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  4. IVF, ICSI, Insemination, Hormonbehandlung: Vier Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung einfach erklärt

Familiengründung dank Medizin

Vier Methoden bieten Hoffnung bei unerfülltem Kinderwunsch

Die Bezeichnung «künstliche Befruchtung» haben wir alle schon mal gehört. Was steckt eigentlich dahinter? Welche Möglichkeiten gibt es, was ist in der Schweiz erlaubt und wie hoch sind die Chancen, dann tatsächlich Eltern zu werden? Wir verschaffen uns einen Überblick.

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3d illustration of artificial insemination, or in vitro fertilization, of an egg cell.
Getty Images/Science Photo Libra

In der Schweiz ist jedes sechste Paar ungewollt kinderlos, muss es jedoch nicht bleiben. Die Medizin bietet vier verschiedene Möglichkeiten, um Paaren, die auf natürlichem Weg nicht schwanger werden, zur Familiengründung zu verhelfen. Prof. Brigitte Leeners, Direktorin der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am Universitätsspital Zürich, begleitet sie dabei.

«Bei Paaren, die ungewollt kinderlos sind, geht es immer zuerst darum, die Ursache für die Unfruchtbarkeit herauszufinden.» Diese liege zu einem Drittel beim Mann und zu einem Drittel bei der Frau. Bei den restlichen Paaren spielen Faktoren beider Partner eine Rolle.

Nicht immer sind die Erfolgschancen ausschlaggebend

Ist die Ursache geklärt, kann eine gezielte Behandlung erfolgen. Je nach Ursache der Kinderlosigkeit, kann sich das Paar für eine von vier Möglichkeiten eines medizinisch unterstützten Zeugungsversuchs entscheiden. «Bei dieser Entscheidungsfindung spielen oft nicht nur Erfolgschancen und Kosten eine Rolle, sondern auch individuelle Überzeugungen und Haltungen des Paars», sagt Leeners.

Sie ist sowohl Reproduktionsmedizinerin als auch Psychotherapeutin und legt ausgesprochenen Wert auf eine ganzheitliche Beratung. «Für manche Paare ist es wichtig, nahe an der Natur zu bleiben. Solche Paare empfinden dies als den besseren Weg, auch wenn die Zeugungschancen geringer sind. Andere Paare wünschen sich, möglichst schnell und mit höherer Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden. Wir versuchen, für alle Paare die passendste Lösung zu finden.»

Diese Kinderwunsch-Behandlungen gibt es

Eine Befruchtung ist grundsätzlich auf zwei Wegen möglich: innerhalb und ausserhalb des weiblichen Körpers.

  • Als unterstützende Massnahme des natürlichen Zyklus kommen eine hormonelle Stimulationstherapie mit oder ohne eine Insemination infrage.
  • Die sogenannte künstliche Befruchtung ausserhalb des weiblichen Körpers ist durch In-vitro-Fertilisation IVF oder Intrazytoplasmische Spermieninjektion ICSI möglich.

Nachfolgend stellen wir diese vier Möglichkeiten kurz vor. Erklären, wie sie funktionieren, wann sie möglich sind, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, schwanger zu werden und wie viel sie kosten.

Die zwei Methoden zur Unterstützung natürlicher Befruchtung

Unterstützung der Reifung einer Eizelle: Diese Behandlung unterstützt den natürlichen Zyklus der Frau. Durch eine Tablettenbehandlung (in manchen Fällen auch Spritzen) werden eine oder zwei Eizellen zur Reifung gebracht und der Eisprung durch eine Spritze gezielt ausgelöst. So können optimale Bedingungen für eine Befruchtung in einem klaren Zeitfenster geschaffen werden. Die Zeugung kann durch Geschlechtsverkehr oder eine Insemination erfolgen.

Insemination: Diese Methode kommt zur Anwendung, wenn eine leicht reduzierte Spermienqualität vorliegt. Die Spermien werden gereinigt und konzentriert, so dass sich die Dichte der beweglichen und normal geformten Spermien erhöht. Eine Ärztin oder ein Arzt platziert kurz vor dem Eisprung die aufbereiteten Spermien mittels Katheter in der Gebärmutter der Frau. Die Befruchtung findet also ebenfalls auf natürlichem Weg statt – einfach mit etwas Nachhilfe.

Erfolgschancen: «Bei einem jungen Paar ohne Einschränkung der Fruchtbarkeit liegt die Chance, in einem konkreten Zyklus schwanger zu werden, bei 20 Prozent. Das ist schon recht bescheiden. Da wir jedoch Paare mit Problemen unterstützen, liegt die Erfolgsrate bei den oben genannten Verfahren zwischen 8 und 14 Prozent pro Zyklus», so Leeners. In der Regel wechselt man einen Behandlungszyklus mit einem Zyklus, in dem man weiterhin eine Spontanschwangerschaft anstrebt, ab.

Preis: Zwischen 1000 und 2000 Franken pro Behandlung. Bis zum 40. Lebensjahr bezahlen die Krankenkassen in der Regel über ein Jahr die Behandlung zur Reifung einer Eizelle und bis zu drei Inseminationen.

