Dénia, Costa Blanca. Die Sonne scheint mit der Kraft des mediterranen Frühlings. Eine Brise weht vom Meer her. Am Himmel kreisen Möwen. Den spanischen Ferienort zwischen Alicante und Valencia würde man nie und nimmer mit Eishockey in Verbindung bringen. Und doch findet hier ein meisterliches Treffen statt.
Felix Hollenstein ist stolz auf seinen Sohn
Felix Hollenstein, mit dem EHC Kloten als legendäre Nummer 24 in den 1990er-Jahren viermal Schweizer Eishockey-Meister und zusammen mit seinem kongenialen Sturmpartner (und besten Kumpel) Roman Wäger ein Albtraum für jeden Gegner, empfängt seinen Sohn Denis und dessen Familie – und dies das erste Mal, seit der ZSC-Stürmer in einer epischen Finalserie gegen Lausanne den ersten persönlichen Titel gewann. Die Umarmung fällt herzlich aus. Die Hollensteins sind endlich sportlich auf Augenhöhe. Felix sagt gerührt: «Ich bin sehr stolz auf Denis – er musste lange auf diesen Erfolg warten. Umso härter hat er ihn erarbeitet, umso mehr habe ich mich für ihn gefreut.»
Rückblick: Am 30. April brachen in Zürich Altstetten in der ausverkauften Swiss Life Arena alle Dämme – in Spiel sieben des Play-off-Finals bezwangen die Lions den HC Lausanne 2:0. Es war der zehnte Titel für die grösste Eishockey-Organisation des Landes – aber der erste für Denis Hollenstein.
Der Stürmer mit der Nummer 91, 2013 mit der Schweizer Nationalmannschaft WM-Silbermedaillengewinner, spricht auch mit etwas Abstand von «überwältigenden Emotionen». Dies ist umso nachvollziehbarer, als er selber bei der Pokalübergabe unvermittelt die Hauptrolle spielte. ZSC-Captain Patrick Geering nahm die Trophäe zwar entgegen – er reichte sie dann aber sofort an den Teamkollegen weiter. Später sagte er dazu: «Denis musste sechs Jahre auf diesen Moment warten – und deshalb wollte ich ihm zeigen, dass er zu 100 Prozent einer von uns ist. Wenn man von Kloten zu uns wechselt, ist das nie einfach. Diese Geste hatte ich schon lange im Kopf.»
Das ist die Familie von Denis Hollenstein
Mit dabei im grossen Moment: die ältere Tochter Ella (6). Ehefrau Isabel (34) und die jüngere Tochter Anni (3) verfolgten den grossen Moment im Logenbereich des Stadions vor dem Fernseher: «Es war zu laut», so Isabel. Von der Goldmedaille des Vaters war Ella sofort hin und weg. «Sie fragte mich am folgenden Morgen, ob sie die Medaille in den Kindergarten mitnehmen darf», erzählt Denis lachend. «Natürlich sagte ich Ja – aber ich ging dann gleich selber mit.» – «Die Töchter sind die grössten Fans von Denis», sagt deren Mutter Isabel.
Seit elf Jahren sind die Kindergärtnerin und der Eishockeyprofi ein Paar – und seit sieben Jahren verheiratet. Dass Denis Eishockeyspieler ist, wusste Isabel – es spielte für sie aber keine grosse Rolle. Lachend sagt sie: «Ich habe eigentlich nie einen Platz in der Eishockeyszene gesucht. Aber nun ist es anders gekommen.» Dennoch hat sie stets ihre Eigenständigkeit bewahrt – und ein sehr pragmatisches Berufsmodell geschaffen. Ihren Job teilt sie sich mit ihrer Mutter: «So ist die Kinderbetreuung nie ein Problem.»
Für ZSC-CEO Peter Zahner ist Denis Hollenstein ein entscheidendes Element im Zürcher Meister-Puzzle: «Beim ihm weiss man immer ganz genau, was man kriegt. Er ist sportlich und menschlich die Verlässlichkeit in Person – und deshalb für jeden Trainer enorm wertvoll.» Zahner, als früherer Assistenz- und Juniorentrainer in Kloten auch ein enger Wegbegleiter von Felix Hollenstein, sieht auffällige Parallelen zwischen Vater und Sohn: «Beide sind bodenständige und bescheidene Typen – mit einem ausgeprägten sozialen Verständnis.»
Nun verbringen die Hollensteins unbeschwerte Tage an der spanischen Ostküste. Hier geniesst Felix Hollenstein in einer wunderschönen Hazienda eines guten Freundes uneingeschränktes Gastrecht: «Wir haben das grosse Glück, dass wir hierherkommen können, wann wir wollen. Dieser Ort gibt mir viel Energie und Kraft.»
So besiegte Felix Hollenstein den Krebs
Es sind Qualitäten, die der früher fast unbezwingbar wirkende Topathlet mehr denn je brauchen kann. Vor rund fünf Jahren spürte Hollenstein einen Schmerz im Rückenbereich. Bei Untersuchungen wurde ein Wirbelbruch festgestellt – und nach weiteren Tests folgte die niederschmetternde Diagnose Knochenmarkkrebs. Doch Fige liess sich nicht unterkriegen – und nahm den härtesten Kampf seines Lebens an. Es war ein Kampf, der alles veränderte und die Relationen für immer verschob. Seine innere Stärke und den Lebensmut hat er dabei nie verloren. «Entscheidend war, dass mir die Ärzte sagten, dass ich eine Chance habe.» Und noch wichtiger: «Bei den vierteljährlichen Kontrollen ist mittlerweile alles in Ordnung.»
«Die Diagnose hat uns alle erschüttert. Aber mein Vater hat sich dieser Tatsache mit beeindruckender Tapferkeit gestellt
Denis Hollenstein
Auch für Denis und seine Familie war die Krankheit des Vaters ein schwerer Schlag: «Die Diagnose hat uns alle erschüttert. Aber mein Vater hat sich dieser Tatsache mit beeindruckender Tapferkeit gestellt – und wir unterstützen ihn, wo wir können.» Es waren nicht zuletzt Ehefrau Barbara und die Söhne Denis und Marc, die ihrem Vater Kraft gaben. Felix Hollstein sagt dazu: «Es ist entscheidend, dass man sich in einer solchen Phase auf ein gutes Umfeld verlassen kann.»
Hollenstein und Hollenstein. An diesem lauen Abend geniessen die beiden unbeschwerte Stunden im spanischen Frühling. Denis öffnet ein Bier, Felix startet den Grill. Die beiden sind ein eingespieltes Team und verstehen sich fast blind. ZSC-Sportchef Sven Leuenberger, der mit Fige in der Nationalmannschaft gespielt und Denis vor sechs Jahren zu den Lions geholt hat, sagt über sie: «Fige und Denis sind beide sehr geerdete Persönlichkeiten – und grundehrlich. Sie sind Menschen, auf die man sich verlassen kann.» Bei Denis habe er manchmal das Gefühl, er sehe dessen Vater: «Er muss als Kind die Bewegungsabläufe von Fige stundenlang studiert haben.» Für den Sohn ist dieser Vergleich aber nicht zulässig: «Einen Spielertypen wie meinen Vater wird es nie mehr geben.»