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Grosse Kinder, grosse Probleme …

Wenn Kinder plötzlich nächtelang Party machen

Die Tochter unserer Protagonistin hat vor einem halben Jahr ihren 18. Geburtstag gefeiert. Schön und gut, bloss: Wie geht man als Eltern mit der Angst um, die uns dann beherrscht, während die nicht mehr so kleinen Kinder nächtelang im Ausgang sind? Dania Schiftan weiss Bescheid.

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Teenager Party

Die Tochter unserer Protagonistin ist gerade volljährig geworden und will nur noch Party machen.

Getty Images/fStop

Neulich sitze ich mit meiner Freundin in einem Café. Ihre Tochter, mein Göttimeitli, hat vergangenen September ihren 18. Geburtstag gefeiert. So weit, so wunderbar. Womit meine Freundin aber nicht gerechnet hat, ist die Wucht an Emotionen und Ängsten, die die Volljährigkeit ihrer Ältesten mit sich bringt.

Hoffentlich keine KO-Tropfen!

Fakt ist: Das Mädchen hat das Clubben entdeckt. Eine Tatsache, die meiner Freundin schlaflose Nächte bereitet. An Einschlafen ist erst dann zu denken, wenn das Kind sicher daheim angekommen ist. Oft ist das erst gegen vier Uhr morgens.

Das ist aber nicht das einzige Problem: Schlimmer als der Schlaf, der meiner Freundin fehlt, sind die Ängste, die sie plagen, während sie nachts alleine auf dem Sofa sitzt und wartet. Hoffentlich werden ihr keine K.O-Tropfen verabreicht. Hoffentlich vertraut sie nicht den Falschen. Hoffentlich geht mit dem Nachtzug alles gut. Hoffentlich ist sie nicht alleine unterwegs.

Meine Freundin hat ihre Situation treffend und fast schon witzig in einem einzigen Satz formuliert: «Das Kind geht aus, die Hangovers aber habe ich!»

 

 

Wir haben Psychotherapeutin Dania Schiftan zu dieser Problematik befragt und wollten vor allem wissen, wie wir zurück in den Schlaf und die Entspannung finden, während unsere Kinder die Dancefloors dieser Welt erobern.

Liebe Dania, wenn Kinder volljährig werden und in Clubs reinkommen, stürzen vor allem viele Mütter in die Krise. Warum ist das so?
Ich würde jetzt nicht unbedingt sagen, dass das ein Mütter-Phänomen ist. Ich kenne viele Väter, die vor allem bei Töchtern einen ausgeprägten Beschützerinstinkt entwickeln. Aber ganz egal, ob es Väter oder Mütter sind, die Ängste entwickeln: diese sind in solch einer Situation völlig normal und völlig okay. Die Kinder sind jetzt erwachsen, wir müssen schon wieder mehr loslassen, die Kontrolle abgeben, Vertrauen entwickeln. Das ist enorm schwierig. Man will sein Kind ja am liebsten immer beschützen. Dass man das spätestens ab der Volljährigkeit nicht mehr kann, weckt also eine gewisse Machtlosigkeit, mit der man lernen muss umzugehen. 

Wie können Eltern mit ihren Ängsten umgehen?
In erster Linie ist es wichtig, dass Eltern mit sich selber gnädig sind. Sie dürfen Angst haben. Wenn Kinder ausgehen, ist das neu, fremd, und eben nicht kontrollierbar. Da laufen Filme ab und man sieht vielleicht einfach nur noch Gefahren. Oft ist es nicht so, dass man seinem Kind nicht vertraut. Man vertraut den anderen nicht, hat Angst vor Alkohol, Drogen, KO-Tropfen. Wichtig ist, dass man hinschaut, dass man differenziert, was reale Gefahren und Ängste sind und wo es unsere eigene Geschichte und unsere eigene Phantasie ist, die mit uns durchgeht. Im allerbesten Fall aber haben wir als Eltern schon lange vor dem 18. Geburtstag unserer Kinder angefangen, sie aufzuklären und vorzubereiten für die Zeit ab der Volljährigkeit.

