Kinder scheinen ein Gespür dafür zu haben, genau dann zu trödeln und trötzeln, wenn es die Eltern besonders eilig haben. Die Schreianfälle fallen in der Warteschlange an der Kasse extra laut aus und im Restaurant macht es den Kleinen erst richtig Spass, mit dem Essen zu spielen, sodass bald alle Augen auf sie (und ihre Eltern) gerichtet sind. Für die Eltern bedeuten solchen Situationen Stress pur. Kein Wunder, reisst da der Geduldsfaden besonders schnell.
Im Grunde hat man sich vorgenommen, ruhig zu bleiben. Ein Vorsatz, der jedoch oft nicht leicht einzuhalten ist. Das Ehepaar Uli und Bernd Bott – sie ist unter anderem Pädagogin und Kommunikationspsychologin, er Musiklehrer und Coach – haben in ihrem Buch #gemeckerfrei drei «Zauberfragen» ausgearbeitet, die helfen sollen, das Schimpfen zu reduzieren und Stresssituationen zu entschärfen.
1. Was könnte im schlimmsten Fall passieren?
Hört man von den Kindern lange nichts, ist das oft verdächtig. Das Autorenpaar erinnert sich im Buch etwa daran, wie ihre Kinder den Balkon mit Hilfe einer Packung Mehl in eine Schneelandschaft verwandeln wollten. Solche Aktionen lassen bei Eltern den Puls rasch ansteigen und enden nicht selten in einer Schimpftirade. Im Nachhinein betrachtet handelt es sich aber meist um harmlose Ereignisse. Deshalb hilft es, wenn man sich gleich die Frage stellt: «Was könnte im schlimmsten Fall passieren?» Meist lautet die Antwort: «Nichts!» Weder die Kinder noch ihre Mitmenschen gerieten in Gefahr. Es muss bloss Zeit fürs Aufräumen aufgewendet werden – und das sollte (je nach Alter) nicht an den Eltern hängen bleiben. Weiter hilft die Frage, was schlimmstenfalls passieren könnte, auch dabei, zu erkennen, wann man als Eltern doch eingreifen sollte.
2. Würde ich das selbst mögen?
Fehler zu machen, gehört zum Leben dazu. In der Regel geschehen sie ohne Absicht. Umso schlimmer ist es, wenn man deswegen blossgestellt oder kritisiert wird. Dies gilt für Kinder und Erwachsene. Für Kinder ist es zudem besonders wichtig, Fehler zu machen. Dies hilft ihnen, sich weiterzuentwickeln und Erfahrungen zu sammeln. Haben sie sich dann gewagt, etwas Neues auszuprobieren und es misslingt, ist es für sie extrem entmutigend, wenn die Eltern sie deshalb massregeln. Es lohnt sich deshalb auch in anderen Fällen zuerst innezuhalten und sich zu fragen, ob man es selbst mögen würde, wie man gerade reagieren möchte oder welche Entscheide man gerade ungefragt für sein Kind fällt.
3. Was würde die Liebe tun?
Bei dieser Frage geht es gemäss Uli und Bernd Bott um die Qualität der Beziehungen. Darum, in einen Dialog zu treten und niemanden für schlechte Gefühle verantwortlich zu machen. Als Anwendungsbeispiel nennen sie eine Situation, die wohl den meisten Eltern bekannt vorkommt: Man öffnet die Küchenschränke und merkt, dass viele Schüsselchen oder Tupperware fehlen. Und das immer und immer wieder. Anstatt sich darüber aufzuregen, stellte sich das Ehepaar ihre dritte «Zauberfrage» und atmete tief durch. Dann wurden die Kinder entspannt gebeten, die Behälter in die Küche zu bringen, was diese auch taten. «Niemand hatte ein schlechtes Gefühl, war genervt oder verärgert», heisst es im Buch. Zudem sei es eine Gelegenheit gewesen, den Kindern zu zeigen, wie man seine Bedürfnisse auf anständige Weise anspricht. Das Fazit der Autoren: «Solange ich diesen Wunsch ohne Vorwurf vortrage, bekomme ich von den Kindern Unterstützung für mein Anliegen.»
Dem Autorenpaar geht es mit ihren Fragen nicht darum, Eltern dazu zu ermutigen, ihren Kindern alles durchgehen zu lassen. Vielmehr sollen sie erkennen, dass hinter dem Verhalten des Nachwuchses oft keine böse Absicht steckt und überdenken, ob es die Situation wirklich erfordert, zu meckern. Oft können Konflikte nämlich im Keim erstickt werden, wenn man kurz inne hält, bevor man auf die Situation reagiert.