Die zwei Methoden zur künstlichen Befruchtung ausserhalb des weiblichen Körpers

Es gibt Ausgangslagen, die eine natürliche unterstützte Befruchtung ausschliessen. Etwa, wenn die Eileiter verschlossen sind oder entfernt wurden oder wenn die Spermienqualität zu gering ist. «Dann bleiben zwei Möglichkeiten der sogenannten künstlichen Befruchtung, die sich nur im Labor unterscheiden, deren Ablauf für das Paar jedoch exakt gleich ist», so Leeners.

In-vitro-Fertilisation IVF: «In vitro» heisst «im Glas». Bei dieser Behandlung wird der Frau nach einer hormonellen Stimulation eine Gruppe von idealerweise 5 -15 Eizellen entnommen und im Labor mit den aufbereiten Spermien des Mannes zusammengeführt. Hier treffen, im Unterschied zur ICSI (siehe unten), Hunderttausende Samenzellen auf die reife Eizelle und müssen ihren Weg durch deren Hülle selber finden. Dies ist exakt der gleiche Prozess, wie bei einer natürlichen Befruchtung. Findet die Befruchtung statt, transferiert die Ärztin oder der Arzt den Embryo im Alter von wenigen Tagen zurück in die Gebärmutterhöhle.

Intrazytoplasmatische Spermieninjektion ICSI: Bei sehr geringer Spermienqualität, kommt diese Behandlung zur Anwendung. «Mittlerweile macht sie einen Grossteil der Kinderwunsch-Behandlungen aus, denn eine eingeschränkte Spermienqualität ist weltweit ein sehr häufiges Problem», so Leeners. Bei dieser Methode injizieren die Embryologen im Labor ein einzelnes Spermium direkt in eine reife Eizelle. Ist die Befruchtung erfolgreich und entwickelt sich der Embryo weiter, wird ebenfalls ein wenige Tage alter Embryo in der Gebärmutterhöhle platziert.

Sowohl bei der IVF Behandlung wie bei der ICSI Behandlung können befruchtete Eizellen und bis zu 12 Embryonen für weitere Versuche bis zu 10 Jahre eingefroren werden, so dass bei einem günstigen Verlauf mit einer Behandlung die Familienplanung abgeschlossen werden kann.

Erfolgschancen: Bei der Befruchtung ausserhalb des weiblichen Körpers liegen die Erfolgschancen auf eine Schwangerschaft bei 35 bis 40 Prozent pro Behandlungszyklus. «Allerdings muss man betonen, dass diese Werte im Einzelfall – vor allem in Abhängigkeit des Alters der werdenden Mutter - stark variieren können», so Leeners.

Kosten: Der Preis dieser Behandlungen liegt bei rund 7000 Franken pro Versuch. Dazu kommen Kosten für Medikamente in der Höhe von rund 1000 Franken. Wünscht ein Paar eine Präimplantations-Diagnostik, also die Abklärung des Embryos auf mögliche Erbkrankheiten, steigen die Kosten deutlich an. Bislang übernehmen nur wenige Kassen Teilkosten dieser Behandlungen.

«Fremdsperma darf eingesetzt werden, die Eizellenspende ist in der Schweiz verboten. Was im Sinne der Gleichberechtigung etwas schräg ist.»

Brigitte Leeners
Was ist in der Schweiz erlaubt?

Diese vier in der Schweiz erlaubten Möglichkeiten zur Kinderwunsch-Behandlung decken nur fast das volle Spektrum des Möglichen ab. «Zwar darf Fremdsperma eingesetzt werden, die Eizellenspende ist jedoch in der Schweiz verboten. Was im Sinne der Gleichberechtigung schon etwas schräg ist», sagt Leeners. Es bleibt zu hoffen, dass diese Situation in Zukunft nochmals genauer angesehen wird. «Bereits 2017 wurden mit den Neuerungen des Fertilitätsmedizingesetzes wichtige neue diagnostische Möglichkeiten eröffnet, was zeigt, dass gute konstruktive Diskussionen in der Schweiz möglich sind und zu Veränderungen führen.»

Für Einzelpersonen und Personen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft ist es in der Schweiz derzeit nicht möglich, durch medizinische Unterstützung schwanger zu werden.

Diesen Fehler sollten Paare mit Kinderwunsch nicht machen

Die medizinisch unterstütze Befruchtung ist laut Leeners bis zu einem Alter von 43 Jahren möglich. «Oberhalb dieses Alters behandeln wir nur in sehr gut begründeten Ausnahmefällen.» Sie beobachtet jedoch, dass viele Paare sich erst sehr spät um Unterstützung kümmern.

«Oft werden die Auswirkungen des Alters auf die Fertilität unterschätzt. Während eine Frau mit Kinderwunsch im Alter von 35 Jahren noch relativ gute Chancen hat, schwanger zu werden, sieht es nach 40 unabhängig von der gewählten Unterstützungsmethode massiv schlechter aus. Es lohne sich, sagt Leeners, sich frühzeitig mit allen Möglichkeiten auseinanderzusetzen und sich beraten zu lassen.

Sylvie Kempa
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Von Sylvie Kempa am 3. April 2021 - 08:07 Uhr