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Babyzeichensprache

«Handzeichen helfen den Babys, ihre Bedürfnisse zu vermitteln»

Die Babyzeichensprache soll kleinen Kindern ermöglichen, sich durch Handzeichen auszudrücken, wenn sie noch nicht sprechen können. Kritiker halten das für übertriebene Frühförderung und befürchten, dass Kleinkinder aufgrund der Zeichensprache später mit dem Reden beginnen. Die Babyzeichensprache-Expertin Patricia Geiger dementiert und erklärt die Vorteile dieser Kommunikationsform.

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Babyzeichensprache: Handzeichen sollen Babys und Eltern die Kommunikation erleichtern

Die Babyzeichensprache soll es Babys ermöglichen, sich durch Handzeichen auszudrücken.

Getty Images

Patricia Geiger, ab welchem Alter können Babys die Babyzeichensprache oder Zwergensprache lernen?
Im Grunde ist es nie zu früh, um damit anzufangen. Man überfordert ein Baby nicht, wenn man seine Worte auch in Zeichen ausdrückt. In der Regel starten wir mit Kindern ab sechs Monaten. 

Was ist Babyzeichensprache genau?
Eine Form der Kommunikation, die es kleinen Kindern ermöglicht, sich durch Handzeichen auszudrücken, wenn sie dies durch Laute noch nicht können. In unseren Kursen lernen Babys und Eltern in einer entspannten Atmosphäre Zeichen, die für sie wichtig sind. Das Ziel dabei ist es, die Sprechfreude des Kindes zu wecken und einen Austausch mit ihm zu ermöglichen.

Welche Zeichen werden als erstes gelernt?
Als Faustregel gilt, dass man mit fünf Zeichen beginnt. Zwei davon sollen Zeichen sein, die den Eltern das Leben erleichtern. Oft sind das Zeichen für Dinge, die beim Baby Stress auslösen – das Wickeln oder Baden zum Beispiel. Dank den Zeichen können die Eltern das Baby darauf vorbereiten. Zwei weitere Zeichen sollen für Dinge stehen, die das Kind toll findet. Vielleicht den Nuggi oder ein Plüschtier. Das fünfte Zeichen soll etwas Abstraktes symbolisieren, also nicht bildhaft sein. Häufig wählen die Eltern das Zeichen für mehr. 

«Man überfordert ein Baby nicht, wenn man seine Worte auch in Zeichen ausdrückt.»

Und wie werden diese Zeichen beigebracht?
Wichtig ist, dass das Zeichen in irgendeiner Form vorhanden ist, wenn es eingeführt wird. Möchte man etwa das Zeichen für Ente beibringen, dann sollte man das tun, wenn man am See Enten beobachtet oder eine Ente in einem Bilderbuch auftaucht. Das Kind muss eine Verbindung zum Zeichen herstellen können. 

Müssen diese Zeichen nicht wahnsinnig simpel sein, damit Babys motorisch in der Lage sind, diese aufzuzeigen?
Doch, die meisten sind das auch. Das Zeichen für Milch zum Beispiel: Dabei wird einfach die Faust geöffnet und geschlossen – ähnlich wie beim Melken. Das Zeichen für mehr hingegen ist komplizierter und trotzdem lernen es die meisten Babys schnell: Man stellt die linke Hand vor sich auf, mit der rechten macht man alle Finger zusammen und tippt damit auf die linke Handfläche. Die Zeichen lernen die Babys durch ständiges Wiederholen in passenden Situationen.

Im Kursbeschrieb steht, es werden über 70 Zeichen vermittelt. Können sich Eltern und Babys tatsächlich alle merken?
Dadurch, dass sie oft sehr bildhaft sind, ist es relativ einfach, sich an sie zu erinnern. Das ständige Wiederholen und Einbringen in Lieder und Spiele hilft dabei. Und in der Regel vergisst man zuerst die Zeichen, die man im Alltag selten braucht. Das ist dann auch nicht tragisch.

Patricia Geiger

Patricia Geiger ist Gebärdensprachdolmetscherin und bei «Zwergensprache» Kursleiterin für die Regionen Basel-Stadt und Basel-Land sowie Regionalleiterin für die Schweiz.
www.zwergensprache.com

ZVG

Wie weit geht die Kommunikation in Zeichensprache?
Hauptsächlich dient sie dazu, Grundbedürfnisse zu vermitteln. Aber auch die Gedankenwelt der Kinder kann durch die Babyzeichensprache geteilt werden. Oft entstehen dadurch schöne Situationen. Beispielsweise, wenn man mit dem Baby unterwegs ist, seinen eigenen Gedanken nachhängt oder im Kopf die To-do-Liste abarbeitet und das Kind zeigt plötzlich das Zeichen für Vogel. Das reisst die Mütter und Väter aus ihren Gedanken raus und sie fokussieren sich ebenfalls auf den Vogel und sprechen mit dem Kind darüber, was sie sehen.

Besteht die Gefahr, dass Kinder später mit dem Reden beginnen, weil sie sich bereits über die Zeichen ausdrücken können?
Nein, sobald sie sich mündlich ausdrücken können, kommunizieren sie nicht mehr über die Zeichen. 

Kritiker befürchten jedoch genau das.
Ja, ich habe das aber noch nie beobachtet. Ausserdem: Man verbietet einem Kind auch nicht zu krabbeln, weil es dadurch zu bequem werden könnte, um laufen zu lernen. Babyzeichensprache ist nur ein Hilfsmittel, das eingesetzt wird, bis das Kind sprechen kann – wie eine Brücke zwischen Sprachverständnis und der fehlenden Sprechfähigkeit. Ausserdem sprechen die Eltern ja weiterhin mit dem Kind. Die Zeichen unterstreichen nur das Schlüsselwort eines Satzes.

«Sobald sich Kleinkinder mündlich ausdrücken können, kommunizieren sie nicht mehr über die Zeichen.»

Können Kinder später sogar davon profitieren, dass sie Babyzeichensprache gelernt haben?
Auf jeden Fall. Es wurde in vielen Studien gezeigt, dass sie bis ins Schulalter ein grösseres Interesse an Büchern haben. Da sie dank den Zeichen die Sprache schon so früh sowohl über das Ohr als auch über das Auge aufnehmen, wird zudem die Bildung von Synapsen im Hirn unterstützt, der Wortschatz ist grösser und die Feinmotorik wird gefördert. 

Das heisst, bei der Babyzeichensprache handelt es sich im Grunde um Frühförderung?
Nein, darum geht es uns nicht. Frühförderung greift etwas vor, das nicht entwicklungsgemäss wäre. Jedes Kind kommuniziert jedoch intuitiv über Gesten oder winkt zurück, wenn ihm jemand winkt. Wir wollen einzig die Sprechfreude auf eine spielerische Art fördern. Die Eltern sollen dabei keine zu hohen Erwartungen an ihre Babys haben und vor allem keinen Druck ausüben. 

Fabienne Eichelberger von Schweizer Illustrierte
Fabienne EichelbergerMehr erfahren
Von Fabienne Eichelberger am 9. Mai 2025 - 18:00 Uhr