiten brauchen, wie auch die Möglichkeit, Erfahrungen zu machen, bei denen Scheitern erlaubt ist. Nur so hätten sie die Chance, ihre Fähigkeiten und all ihre Gefühle und den Umgang damit kennenzulernen.

Ballmann ist zudem überzeugt: «Die beste und gleichzeitig anstrengendste Förderung ist, ein gutes Vorbild zu sein, denn Kinder orientieren sich nicht an Worten, sondern an Taten.»

Von fei am 7. August 2025 - 18:00 Uhr