Es stimmt: Auf einem Pferd zu sitzen, ist nicht immer bequem. Im Schritt wird man sanft hin- und hergewiegt. Im Trab hingegen kann man ziemlich durchgeschüttelt werden. Doch es gibt Pferde, auf denen man durch die Landschaft saust und dabei sitzt wie auf einer warmen Couch. Dieser «Sofagang» heisst Tölt und ist so komfortabel, weil das Pferd dabei nie ganz abhebt – eines seiner Beine hat immer Bodenhaftung. Für Laien sieht es aus, als würden die Tiere ihre Vorderbeine grundlos in die Höhe ziehen.
Machten ihr Hobby zum Beruf: Roman Spieler und Catherine Mynn.
Joseph KhakshouriRoman Spieler (39) hat ein Auge dafür. «Jetzt hat der Kleine gerade von sich aus getöltet», sagt der Pferdezüchter, als er auf der Weide zwei Fohlen besucht. Spieler lächelt, «das ist ein gutes Zeichen!». Denn obwohl die Islandpferde für ihre speziellen Gangarten bekannt sind, beherrscht nicht jedes von ihnen alle fünf Gänge gleich gut.
Welches die begabtesten Pferde sind, zeigt sich Anfang August in Birmenstorf AG. Dann findet die Weltmeisterschaft der Islandpferde in der Schweiz statt. Zuletzt gab es so eine WM hier vor 16 Jahren. Bei manchen Wettbewerben geht es um die Geschwindigkeit, bei anderen um die Reinheit der Gänge. «Auch die Harmonie zwischen Reiter und Pferd fliesst in die Bewertung ein», sagt Spieler, der OK-Präsident der WM ist und solche Anlässe als Reiter und als Punktrichter kennt. «Beim Islandpferdesport gibt es kein Geld zu gewinnen, darum geht es uns nicht.»
Zu schwere Reiter?
Worum es geht, erahnt man im Zürcher Oberland. Auf Roman Spielers Hof Lieburg wohnen gut 60 Islandpferde – andere Rassen gibt es nicht. Der Familie gehören 14 der Pferde, die anderen wohnen zur Miete. Am Mittag setzt sich Roman Spieler auf sein vierrädriges Quad und treibt die Herde von der Weide zurück in den Stall. Ein Meer aus braunem, weissem und rotem Fell tanzt vorbei. Er wird geschnaubt und getrappelt. «Diese Farbenvielfalt ist einfach toll», sagt Spieler. Isländer gibt es in allen erdenklichen Varianten – nur einen Tigerscheck wird man nie sehen, das ist ein weisses Pferd mit schwarzen Punkten wie jenes von Pippi Langstrumpf.
«Sàlmur ist aus unserer Sicht perfekt», sagt Roman Spieler über den zehnjährigen Wallach. «Er ist sensibel, vielseitig und robust.»
Joseph KhakshouriAuffällig an den Isländern ist ausserdem ihre dichte Mähne und dass sie ziemlich klein sind. 1,40 bis 1,50 Meter ist das durchschnittliche Stockmass. Das misst man dort, wo der Hals in den Rücken übergeht. Da stellt sich die Frage: Vertragen diese Ponys überhaupt einen erwachsenen Reiter wie Roman Spieler?
«Das Maximalgewicht ist ein Diskussionsthema», sagt er, während er dem Wallach Árvakur einen Sattel auflegt. «Aber wichtiger als das Gewicht sind Muskeltonus, Balance und Erfahrung des Reiters.» Islandpferde sind stark und robust und werden auf ihrer Heimatinsel seit Hunderten Jahren geritten. «In unserer Reitschule lassen wir keine erwachsenen Anfänger aufsitzen, um die Pferde zu schützen», sagt Spieler. Er kann es sich leisten: Für den Reitunterricht auf der Lieburg gibts eine zweijährige Warteliste.
Sie traten gegeneinander an
Die Lieburg ist ein Familienbetrieb, auch Spielers Frau Catherine Mynn (37) ist begeistert von den «Isis». Sie lernte sogar hier einst selbst reiten. «Seit den 1950er-Jahren werden die Pferde in die Schweiz importiert», erzählt sie. Früher sei sie manchmal gefragt worden, wann sie denn auf die «richtigen» Pferde wechsle. «Doch das Interesse an den Isländern wächst.» Auch im eigenen Haus: Tochter Emma (5) reitet fast jeden Tag. Gefragt nach ihrem Lieblingspferd, zählt sie einen Namen nach dem anderen auf. Sohn Jamie (3) ist noch zu klein zum Reiten. «Wie man mit den Tieren umgeht, hat er sich aber von uns schon abgeguckt», sagt Catherine lachend. «Sie reagieren auf seine Körpersprache.»
Sie gehören auch zur Herde: Roman Spieler und Catherine Mynn mit ihren Kindern Jamie und Emma auf dem Hof Lieburg bei Egg ZH.
Joseph KhakshouriDas Regelwerk der WM schreibt den sanften Umgang mit den Tieren vor. «Ist ein Reiter grob zu seinem Pferd, kann er nicht gewinnen», sagt Spieler. Er selbst kommuniziert ohne viele Worte mit den Tieren. Die Liebe zu den Isländern verbindet ihn und Catherine seit Teenagertagen. «Wir traten oft bei Turnieren gegeneinander an», erzählt sie lachend. Dass aus der Konkurrenz mal Liebe wird und aus dem Hobby ihr ganzes Leben, hätten beide nicht gedacht. Bevor sie den Hof vor zehn Jahren übernahmen, verkaufte er Medizinaltechnik, sie arbeitete als Sozialpädagogin. «Wir haben unglaublich Glück, dass wir unsere Leidenschaft zum Beruf machen konnten.»
Am liebsten in der Herde: die Islandpferde vom Hof Lieburg unterwegs von der Weide zum Stall.
Joseph KhakshouriEine Leidenschaft, welche sie mit Isländerfans auf der ganzen Welt teilen. 200 von ihnen kommen vom 4. bis 10. August nach Birmenstorf. Und sie alle hoffen, dass ihr «Isi»-Fieber noch viele andere anstecken wird.
5 Gänge Islandpferde können neben den Gangarten Schritt, Trab und Galopp auch den Tölt und den Rennpass.
5000 Islandpferde So viele gibt es in der Schweiz. In Island sind es 90'000 Tiere.
4.–10. August Die Islandpferde-Weltmeisterschaft findet in Birmenstorf AG statt. Neben den Wettkämpfen gibt es Livebands und Foodtrucks: wm2025.ch