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Viel Ups, wenige Downs

Journalistin lanciert Podcast über ihre Tochter mit Down-Syndrom

Als Rachel Spirig erfuhr, dass sie ein Kind mit Down-Syndrom bekommt, war sie überfordert. 13 Jahre später hat sie einen Podcast zu ihrem Alltag lanciert. Mit dabei: Tochter Pamina.

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Rachel Spirig Oehninger, G&G Redaktorin und Tochter Pamina (13 Jahre) mit Trisomie 21, 25. April 2024, Kilchberg ZH

«Bitte nicht stören!» Pamina beim Interview mit ihrer Mutter im Kinderzimmer. «Mein grösster Wunsch: wie eine Fee fliegen zu können.»

Fabienne Bühler

«Mami, hast du dir ein Kind wie mich gewünscht?», fragt Pamina ihre Mutter eines Morgens im Badezimmer. Rachel Spirig (49) stutzt kurz und fragt: «Was meinst du?» Die 13-Jährige antwortet: «Ein Kind, das so gut auf einem Bein hüpfen kann.» Die Mutter lacht und sagt: «Genau so ein Kind habe ich mir immer gewünscht!»

Die Journalistin Rachel Spirig lebt mit ihrem Mann Thomas Oehninger (55) und den drei gemeinsamen Kindern in Zürich. Pamina, die älteste Tochter, kam mit Down-Syndrom zur Welt. Seit diesem Frühling nimmt Rachel Spirig den Podcast «Up & Down Syndrom» auf. Bis Mitte Mai erscheint jeden Donnerstag auf Spotify eine neue Folge, in der Menschen mit Trisomie 21, Familienangehörige, Ärzte und Psychologinnen zu Wort kommen. Die Redaktorin der SRF-Sendung «Gesichter & Geschichten» berichtet aus ihrem Alltag mit Pamina. Manchmal rührend, manchmal ernüchternd, immer ehrlich.

«Diesen Wunsch habe ich seit Paminas Geburt, auch weil mein Mann und ich damals so wenig Informationen hatten. Wir fühlten uns allein und hatten viele Ängste.» Ängste, die im Nachhinein nicht nötig gewesen wären. «Ich befürchtete etwa, dass sich Freunde von uns abwenden würden. Absurd! Im Gegenteil: Ich habe gesehen, dass es so viele Leute gibt, die einem Gutes tun wollen. Mein Menschenbild hat sich dadurch verbessert.»

Rachel Spirig Oehninger, G&G Redaktorin und Tochter Pamina (13 Jahre) mit Trisomie 21, 25. April 2024, Kilchberg ZH

Rachel Spirig ist Redakteurin bei der SRF-Sendung «Gesichter und Geschichten». Nun hat sie einen Podcast lanciert - mit dabei: Tochter Pamina.

Fabienne Bühler

Familienglück mal anders

Vor 14 Jahren ist Rachel Spirig schwanger und freut sich, Mutter zu werden. Das ändert sich nach einem Kontrollbesuch im siebten Monat. Der Arzt erklärt, dass ihr Kind wahrscheinlich das Down-Syndrom hat. Tränenüberströmt läuft Spirig aus dem Untersuchungszimmer, findet den Ausgang des Unispitals Zürich nicht und bricht auf einer Toilette zusammen. «Ich hatte Angst, nie mehr glücklich zu werden.»

Am folgenden Tag schreibt sie dem Verein Insieme21, sie und ihr Mann erwarteten in wenigen Wochen ein Mädchen mit Down-Syndrom und seien völlig überfordert. Sie fragt, was sie tun können, um sich trotzdem auf die Kleine zu freuen. Die Antwort berührt sie noch heute: «Herzlichen Glückwunsch zur Schwangerschaft. So süss, ein Mädchen! Kinder mit Down-Syndrom sind in erster Linie einfach Kinder.» Heute sagt Spirig: «Das war Balsam für meine Seele.»

Pamina ist inzwischen ein Teenager, wie sie stolz sagt. Sie spielt Klavier und Flöte, tanzt Hip-Hop, singt bei den Schwiizergoofe und reitet regelmässig. Und sie hat einen ausgezeichneten Sinn für Humor! «Willst du meine Streiche sehen?», fragt sie und holt ihr Handy. Daran glauben muss meist ihr Papi Thomas. In einem Video schüttet sie ihm heimlich Sojasauce in die Cola, und in einem anderen tarnt sie einen Schwamm mit Schoggiglasur als Kuchen – und ihr Vater beisst tatsächlich rein. Im Hintergrund beugen sich ihre Brüder Romeo, 10, und Tizian, 8, vor Lachen. «Niemand kann Streiche so gut wie ich», fasst Pamina selbstbewusst zusammen. «Wenn ich meine Kinder und meinen Mann anschaue, kann ich sagen: Wir sind wirklich glücklich», sagt Rachel Spirig. «Und ich bin wahnsinnig dankbar dafür.»

Rachel Spirig Oehninger, G&G Redaktorin und Tochter Pamina (13 Jahre) mit Trisomie 21, 25. April 2024, Kilchberg ZH

Pamina liebt ihre Stofftiere – und Ordnung. «Jedes Tierli hat einen Namen und ein Plätzchen.»

Fabienne Bühler

Doch es ist nicht alles nur schön und einfach – zu den Höhen des Lebens gehören auch die Tiefen. «Mit Pamina muss ich im Alltag das Tempo herunterfahren. Sie kann vieles nicht wie ihre Schulgschpänli.» Pamina hatte letztes Jahr eine schwere Lungenentzündung und lag 55 Tage auf der Intensivstation. Sie musste wieder laufen lernen. «Das war eine sehr schwierige Zeit für uns. Aber auch in solchen Momenten überrascht mich Pamina mit ihrer unglaublichen Art.»

Kaum ging es dem Mädchen besser, wollte sie am Rennen der Schule teilnehmen. Und stand am Schluss tatsächlich als Dritte auf dem Podest. «Die ganze Familie ist fast ausgeflippt vor Freude. Was wir nicht wussten: dass es nur drei Läuferinnen in ihrer Kategorie gab. Aber das war völlig egal. Pamina sieht keine Schranken, und das ist auch gut so.»

Fragen für die Zukunft

Ob Pamina je selbstständig leben wird, das ist eine Frage, die ihre Mutter beschäftigt. «Ich habe gelernt, nicht länger als zwei Jahre im Voraus zu planen. Was danach passiert, werden wir sehen. Aber ich bin zuversichtlich, dass Pamina ihren Weg gehen wird.» Mit allen Ups und Downs – und manchmal sogar hüpfend auf einem Bein.

SD
Silvana DegondaMehr erfahren
Von Silvana Degonda am 7. Mai 2024 - 07:00 Uhr