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  4. Stillberaterin gibt Tipps für berufstätige Mütter von Säuglingen

Arbeiten und abpumpen

«Mütter im Büro dürfen bis zu 90 Minuten stillen»

Nach 14 bis 16 Wochen Urlaub fängt für viele berufstätige Mütter der Arbeitsalltag wieder an. Wie sie es schaffen, ihr Baby trotzdem weiterhin mit der wertvollen Muttermilch zu versorgen, und was für Rechte sie haben, erklärt eine Stillberaterin.

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Mutter stillt Baby und arbeitet am Laptop

Arbeiten gehen und trotzdem nicht abstillen, das klappt inzwischen bei immer mehr Müttern.

Getty Images

Frau Fuhrer, für wie viele Mütter ist der Arbeitsbeginn nach dem Mutterschaftsurlaub der Zeitpunkt zum Abstillen?
Es gibt immer mehr Frauen, die versuchen, beides zu kombinieren. Eine Studie aus dem Jahr 2014 zeigt, dass 50 bis 60 Prozent jener Frauen, die nach 14 bis 16 Wochen Mutterschaftsurlaub zu arbeiten beginnen, weiterhin stillen.

Was gibt es für Möglichkeiten, das Abstillen zu vermeiden?
Manche Frauen haben das Glück, dass sie ihr Kind in einer Kita in der Nähe ihres Arbeitsplatzes zwischendurch stillen können, oder dass ihnen die Betreuungsperson das Kind sogar zum Stillen vorbei bringt. Jene Frauen, die zu uns in die Beratung kommen, sind vor allem solche, die während der Arbeit Milch abpumpen.

Wie klappt das?
Es kommt darauf an, wo und wie viel die Frau arbeitet. Wer fast Vollzeit arbeitet, findet es vielleicht zu stressig, sich mehrmals täglich zum Abpumpen zurückzuziehen. Oder eine Lehrerin kann nicht einfach den Unterricht unterbrechen. Aber auch sonst eignet sich nicht jeder Arbeitsort zum Abpumpen. Vom Gesetz her müsste den Müttern allerdings die Zeit und der Raum dafür zur Verfügung gestellt werden.

Was für Rechte haben stillende Mütter am Arbeitsplatz?
Das variiert je nach Pensum: Bei einer täglichen Arbeitszeit von bis zu 4 Stunden stehen einer Frau mindestens 30 Minuten zum Stillen oder Abpumpen zu, arbeitet sie mehr als 4 Stunden, darf sie 60 Minuten dafür aufwenden; bei mehr als 7 Stunden sind es 90 Minuten. Die Rechte sind detailliert ersichtlich auf der Website von Stillförderung Schweiz. Für viele Mütter hat sich die Situation in den vergangenen Jahren tatsächlich verbessert. Aber es ist noch immer nicht an jedem Arbeitsplatz möglich. Doch wenn eine Frau ihr Recht einfordert, müssten es ihre Arbeitgeber möglich machen. In schwierigeren Situationen sollten aber auch die Frauen sensibel agieren, und nicht einfach nur Forderungen stellen.

Milchpumpe am Arbeitsplatz

Macht ganz viele Babys glücklich: Die Milchpumpe ermöglicht es berufstätigen Müttern, die Milchproduktion für ihr Kind während der Arbeit zu erhalten.

Getty Images

Wie klappt das?
Manchmal hilft es, dem Arbeitgeber zu erklären, dass die Stillzeit nicht ewig dauern wird. Mit sechs Monaten isst ein Kind vom Tisch, dann braucht es nicht mehr so viel Milch. Viele Mütter stillen dann bald nur noch zu Hause. Oder wenn sie die Milch in einem öffentlichen Kühlschrank lagern, empfehlen wir, diese in einen geschlossenen, undurchsichtigen Behälter zu geben – manche Mitarbeitende finden das sonst nicht sehr appetitlich …

Geht die Milch nicht schnell zurück, wenn die Frau nur noch daheim stillt?
Bei Babys im Alter von vier bis sechs Monaten reicht es, fünf- bis sechsmal in 24 Stunden zu stillen, damit die Milchmenge erhalten bleibt. Das ist ja die Zeit, in der man auch mit Beikost anfängt. Der Körper kann dann die Milchproduktion je nach Bedarf einfach erhöhen oder reduzieren. Auch wer nur noch morgens und abends stillt, kann die Milchproduktion teilweise über Monate oder Jahre aufrecht erhalten. Das ist dann keine grosse Milchmenge mehr, aber die Zusammensetzung verändert sich entsprechend; die Milch enthält dann verhältnismässig mehr Immunglobuline, welche die Abwehr des Kindes stärken. Nur in den ersten Lebenswochen des Neugeborenen ist es heikel, weniger als sieben- bis achtmal in 24 Stunden zu stillen. Wichtig ist in jedem Fall, dass sich eine stillende Mutter vor dem Arbeitsbeginn umfassend beraten lässt. Die Kosten dafür übernehmen die Krankenkassen.

Wann sollte diese Beratung spätestens geschehen?
Idealerweise zwei bis drei Wochen vor Arbeitsbeginn. Zu dieser Zeit sollte man auch mal versuchen, dem Kind abgepumpte Milch mit dem Schoppen zu geben. Aber die meisten Babys sind dann ohnehin schon daran gewohnt. Wichtig ist, dass beim Üben jene Person «schöppelet», die das Kind während der Abwesenheit der Mutter betreuen wird. Die Stillberaterin klärt zudem über mögliche Reaktionen des Kindes auf, wenn die Mutter vermehrt abwesend ist und stellt ihr verschiedene Systeme zum Abpumpen vor. Und die Frauen sehen: Wenn man sich entsprechend einrichten kann, ist es auch als berufstätige Mutter gut machbar, weiterhin zu stillen.

*Claudia Fuhrer ist Stillberaterin in der Hirslanden Klinik Stephanshorn in St. Gallen.

Weitere Tipps und rechtliche Aspekte rund ums Stillen beim Arbeiten gibt es auf der Website der Stillförderung Schweiz.

Von Christa Hürlimann am 16. Oktober 2019 - 17:56 Uhr, aktualisiert 17. Oktober 2019 - 08:00 Uhr