Sollte man mit den Kindern über seine Ängste und Zweifel sprechen?
Ja und nein. Fakt ist, Kinder spüren, wenn Eltern zweifeln oder Ängste haben. Gerne passiert es dann, dass sie die Schuld auf sich nehmen und das Gefühl haben, sie machen etwas falsch. Ich würde dazu raten, dass Eltern ihre Kinder über ihre Ängste informieren, ihnen aber klar sagen, dass die Kinder nichts falsch machen und dass Eltern für sich selber und ihren Umgang mit Ängsten verantwortlich sind. Und dass sie diese ernst nehmen und daran arbeiten, einen guten Umgang damit zu finden. Wenn wir es dann aber dennoch schaffen, das Kind zu ermutigen, weiter auszugehen und sich auszuleben, ist das enorm wertvoll und gesund.

Wie kann der Partner helfen, wenn ein Elternteil in eine Negativ-Angst-Spirale gerät?
In den meisten Fällen ist es ja so, dass ein Elternteil etwas ängstlicher und der andere etwas entspannter ist. Wichtig ist, dass sich der, der Angst hat, ernst genommen fühlt und nicht als «Schisshase» abgetan wird. Auf der anderen Seite ist es aber nicht die Aufgabe des entspannteren Parts, den ängstlichen ständig zu regulieren. Am besten ist, stets in Kommunikation zu sein und zu bleiben, zu reden und Wege zu finden, wie das Elternpaar mit der neuen Situation umgehen kann, dass es für beide stimmt.

Macht es Sinn, dass wir unsere Kinder vom Club abholen oder Abmachungen mit ihnen treffen? Zum Beispiel, dass sie sich alle zwei Stunden melden sollen?
Nein, davon rate ich ab. Wenn Kinder im Club sind und ganz mit der Musik abtauchen, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie das Sich-melden schlichtweg verschwitzen. Das würde dann daheim für grosse Panik sorgen, die absolut nicht nötig ist. Da finde ich es viel klüger, dass man andere Abmachungen macht. Beispielsweise können die Eltern ein Uber nach Hause zahlen. Oder dem Kind raten, sich an seine Herde zu halten, also auch mal in Gruppen unterwegs zu sein, die eine gewisse Sicherheit vermitteln. Und ganz klare Notfallpläne mitgeben. Dem Kind sagen, dass es an der Bar beim Personal Hilfe bekommt. Und zuletzt: dass es sich, egal wie betrunken es ist oder was auch immer es für einen Seich gemacht hat, bei den Eltern melden darf und sofort abgeholt und umsorgt wird.

Kann man quasi vorbeugend was machen? Wann soll man in Sachen Drogen, KO-Tropfen und Alkohol aufklären?
Absolut. Ich denke, dass es elementar ist, Kindern von ganz klein an das Entdecken ihres Körpers zu ermöglichen und sie dabei zu unterstützen, wenn sie ihre Grenzen kennenlernen. Wichtig ist auch, dass man von klein auf ihren Selbstwert stärkt und ihre Selbständigkeit fördert. Als Eltern werden wir oft früher mit Fragen konfrontiert, wie erwartet, und da macht es Sinn, dass wir nicht vom Stuhl fallen sondern Antworten parat haben und ein Gespräch auf Augenhöhe führen. Hilfreich ist es dabei, wenn Eltern stets einen Schritt voraus sind. Wenn sie sich informieren, was in Clubs gerade konsumiert und gehandelt wird. Der Austausch mit Eltern von älteren Kindern ist auch sehr wertvoll. Und es macht Sinn, dass Kinder nicht erst vor der Volljährigkeit mit Fragen rund um den Konsum von Pornos, Alkohol etc. konfrontiert werden. 

Zur Person

Dania Schiftan Sexual- und Psychotherapeutin
ZVG

Dania Schiftan ist seit 2008 selbstständige Sexual- und Psychotherapeutin. Neben der Praxistätigkeit gibt sie regelmässig Kurse, Vorträge und Workshops. Sie ist Autorin des Buches «COMING SOON - ORGASMUS IST ÜBUNGSSACHE», «Keep it coming - Guter Sex ist Übungssache» und der Graphic Novel «Let's talk about Sex», die im Piper-Verlag auf den Markt gekommen sind.

Von mzi am 6. April 2023 - 07:00 Uhr