Gärten sind die letzten Spuren des Paradieses. Mit ihrer Perfektion und Schönheit spenden sie Kraft und erinnern daran, dass der Kreislauf von Entstehen und Vergehen fast schon etwas Göttliches hat. Enzo Enea: «Wir dürfen nie aufhören, über die Natur zu staunen.» Seit sechs Jahren gestaltet der Landschaftsarchitekt an der Art Basel das Atrium der Messehallen. Dieses Mal hat er ein blühendes Ökosystem aus Hochstamm-Obstwiesen geschaffen, die einst von den Behörden ausgerottet wurden. Das Tabuthema bewegt ihn bis heute. «Zwischen 1950 und 1975 fällte man elf Millionen Obstbäume. Der staatlich angeordnete ‹Baummord› sollte den Schnapskonsum eindämmen. Die Aktion veränderte die Schweizer Landwirtschaft nachhaltig. Die Folge: Viele alte Obstsorten sind heute nicht mehr existent.»
Den «Clochepoche» von Jean Dubuffet (r.) ersteigerte Enea an einer Auktion. Das Gemälde ist von Ian Davenport.
Geri Born / Schweizer IllustrierteAlte Bäume, junge Kunst
«Flora Renaissance» heisst die Installation des Baumflüsterers. Im Creative Atelier zeigt er das «lebende Kunstwerk» seiner Tochter Guenda. Die 28-jährige frisch patentierte Rechtsanwältin hat eine grosse Zukunft vor sich: «Ich bin sehr stolz, dass sie sich entschieden hat, im Familienunternehmen Fuss zu fassen.» Zum Enea-Imperium gehören 240 Angestellte und fünf Landscape-Filialen in Miami, New York, Mailand, Zürich und Rapperswil-Jona SG.
Das Gemälde oben besteht aus Angelhaken, thematisiert die Überfischung der Ozeane.
Geri Born / Schweizer IllustrierteKein Wunder, ist Enzo Enea die meiste Zeit auf Reisen. Er arbeitet mit den renommiertesten Architekten der Welt zusammen wie David Chipperfield, Rem Koolhaas, Tadao Andō. Auch die verstorbene Zaha Hadid vertraute ihm. Seine Traumgärten, sein Lifestyle und das Gespür für Ästhetik sind gefragt und werden rund um den Globus geschätzt. Aktuell baut er gigantische Natur-Resorts in Litauen, Warschau, Bordeaux, Italien und Spanien.
Enzo Enea zeigt Tochter Guenda die Art-Basel-Installation «Flora Renaissance» in seinem Creative Atelier.
Geri Born / Schweizer IllustrierteEnzo Enea ist mit energischem Schritt unterwegs, trägt eine schwarze Brille, ein blaues Hemd und eine grüne Leinenhose, die perfekt in dieses Luxus-Ambiente passen. 75'000 Quadratmeter gross ist das Anwesen, das sich bei der Zisterzienser-Abtei Mariazell Wurmsbach am oberen Zürichsee befindet. Enea und seine Frau Maria (59) haben es für 99 Jahre gepachtet. Vor 15 Jahren eröffneten sie hier das weltweit erste Baummuseum. Die Eiben, Sumpfzypressen, Feldulmen, manche viele 100 Jahre alt, gedeihen prächtig. Im Teich schwimmen meterlange Störe. «Dieser Fisch ist perfekt. Er ist ein lebendes Fossil und produziert schon seit einer Million Jahren Kaviar.»
Der Unternehmer liebt Ducati-Motorräder, geniesst die Freiheit auf zwei Rädern. Nicht auf dem Bild: Pin-up-Poster aus dem Pirelli-Kalender.
Geri Born / Schweizer IllustrierteBewusstsein schärfen, Herz öffnen
Showroom und Park (drei Vollzeitgärtner sind angestellt, der Eintritt kostet 15 Franken) sind spektakulär, sollen die Besucher erden und sensibilisieren. Natürlich spielen Bäume, Pflanzen und Tiere die Hauptrolle. Aber nicht nur! Der ausgebildeter Industriedesigner ist seit 30 Jahren auch ein begeisterter Kunstsammler. Platz genug für zeitgenössische Trouvaillen hat er ja.
Nach welchen Kriterien kauft er ein? «Die Werke haben alle eine Botschaft und verleihen der Umgebung noch mehr Stärke. Viele Künstler schöpfen ihre Inspirationen aus der Natur. Ich gebe die Werke der Natur zurück. Durch die Symbiose entsteht ein Moment der Klarheit. Sylvie Fleury zum Beispiel hält uns mit ihren magischen ‹Mushrooms›, die sie mit Chanel-Nagellack überzogen hat, einen Spiegel vor. Ihre Botschaft: Wir leben in einer Konsumgesellschaft, von der wir uns blenden lassen und die uns süchtig macht.»
Sylvie Fleury hat ihre «Mushrooms» mit Original-Nagellack von Chanel überzogen.
Geri Born / Schweizer IllustrierteMan lustwandelt zwischen riesigen Skulpturen, die wunderbar mit der Umgebung harmonieren. Sieht er sich auch als eine Art Künstler? «Ja, vielleicht. Ich nutze die Dreidimensionalität im Raum und verwirkliche meine Visionen – einfach ohne Pinsel und Farben.»
Nicht alles, was in der Sammlung ist, stösst auf Gegenliebe. «Es gibt nur ganz wenige Objekte, die meiner Frau und meiner Tochter nicht gefallen», sagt er lachend. Mit Maria ist er seit 30 Jahren verheiratet. Sie ist eine elegante Erscheinung, hält ihm den Rücken frei, kümmert sich um die Kommunikation.
Die Familie beim Thai-Lunch im privaten Tee-Pavillon. Enzo und Maria sind seit 30 Jahren verheiratet: «Gut streiten und sich versöhnen können sind wichtig.»
Geri Born / Schweizer IllustrierteEnea erbte die Liebe zu den Bäumen von seinem Vater, der in den 50er-Jahren aus Norditalien in die Schweiz eingewandert ist. «Er hat fantastische Terracotta-Töpfe hergestellt. Ich habe ihm als Bub oft bei der Auslieferung geholfen. Das Ambiente in den Gärten hat mich elektrisiert.» Eigentlich wollte der Zürcher, der in Rüti geboren ist, ja Tiefseeforscher werden. «Jacques-Yves Cousteau war mein grösstes Vorbild.» Ein Forscher ist Enzo Enea trotzdem geworden – einfach über Wasser.