Jeder Mensch verfügt über einen Topf voller Ressourcen. Solange zwischen dem, was man schöpft und dem, was man nachfüllt, ein Gleichgewicht besteht, bleibt das Energielevel konstant. Auch ein kurzes Ungleichgewicht ist verkraftbar. «Problematisch wird es, wenn über längere Zeit mehr geschöpft als nachgefüllt wird», sagt Psychologin Elian Zürcher. «Dann leert sich der Topf schleichend, bis keine Ressourcen mehr vorhanden sind. So entsteht ein Burnout.»
Elian Zürcher bietet in ihrer Praxis in Zug einen Präventionsworkshop an: «Resilienz in Familien stärken». Nächste Durchführung ist am 16. und 17. Mai 2025 geplant. Weitere Daten unter psychologie-elianzuercher.ch
ZVGDieser Topf ist nie über Nacht leer. Es gibt immer Warnsignale, die darauf hinweisen, dass die Ressourcen bald aufgebraucht sind. Wie wenn die Kelle bei einem Suppentopf am Boden anschlägt. «Wer diese Hinweise erkennt, kann das Ausbrennen mit gezielten Massnahmen abwenden», so Zürcher. Wie das geht, erklärt die Präventionsexpertin für Eltern-Burnout anhand von fünf Beispielen.
Warnsignal für chronische Überlastung
Gereiztheit und Ungeduld könnten Warnsignale sein.
Getty ImagesSymptome: «Du bist gereizt, genervt und ungeduldig im Umgang mit den Kindern.»
Sofortmassnahme: «Gereiztheit zeigt sich auch im Körper durch Anspannung. Lockernde Bewegungen lösen körperliche und mentale Spannung. In einem Moment der Überlastung hilft es darum zuverlässig, einfach drauflos zu hüpfen wie ein Hampelmann. Oder alle Gliedmassen kräftig auszuschütteln.»
Was langfristig hilft: «Oft machen Betroffene in einer belastenden Situation einfach weiter, weil sie es gewohnt sind. So erhalten sie keine Hilfe. Der Schlüssel für eine langfristige Verbesserung liegt in der Selbsterkenntnis, was einen belastet, und der Kommunikation darüber.»
Warnsignal für ein überaktiviertes Nervensystem
Schlaflos oder erschöpft? Die gute Nachricht: Entspannungsfähigkeit kann man trainieren.
Getty ImagesSymptome: «Du leidest an Schlaflosigkeit oder Erschöpfung trotz Schlaf.»
Sofortmassnahme: «Ich empfehle die Box-Breathing-Methode, progressive Muskelrelaxation PMR oder Yoga Nidra, um das Nervensystem zu beruhigen. Diese Übungen sind ohne Vorwissen machbar, Anleitungen gibt es kostenlos auf YouTube.»
Was langfristig hilft: «Wichtig ist, die Entspannungsfähigkeit zu trainieren. Zum Besipiel durch regelmässige Aktivitäten, bei denen es nicht um Effizienz oder Produktivität geht, sondern nur darum, was dir guttut. Das kann ein Spaziergang sein oder eine kreative Arbeit. Diese Tätigkeiten stärken den Parasympathikus, der für die Regeneration des Körpers zuständig ist.»
Warnsignal für den Verlust des Kontakts zu sich selbst
Kaltes Wasser aktiviert die Sinne – und bringt bestenfalls die Freude zurück.
Symptome: «Du fühlst dich emotional distanziert. Deine Freude am Umgang mit deinen Kindern hat sich verringert.»
Sofortmassnahme: «Hier helfen sinnesaktivierende Übungen: Den Körper mit beiden Händen von Kopf bis Fuss abklopfen, das Gesicht mit kaltem Wasser waschen oder sich mit einer wohlriechenden Creme einreiben. Diese Sinnesreize bringen einen zurück ins Hier und Jetzt.»
Was langfristig hilft: «Bewusste Qualitätszeit mit den Kindern einplanen. Bei welchen Aktivitäten gelingt eine gute Verbindung? Klettern, Gesellschaftsspiele oder Bräteln im Wald? Vielleicht gibt es geliebte Aktivitäten aus der eigenen Kindheit, die man wieder aufleben lassen kann. Diese Momente helfen, die Beziehung zu den Kindern und zu sich selbst zu stärken.»
Warnsignal für Mental Load
Sofort alles aufschreiben gibt Sicherheit, um keine Dinge zu vergessen.
Getty ImagesSymptome: «Konzentrations- und Antriebsprobleme, ständiges Grübeln und trotzdem Dinge vergessen.»
Sofortmassnahme: «Hier hilft es, sofort alles aufzuschreiben – ob im Handy oder auf Papier. So bekommt das Gehirn die Sicherheit, dass nichts vergessen geht, selbst wenn man sich eine Mikropause gönnt, zum Beispiel kurz draussen frische Luft schnappen geht.»
Was langfristig hilft: «Klare Verantwortungsbereiche helfen enorm. Jeder Elternteil übernimmt, was ihm liegt, und was niemand gerne macht, wird gerecht aufgeteilt. Auch eine verbindliche Planung und Prioritätenlisten helfen. Wichtig ist es, bei der Planung auch an Freiräume zu denken.»
Warnsignal für geringes Selbstwertgefühl
Ständiges Grübeln? Manchmal hilft ein Perpektivenwechsel.
Getty ImagesSymptome: «Ständiges schlechtes Gewissen und das Gefühl, keine gute Mutter oder kein guter Vater zu sein.»
Sofortmassnahme: «Ich empfehle einen Perspektivenwechsel: Was würdest du deiner besten Freundin in derselben Situation raten? Wir sind oft viel nachsichtiger mit anderen als mit uns selbst. Diese wohlwollende Haltung sollten wir auch uns selbst gegenüber einnehmen.»
Was langfristig hilft: «Ein schlechtes Gewissen entsteht, wenn gesellschaftliche Erwartungen auf ein geringes Selbstwertgefühl treffen. Wo haben diese Erwartungen ihren Ursprung? Muss man wirklich immer alles schaffen? Nein. Elternsein bedeutet, die Kinder zu begleiten, nicht, sie in Watte zu packen oder vor allen unangenehmen Gefühlen zu bewahren.»
Die Schweiz ist eine Hochburg für Eltern-Burnout
Ein elterliches Burnout ist keine Depression, die alle Lebensbereiche betrifft, sondern ein körperliches und psychisches Erschöpfungssyndrom, das mit der Erziehungsrolle zusammenhängt. Betroffenen Eltern fällt es zunehmend schwer, sich in die Beziehung zu ihren Kindern einzubringen. Sie erleben einen Verlust der Freude an ihrer Mutter- oder Vaterrolle und haben oft das Gefühl, den Familienalltag nicht mehr auszuhalten. Sowohl emotional wie auch kognitiv und körperlich fühlen sich Betroffene nicht mehr in der Lage, ihren Aufgaben gerecht zu werden.
Die Schweiz zählt zu den Ländern, in denen Eltern-Burnout besonders verbreitet ist. Mehr als fünf Prozent der Eltern in der Schweiz zeigen Symptome. In der Folge steigt in betroffenen Familien das Risiko für gesundheitliche Probleme, Gewalt oder Vernachlässigung.
Akuthilfe gibt es hier:
24-Stunden-Elternnotruf – Telefonnummer: 0848 35 45 55
Elternberatung von Pro Juventute – Telefonnummer: 058 261 61 61