Erzählen die Eltern wilde Anekdoten aus der eigenen Kindheit, mag man manchmal kaum glauben, dass das wirklich geschehen ist. Schliesslich müsste man sich doch zumindest noch vage daran erinnern. Bei anderen Ereignissen ist man oft nicht sicher, ob man sich tatsächlich an sie erinnert, oder ob dies nicht bloss vermeintlich der Fall ist, weil man Bilder davon gesehen hat. Fakt ist: Wir werden mit der Zeit nicht nur vergesslicher, sondern gewisse Erlebnisse aus der frühen Kindheit wurden schlicht nie im Gedächtnis abgespeichert.
Lange ging man sogar davon aus, dass die frühesten Kindheitserinnerungen erst Dinge betreffen können, die ab dem dritten Lebensjahr geschehen sind. Dieser These widerspricht nun aber eine neue Studie der New Yorker Columbia Universität, die im Fachmagazin «Science» veröffentlicht wurde. Sie kommt zum Schluss, dass im Gehirn von Kleinkindern schon viel früher Erinnerungsprozesse ablaufen. Nämlich bereits, wenn sie ein Jahr alt sind.
MRI zeigt Aktivität im Gehirn
Zu diesem Schluss kamen die Forschenden, indem sie die Hirnaktivität von 24 Kleinkindern im Alter von vier bis 25 Monaten mit Hilfe einer funktionellen Magnetresonanztomographie (MRI) untersuchten. Der Tomograph macht sichtbar, welche Hirnregionen bei geistigen Prozessen aktiv sind.
Im Rahmen ihrer Untersuchung zeigten die Forschenden den Babys und Kleinkindern eine Reihe von Bildern, auf denen beispielsweise eine Person, eine Landschaft oder ein Nahrungsmittel abgebildet waren. Nach einer gewissen Zeit wurden den kleinen Probandinnen und Probanden zwei Bilder gleichzeitig präsentiert: Eines, das sie bereits beim letzten Mal gesehen hatten und ein völlig unbekanntes.
Dabei zeigte sich zunächst, dass die Kleinkinder das bereits bekannte Bild länger anschauten. Zudem konnten die Forschenden Rückschlüsse aus dem MRI ziehen: Als die Kleinkinder Bilder sahen, an die sie sich erinnerten, strömte mehr sauerstoffreiches Blut in den Hippocampus. Das bedeutet, dass er aktiv war. Beim Hippocampus handelt es sich um eine Hirnregion, die für das episodische Gedächtnis bedeutend ist.
Gespeichert, aber nicht abrufbar
Aus diesen Beobachtungen schlossen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass das Gehirn bereits ab zirka einem Jahr fähig ist, Erinnerungen zu speichern. Allerdings können wir nicht bewusst auf diese Erinnerungen zurückgreifen. Das liegt aber nicht wie bislang gedacht daran, dass die frühkindlichen Ereignisse nicht abgespeichert werden, sondern vielmehr daran, dass wir diese Gedächtnisinhalte nicht abrufen können.