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Psychologe Allan Guggenbühl erklärt

Ist es schlimm, wenn Kinder mit Plastikwaffen spielen?

Irgendwann sehen sich fast alle Eltern mit dem Wunsch nach Spielzeugwaffen konfrontiert. Wie soll man reagieren? Und woher kommt eigentlich die kindliche Faszination für Gewaltspiele? Der Psychologe Allan Guggenbühl ordnet ein.

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Wenn Kinder mit Waffen spielen wollen, kann das zu Unsicherheiten führen.

Wenn Kinder mit Waffen spielen wollen, kann das zu Unsicherheiten führen.

Getty Images/Cavan Images RF

Allan Guggenbühl, sind Plastikwaffen noch zeitgemäss?
Spielzeug-Waffen sind für Kinder eine Möglichkeit, sich mit einer Grundeigenschaft der Menschen auseinanderzusetzen, sie sind ein Symbol für Aggression. Wichtig ist der Kontext. Wenn sie in einem spielerischen Rahmen eingesetzt werden, zum Beispiel an einem Kostümfest, dann sind sie Teil eines Anlasses, an dem man sich tabuisierten zwischenmenschlichen Themen nähert. Meistens sind es Erwachsene, die Spielzeugwaffen problematisieren. Man befürchtet, dass sich Kinder realen Waffengebrauch angewöhnen. Für Kinder sind Spielzeugwaffen jedoch keine realen Waffen, sondern Symbole, die Konflikt, Auseinandersetzung, Aggression repräsentieren. So nähern sich Kinder spielerisch diesen Themen an.

Wie wichtig sind Regeln?
Wichtig ist, dass Spielzeugwaffen als solche erkennbar sind und bestimmte Regeln eingehalten werden; nicht direkt auf unbeteiligte Menschen zielen zum Beispiel. Ich würde Kindern nicht proaktiv Waffen zum Spielen anbieten. Sie aber nicht verbieten, wenn sich Kinder diese wünschen. Verbieten wir Kindern Spielzeugwaffen, dann sind sie erst recht fasziniert von ihnen. Kinder sollten jedoch ruhig merken, dass wir an sich nicht Freude an Waffen haben.

Ist es richtig, dass vor allem Jungs gerne mit Waffen spielen?
Sehr viele Buben sind fasziniert von Gewehren, Schwertern und Pistolen. Für sie stellen diese gebündelte Aggression und Durchsetzungsfähigkeit dar. Pistolen haben jedoch in den letzten Jahren an Popularität verloren. Kinder realisieren schon sehr früh, dass Spielzeug-Waffen nicht echt sind und menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen repräsentieren. Es handelt sich um Währungen, die für die meisten Jungs im Kindesalter wichtig sind. Wer ist grösser, wer ist stärker, wer gewinnt! Sie setzten sich also schon früh und intuitiv mit Hilfe der Waffen mit sozialen Dynamiken auseinander.

Warum sind Kinder fasziniert von Waffen?
Das Streben nach Macht und Einfluss ist etwas, das menschliche Gemeinschaften auszeichnet. Auch Kinder wollen sich mit anderen messen und suchen Auseinandersetzungen, um zu erfahren, wo der oder die andere steht. Gewalt ist ein Thema, das uns nie loslassen wird. Wer über Gewalt verfügt, kann bestimmen. Das finden Kinder spannend und gleichzeitig beängstigend. Wir Erwachsene verdrängen diese Tatsache gerne, tun so, als ob wir alle nett zueinander sein könnten. Gewalt-Spiele sollten wir jedoch den Kindern nicht aktiv anbieten, aber wenn das Thema unter Kindern aufkommt, dann darf es Platz haben.

 

 

Allan Guggenbühl ist Psychologe und Experte für Jugendgewalt.

Allan Guggenbühl ist Psychologe und Experte für Jugendgewalt.

ZVG

In Kindergärten kann man beobachten, dass Buben ständig kämpfen. Woher kommt das?
Oft ist es ein körperliches Messen, wie beim Sport. Die Jungen proben ihre Kraft, ihren Mut, werden emotional und nähern sich oft auf diese Weise einander an. Nicht bei allen Kämpfen handelt es sich um einen wirklichen Streit, oft geht es um ein spielerisches Raufen. Man misst sich, ist jedoch trotzdem befreundet. Mädchen ticken in der Regel anders. Sie entdecken viel früher die Wirkung verbaler Aggressionen. Sie realisieren, dass sie sich dank entsprechenden Worten durchsetzen, aber auch Mitmenschen verletzen können.

Wie reagieren Eltern am besten, wenn Kinder körperlich raufen?
So lange es den beteiligten Kindern gut geht und es auf spielerisch Weise geschieht kann man sie machen lassen. Merkt man aber, dass das Raufen ausartet, ein Kind Angst hat, überfordert ist oder sogar körperlich gequält wird, muss man eingreifen.

Soll man es verhindern, wenn Kinder Krieg spielen wollen?
Krieg spielen Kinder vielfach dann, wenn das Thema in der Luft liegt. Ein aktuelles Beispiel ist der Krieg in der Ukraine. Spielerisch versuchen sie, eine kollektive Besorgnis zu bewältigen. Während des ersten und zweiten Weltkrieges spielten Kinder oft, wie sie Nazis besiegen. Viele Kinder wählen heute historische Figuren. Sie spielen Legionäre oder sehen sich als Ritter. Solche Spiele helfen ihnen, das aktuelle Weltgeschehen einzuordnen und emotional zu verarbeiten.

Wenn das Kind konkret fragt, wie erklärt man ihm den Krieg?
Kriege sind so komplex, dass selbst wir Erwachsenen sie nicht verstehen und erklären können. Bei Kindern greift man am besten zu einer Geschichte. Wir erklären, dass es Menschen und Völker gibt, die sich nicht verstehen und die sich nicht mögen. Leider könne es dann vorkommen, dass der Konflikt in Gewalt ausartet. Da steckt menschliches Versagen dahinter, weil Menschen nicht vollkommen und vor allem bedingungslos nett und freundlich sind. Wir können jedoch betonen, dass die meisten Menschen bemüht sind, Kriege zu verhindern, die Bedrohung des Krieges aber trotzdem immer Teil der Realität ist.

Wann und wieso werden Gewaltspiele heikel/gefährlich?
Gewaltspiele können ausarten, darum muss man als Erwachsener ein Auge auf die Kinder haben. Der Grund sind aber meistens nicht die Spielzeugwaffen, sondern persönliche Belastungen. Es gibt Kinder, die traumatisiert wurden und sich deswegen hyperaggressiv verhalten und Hemmungen verlieren. Meistens merken Kinder selbst, wenn ein Kollege seine Aggressionen nicht im Griff hat und unter einem tieferen Problem leidet. In solchen Fällen wenden sich Kinder an Erwachsene, die dann eingreifen müssen, um Schlimmeres zu verhindern.  

 

 

 

Maja Zivadinovic
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Von Maja Zivadinovic vor 6 Stunden