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Nach Geburtspost einer Influencerin

Was ist eigentlich eine Lotusgeburt?

Eine Aargauer Influencerin vermeldet die Geburt ihres Babys mit einem Bild, das die nicht durchtrennte Nabelschnur und den Mutterkuchen zeigt. Szenen einer Lotusgeburt. Was das genau ist, welche Vorteile sich Befürworterinnen und Befürworter davon erhoffen und warum die WHO davon abrät, es nachzumachen, erfahrt ihr in diesem Artikel.

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Neugeborenes

Mit der Lotusblüte hat die Lotusgeburt nichts zu tun. Sie ist nach ihrer Erfinderin Claire Lotus Day benannt.

Getty Images

Eine Triggerwarnung ist nicht das, was man in einer Geburtsmeldung erwartet. Die Aargauer Influencerin «Mamadenktlaut» wählte die Worte «Achtung! Jetzt wird’s blutig» bewusst, um ihre Community vor dem Inhalt ihres Posts zu warnen: Im Video zeigt sie Plazenta und Nabelschnur nach der Geburt ihres Sohnes. Die Nabelschnur ist intakt: Der Kleine kam per Lotusgeburt zur Welt. 

So unterscheiden sich klassische Geburt und Lotusgeburt

Bei einer klassischen klinischen Geburt wird die Nabelschnur in der Regel kurz nach der Entbindung mit einer Schere durchtrennt. Damit trennt man das Kind vom Mutterkuchen, der es im Uterus mit allem versorgt hat, was es für seine Entwicklung brauchte.

Bei der Lotusgeburt verzichtet man darauf, das Neugeborene rasch von der Plazenta zu lösen. In den ersten Minuten nach der Geburt wird die Plazenta üblicherweise erhöht gehalten, damit das Kind möglichst viel des verbleibenden Blutes aus ihr erhält. Danach bleibt bei der klassischen Lotusgeburt die Verbindung bestehen, bis die Nabelschnur von selbst abfällt – in der Regel nach drei bis zehn Tagen. Die Plazenta wird gereinigt und in den Tagen nach der Geburt regelmässig – bis zu dreimal täglich – mit Salz und Kräutern behandelt, um sie zu konservieren. Die Mutter trägt sie in einer Tasche oder einem Gefäss mit. 

Influencerin wählt Lotusgeburt light

Eine Lotusgeburt hat also nichts mit dem eigentlichen Geburtsvorgang zu tun, sondern beschreibt die Praxis, nach der Geburt die Plazenta mit dem Neugeborenen verbunden zu lassen. Die genannte Influencerin hat sich für eine Light-Variante dieses Vorgehens entschieden: «Nach 2,5 Stunden war ich bereit dafür, und mein Mann schnitt die Nabelschnur durch», schreibt sie im Post.

Der Gedanke hinter der Lotusgeburt ist spiritueller Natur. Befürworterinnen und Befürworter glauben, dass das Baby nach der Geburt weiterhin über die Plazenta mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werde – was ihm einen sanfteren Start ins Leben und eine stärkere Bindung ermöglichen solle. Benannt ist die Praxis nach einer Amerikanerin: Claire Lotus Day beobachtete angeblich in den 1970er-Jahren, dass Schimpansen die Nabelschnur nicht sofort durchtrennen – und übernahm diese Praxis später selbst.

WHO empfiehlt Lotusgeburt nicht

Aus medizinischer Sicht hat eine Lotusgeburt keinen erwiesenen Nutzen für das Kind. Es gibt zwar Studien aus den USA, die darauf hinweisen, dass das Auspulsierenlassen der Nabelschnur zu einem leicht erhöhten Geburtsgewicht führen kann – was wiederum grössere Eisenreserven im ersten Lebenshalbjahr des Säuglings zur Folge haben könnte. Meist ist die Nabelschnur jedoch nach fünf Minuten ausgepulst und erschlafft. Dann fliesst kein Blut mehr, und es werden auch keine Nährstoffe mehr transportiert.

In Spitälern wird die Lotusgeburt nicht angeboten. Medizinisch betrachtet ist das Vorgehen fürs Kind sogar riskant: Durch den natürlichen Zersetzungsprozess der Plazenta können sich Keime bilden, die eine Infektion verursachen können. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt die Lotusgeburt daher ausdrücklich nicht.

Im Post macht die Influencerin keine Werbung für die Lotusgeburt. Ihrem Text ist zu entnehmen, dass es ihr lediglich darum ging, ihre Geburt selbstbestimmt zu gestalten – und die wichtigen Funktionen der Plazenta ins Rampenlicht zu stellen: «Wir sollten diesem Organ mehr Wertschätzung schenken.»

Von SI online am 30. Juli 2025 - 18:00 Uhr