Faule Erziehung ist der Expertentipp des Jahres! Der neue Trend am Erziehungshimmel verspricht Eltern, sich weniger verausgaben zu müssen – und wird von ExpertInnen erst noch gelobt. Denn mit Vernachlässigung hat das Konzept «Lazy Parenting» überhaupt nichts zu tun. Es geht vielmehr darum, sich als Eltern geduldig zurückzunehmen, um die gesunde Entwicklung der Kinder zu unterstützen. Wie das funktinioert?
- Wenn wir Kindern den Raum für eigene Entscheidungen zugestehen, bringen wir Ihnen Respekt entgegen und fördern ihr Selbstwertgefühl
- Wenn wir die Geduld aufbringen, unser Kind selber probieren zu lassen und aushalten können, dass es scheitert und erneut probieren muss, lassen wir es aus Fehlern lernen und fördern damit seine Resilienz und Unabhängigkeit
- Wenn wir uns aktiv zurücknehmen, lernt das Kind, sich zu einem unabhängigen und verantwortungsbewussten Menschen zu entwickeln.
Nur, wie kann man diese elterliche Zurückhaltung aktiv in den Familienalltag bringen, wo es doch effizient zu und her gehen muss? Wie bringt man die nötige Geduld auf, um seinem Kind die Selbsterfahrung zu ermöglichen? Diese fünf Tipps können helfen.
Eltern haben oft das Gefühl, keine Zeit mehr für sich zu finden. Mal in einem Buch lesen oder nur schon den Haushalt in Ruhe erledigen können – Fehlanzeige. Die Kinder wollen schliesslich bespasst werden. Permanent bitte.
Nur: Wer seine Kinder pausenlos beschäftigt, tut ihnen damit gar nichts Gutes. Wer sich hingegen einfach mal an die Sonne legt und für den Moment nicht abkömmlich ist, hingegen schon. Natürlich kann es vorkommen, dass die Kinder dann nicht wissen, was sie mit sich selbst anfangen sollen. Das muss man aushalten können (Ja, Lazy Parenting ist auch anstrengend, leider). Hier sofort eine Lösung zu bieten oder auf eventuelles Quengeln einzugehen, beraubt die Kinder einer wichtigen Erfahrung. Nämlich der, ihre kreatives Potential zu entdecken und auszuschöpfen. Lasst die Kinder in Ruhe herausfinden, womit sie sich beschäfigen könnten. Wenn sie dafür etwas länger brauchen, seis drum. Das tut nicht nur dem Kind gut, auch den Eltern nimmt es den Druck weg, dauernd auf Abruf verfügbar und fremdbestimmt zu sein.
Im Familienalltag wird das Wörtchen Nein manchmal fast inflationär gebraucht. Das ermüdet sowohl Eltern wie Kinder. In angesehenen Erziehungskonzepten wie dem Montessori-Ansatz oder dem Attachment Parenting (eine äusserst respektvolle Form des Elternseins) gibt es deswegen sogenannte Ja-Zonen. Das sind klare Grenzen, innerhalb derer ein Kind eigene Entscheidungen treffen darf, ohne dass die Eltern ständig mit einem Nein dazwischen gehen.
Eine Kreide-Küche im Garten kann so ein Ort sein. Da darf sich das Kind schmutzig machen und nach Lust und Laune den Werkstoff Kreide erkunden. Die Kreide raspeln, zermalmen, mit Wasser zu Teig anrühren.... Für kleinere Kinder bietet sich eine Schulbade an, die sie ausräumen dürfen. Immer wieder. So lange sie wollen und bis sie alles entdeckt haben, was es beim Pfannenscheppern zu entdecken gibt.
Eine Ja-Zone kann auch das Anziehen sein. Lasst euer Kind selber entscheiden, welche Hose es zu welchem Pulli kombinieren will. Es muss ja dann damit rumlaufen. Das gute daran ist, dass man emotional explosive Situationen und Machtkämpfe umgeht, wenn man dem Kind altersgemässe eigene Entscheidungen zutraut.
Konsequenzen sind die natürliche Folge unseres Verhaltens. Es ist ok, wenn Kinder das schon früh lernen. Lasst zu, dass Kinder eigene Erfahrungen sammeln. Wenn sie im Regen keine Gummistiefel anziehen wollen, merken sie schnell, dass man nasse Füsse kriegt und das unangenehm ist. Hier hört allerdings die Faulheit der Eltern im «Lazy Parenting» auf. Denn manchmal sind solche Abenteuer mit einem Mehraufwand verbunden (im genannten Beispiel: Schuhe trocknen). Ein Mehraufwand, der sich allerdings lohnt. Der Lerneffekt ist viel grösser, wenn die Kinder selbst Erfahrungen sammeln dürfen, als wenn wir uns darüber den Mund fusselig reden.
Wichtig ist dabei, dass natürliche Konsequenzen und Strafe nicht verwechselt werden. Es ist ok, wenn Kinder eigene Erfahrungen sammeln und begreifen, wie sich ihr Verhalten auswirkt. Sie vor natürlichen Konsequenzen zu beschützen, ist eine Form der sogenannten Rasenmäher-Erziehung. Eine Erziehungsform, bei der Eltern versuchen, für ihre Kinder alle Hürden aus dem Weg zu räumen. Das ist zwar gut gemeint, macht die Kinder jedoch zu weniger glücklichen und selbständigen Menschen.
Kinder zoffen sich oft mehr, als den Eltern lieb ist. Vielleicht auch gerade deswegen, weil die Eltern zu schnell dazwischen gehen, Partei ergreifen, die Lösung präsentieren. Wie wärs, wenn wir unsere Kinder aus der stummen Beobachterrolle dabei begleiten, Konflikte austragen zu lernen? Natürlich sollten Eltern eingreifen, wenn einem Kind Schaden droht oder Gewalt im Spiel ist.
Doch einen Streit, eine heftige Diskussion, muss man nicht zwangsläufig stoppen. Kinder lernen viel beim Streiten. Sie lernen, für sich einzustehen und mit der Zeit auch, konstruktiv Konflikte zu beenden. Am grössten ist der Lerneffekt, wenn die Eltern eine gesunde Streitkultur vorleben. Unter diesem Link erfahrt ihr, warum Streiten vor den Kindern zu einer gesunden Entwicklung beitragen kann. Und wie richtiges Streiten eigentlich geht.
Wichtig zu wissen ist: Faule Eltern lassen ihre Kinder nicht im Stich. Sie sind aber nicht unnötig zur Stelle, sobald irgendetwas passiert. Sondern nur dann, wenn es sie wirklich braucht.
Das Elternhaus ist kein Hotel und Kinder sind von klein auf in der Lage, Aufgaben im Haushalt zu übernehmen. Die Herausforderung für Eltern liegt hier erneut beim Geschehenlassen. Der erste Abwasch im Alter von sechs Jahren ist vielleicht eine riesige Schaumparty und danach hat man zwei Tassen weniger im Schrank. Dafür ist das Kind um zahlreiche motorische und sensorische Erfahrungen reicher. Um maximale Motivation zu erzielen, kann man sich mit dem Kind absprechen, welche Aufgaben es gerne übernehmen möchte.