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Belohnungen, Belohnungen

Hilfe, Mutti verliert den Überblick!

Kinder brauchen positive Impulse. Das liegt auf der Hand. Auf Belohnungen reagieren sie wie süsse kleine Welpen – sie freuen sich. Und wollen mehr davon. Es ist eine zum Verzweifeln komplexe Angelegenheit. Send Help.

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Belohnung Kind, Hausaufgaben

Matheaufgaben lösen für ein Zirkus-Pony? Wann macht ein Belohnungssystem Sinn?

Getty Images

Eine weise Frau mit professionellem Hintergrund riet mir einst: «Führen Sie ein Belohnungssystem ein, das wirkt Wunder.» Worum es ging? Das grosse Kind sah partout nicht ein, weshalb es Lesen und Schreiben lernen sollte, wenn es doch sowieso lieber Scooter fährt (Exkurs: Hier biss mich meine eigene erziehungsphilosophische Ausrichtung mal kurz in den Hintern – immerhin predige ich inbrünstig: «Wenn du gross bist, musst du das machen, was dich glücklich macht». Well.) Die weise Frau (in meiner Vorstellung hat sie inzwischen lange weisse Haare und ein leuchtender Lichtschein umgibt ihr Haupt) riet zu einer Stickerliste.

Die Stickerliste ist nach der Geburt des ersten Kindes quasi der Ersatz für Kühlschrankmagnete. Statt unserem Partner liebevolle Nachrichten wie «hab einen schönen Tag, Schatz» aus Einzelbuchstaben zusammengeklöppelt zu hinterlassen, hängt da jetzt DIE Liste.

Üblicherweise setzt sie sich aus einem einfachen Prinzip zusammen. Kind hat etwas, das auf sein übergeordnetes Ziel – also etwa Lesen lernen – einzahlt, gut erledigt. Es gibt einen Sticker. Einfach. Übersichtlich. Wäre die Liste mir nicht entglitten.

Das Tor zur Hölle war aufgestossen

Im Zustand der zunehmenden Verzweiflung, habe ich mich intelligenterweise dafür entschieden, Supersticker einzuführen, die sich aus mehreren normalen Stickern zusammensetzen. Einen Supersticker konnte das Kind in eine Kleinigkeit aus dem Süssigkeitenschrank oder ein Matchbox-Auto eintauschen – in der Theorie. Und – genialer Einfall – eine zu Beginn nicht ganz definierte Anzahl Supersticker konnte es zu einem späteren Zeitpunkt in die Erfüllung eines Herzenswunsches investieren. (Exkurs: Übrigens, bei der Einführung der Supersticker forderte Kind 2 auch eine Stickerliste. Fairness schrieb es zurecht gross.) Ich gebe zu, ich habe mich irgendwo verloren.

Das Kind hat den Überblick behalten.

Und die Verhandlungen aufgenommen – die Tore zur Hölle waren aufgestossen. «Maaaaamaaaaa, wie viele Sticker bekomme ich, wenn ich meine Socken anziehe?» «Mamaaaaaa, drei Sticker ergeben aber einen Supersticker. Du schuldest mir einen Supersticker.» «Mamaaaaa, ich lese erst, wenn ich einen Sticker bekomme». Als optimistische Mutter habe ich mich gefreut – erst – dass das Kind für sein «Recht» einsteht.

Dann habe ich aufgehört. Mit den Stickern und Superstickern.

Ein Leckerli für jede Kapriole?

Es fühlte sich an, als würde das Kind selbst für die normalsten Sachen belohnt werden wollen. Hier liegt der springende Punkt: Sie sind keine Zirkus-Ponys, die für jede Kapriole zwecks Konditionierung ein Leckerli zugeschoben bekommen sollten. Sie müssen lernen, dass es normal ist, gewisse Dinge zu erledigen – ohne, dass sie bezahlt werden (was kommt sonst – für jede Matheaufgabe ein eigenes Zirkus-Pony für die Zirkus-Pony-Farm, die es sich dank Superstickern über die Jahre zusammengespart hat?)

Trotzdem glaube ich dank der weisen Frau immer noch an positive Impulse. Die gibt es nun einfach anders. Jetzt ist es mehr ein Verdienen von Zeit, für eine Aktivität, wie Devices oder Forza auf der Playstation spielen, die wir als Eltern regulieren. Die Punktesammel-Liste haben wir leger der Schule überlassen. Da gibt es für die im Unterricht erarbeiteten Extra-Punkte übrigens ein simples und schlichtes Lob im Hausaufgaben-Buch. Wirkt Wunder.

Von Bettina Bendiner am 9. Oktober 2020 - 17:25 Uhr