Durch eigene Kinder erhoffen sich viele Paare Erfüllung, eine Bereicherung des Lebens und das ultimative Glücksgefühl. Doch einige Studien zeigen, dass Paare, welche keine Kinder haben, im Durchschnitt glücklicher sind als Eltern.
Das ist zum Beispiel auch das Ergebnis einer Studie von Glücksforschern, über die die «Welt am Sonntag» berichtete. Demnach sind gar im verhältnismässig reichen Europa zahlreiche Eltern nach der Geburt des Nachwuchses unglücklicher als sie es ohne Kinder waren.
Hierzulande sieht es nicht viel anders aus: Eine Studie von Sitly, einer internationalen Babysitter-Plattform, zeigt etwa, dass sich 85 Prozent der Schweizer Eltern mehr Zeit als Paar wünschen. 44 Prozent der Väter und Mütter fühlen sich ständig gestresst. Da die Studie jedoch lediglich mit Sitly-Nutzern ausgeführt worden ist, können nach Regeln der wissenschaftlichen Datenerhebung keine Schlüsse auf die gesamte Schweizerische Bevölkerung gezogen werden. Wir haben deswegen bei Experte Mathias Binswanger nachgefragt. Der Professor für Volkswirtschaftslehre erforscht unter anderem den Zusammenhangs zwischen Glück und Einkommen.
Mathias Binswanger, was würden Sie aus wissenschaftlicher Sicht sagen: Machen Kinder unglücklich?
Eine pauschale Aussage ist nicht möglich. Es gibt dazu die verschiedensten Studien mit verschiedenen Aussagen. Doch klar ist: Die wenigsten Menschen würden ihre Kinder wieder hergeben. Auf der anderen Seite wissen wir aber auch: Kinder sind kein Glücksrezept. Ein unglücklicher Mensch wird nicht plötzlich dadurch glücklich, dass sie oder er ein Kind hat.
Oft hört man von Eltern Aussagen wie: «Wenn mein Kind mich anlächelt, sind alle Sorgen vergessen.» Sind das nur leere Floskeln?
Überhaupt nicht. Diese Liebe und Anerkennung, die einem ein Kind geben kann, ist etwas ganz Spezielles und das Glücksgefühl wohl unvergleichlich. Doch diese Glückseffekte dauern nicht 24 Stunden am Tag. Lebt man mit Kindern unter schwierigen Umständen, kann man die Sorgen auf Dauer trotzdem nicht vergessen.
Wie meinen Sie das?
Es sind nicht die Kinder per se, sondern die Umstände, in denen Eltern Kinder grossziehen müssen und alles, was sich im Alltag durch Kinder verändert, was unglücklich machen kann.
Besteht ein Zusammenhang zwischen der Anzahl Kinder und der Menge Glück?
Eine höhere Anzahl von Kinder kann zu finanziellen Druck oder mehr Stress im Alltag bei der Kinderbetreuung führen und sich so negativ auf das Glücksempfinden auswirken. Andererseits sind Familien mit mehr Kindern oft auch solche, die eine besondere Affinität zu Kindern haben und deshalb auch mit drei oder vier Kindern glücklich sind.
Was sind neben dem finanziellen Druck Gründe für die Unzufriedenheit bei Eltern?
Es ist immer ein Zusammenspiel von verschiedenen Dingen. Grundsätzlich sehen wir, dass das Sozialleben, der Austausch mit anderen Menschen, sehr entscheidend ist für das persönliche Glücksempfinden. Und dieses ist mit Kindern zumindest in den ersten Jahren oft eingeschränkt. Und dann ist es vor allem der Alltagsstress in einer Doppelverdienerfamilie. Früh aufstehen, Kinder in die Tagesstätte bringen, arbeiten, Kinder holen, Haushalt besorgen, Kinder ins Bett bringen. Wenn sich das Tag für Tag wiederholt, ist das kein Spass.
Trägt der Bruch mit der klassischen Rollenverteilung zu diesem Stress bei?
Ja, das bietet ein Spannungsfeld. Heutzutage gibt es hohe Erwartungen: Eine Mutter sollte – oder will – auch berufstätig sein, gleichzeitig zuhause alles perfekt machen. Das sind natürlich grosse Stressfaktoren. Und der Mann wird mitgestresst, weil er seinen neuen häuslichen Rollenerwartung oft auch nicht gerecht werden kann oder nicht will. Beginnt man dann noch, sich regelmässig zu kritisieren, ist das Glück definitiv im Eimer.
Kann es sein, dass Eltern heutzutage gar nicht unglücklicher sind, aber sich einfach mehr trauen, die negativen Aspekte am Familienleben laut auszusprechen?
Auf der einen Seite war das früher vielleicht Tabu, das stimmt. Ich glaube aber, es verhält sich eher so: Früher waren die Ansprüche an Eltern nicht so hoch. Heute ist man auf den sozialen Medien mit Bildern aus scheinbar perfekten Familienleben konfrontiert. Wir bekommen eine perfekte Welt gespiegelt, mit der real existierende Familien nicht mithalten können. Man sollte das Familienleben nicht durch zu hohe Ansprüche belasten.
Welche Rolle spielt beim Glücksempfinden das Alter der Eltern beziehungsweise der Kinder?
Dazu gibt es keine eindeutigen Zahlen. Was die Glücksforschung eindeutig festgestellt hat: ältere Menschen, die Kinder hatten, sind zufriedener mit dem Leben, als solche die keine Kinder hatten. Aber das gilt erst rückblickend, wenn die Kinder gross sind.