Nachdenklich sitzt Kristina Böhm, auf dem Sofa ihrer Wohnung in Ostermundigen BE. In den Händen hält sie ein Buch. Vom Einband blickt ihr ein adretter Mann entgegen: Schauspieler Karlheinz Böhm. Weltberühmt durch die Rolle als Kaiser Franz Joseph in der «Sissi»-Trilogie mit Romy Schneider aus den 1950er-Jahren. «Meine liebste Erinnerung an Papa», sagt die 66-Jährige. «Immer wenn ich Sehnsucht nach ihm habe, schaue ich es mir an.»
Wertvolles Erbe: Dieses Buch hat ihr Karlheinz Böhm vor seinem Tod 2014 vermacht. «Wenn ich an ihn denken will, schaue ich es mir an», sagt Kristina.
Remo BuessNur wenige Gegenstände erinnern bei ihr daheim an ihren berühmten Papa. Darunter ein altes Foto im goldenen Rahmen von seinem Vater, dem Wiener-Philharmoniker-Dirigenten Karl Böhm. Kristina: «Mehr brauche ich nicht. Ich trage die Erinnerungen an ihn in meinem Herzen.»
Vor elf Jahren, am 29. Mai 2014, starb Karlheinz Böhm mit 86 Jahren in Salzburg an den Folgen von Alzheimer. Noch heute erinnert sich «Stini», wie Böhm Kristina liebevoll nannte, an seine letzten Worte. «Papa nahm meine Hand und zog mich zu sich. Aus seinem linken Auge kullerte eine Träne. Er sagte: ‹Vergiss nie, dass ich dich liebe!› Vier Tage später war er tot.»
Zu ihrem Vater, der auch durch seine humanitäre Arbeit in Äthiopien bekannt war, hatte Kristina Böhm «ein inniges Verhältnis». Sie stammt aus Böhms zweiter von vier Ehen, jener mit der Schauspielerin Gudula Blau, 85. Neben Kristina hat Karlheinz sechs weitere Kinder. Die familiären Verhältnisse seien nicht immer ganz einfach gewesen, erzählt Kristina. So richtig in Kontakt gekommen sei sie mit ihrem Vater erst mit 13. «Später habe ich Papa jedes Jahr mit meiner Familie in seiner Villa besucht. Das war so schön!»
Erinnerungen: Kristina Böhm zeigt die wenigen Fotos, die sie mit ihrem Vater hat. Etwa als er sie nach der Geburt ihrer ersten Tochter in der Schweiz besuchte.
Remo BuessVon Enkeln und sehnigen Händen
Gemeinsamkeiten mit ihrem Vater gibt es viele. Das grosse Herz für Kinder und Menschen etwa. Und ihre Hände! Kristina lacht. «Wir haben die gleichen sehnigen Hände.» Und noch etwas verbindet sie: «Papa war ein stolzer Opa. Auch ich liebe es, Oma zu sein! Ich habe zwei wunderbare Enkelkinder», verrät sie. Die gebürtige Berlinerin nimmt ein Foto vom Couchtisch, betrachtet es mit funkelnden Augen. Es zeigt Kristina und Karlheinz mit Kinderwagen an der Aare. «Als meine älteste Tochter zur Welt kam, ist Papa sofort in die Schweiz gereist, um sein erstes Enkelkind zu besuchen. Er hat seine Enkel geliebt – und sie ihn.»
Eine Besonderheit, einen so berühmten Vater zu haben, war es für Kristina nie. «Er ist halt einfach mein Papa», sagt sie. Trotzdem: Ihre Kindheit war alles andere als leicht. Kristina kam mit einem Herzfehler zur Welt, verbrachte viele Monate im Spital, wurde Dutzende Male operiert. «Eine schreckliche Zeit», erinnert sie sich. Durch das Kortison war ihr Gesicht oft aufgequollen, ihr Körper daher voller Narben. Auf einem Auge schielt sie leicht. «Ich war keine Schönheit und bekam das zu spüren», gesteht die ausgebildete Schauspielerin, die in Serien wie «Unter uns» mitspielte.
Die Erkrankung wirkte sich negativ auf ihre Karriere aus: «Die Leute erwarten Perfektion von mir, weil ich Böhm heisse. Dabei bin ich einfach ein Mensch!» Kristina bekam Rollen nicht, wurde stets mit ihren schönen Geschwistern verglichen. Etwa mit ihrer Halbschwester, der erfolgreichen Schauspielerin Katharina Böhm, 60, («Die Chefin»). Mit ihr verstehe sie sich sehr gut. «Als Kind wünschte ich mir aber manchmal insgeheim, dass ich so schön wäre wie sie.»
Die Halbschwestern Katharina (l.) und Kristina Böhm mit ihrem Vater. Mit Katharina versteht sich Kristina gut. «Als Kind wünschte ich mir aber manchmal insgeheim, dass ich so schön wäre wie sie.»
Schneider-PressGebeutelt vom Leben
Durch die schwere Zeit half ihr der Glaube. Von ihrer Mutter bekam sie als Siebenjährige ein Jesuskreuz. Es gab ihr auch Kraft beim Tod ihres Mannes: 15 Jahre lang war die Deutsche mit dem Schweizer Peter Rothen verheiratet, 1989 zog sie für ihn nach Bern. 2004, im Alter von 54 Jahren, starb Peter auf einer Geschäftsreise den plötzlichen Herztod. «Für mich brach eine Welt zusammen. Doch für Trauer war kein Platz. Ich musste stark sein für meine drei damals noch kleinen Kinder.»
Das Kreuz hat Kristina vor ihrer ersten Herz-OP als Kind bekommen. «Es begleitet mich auch heute noch.»
Remo BuessHeute hat Kristina Böhm nicht nur den tragischen Verlust verarbeitet, sondern auch gelernt, sich selbst zu lieben. Passend dazu veröffentlicht sie am 6. Juni eine neue Version ihres Songs «Du bist so, wie du bist». Auch das Lied «Versteh meine Art zu leben», das sie jüngst neu interpretiert hat, thematisiert ihre Vergangenheit. Die Songs seien eine Begleitung zu ihrem Roman «Splitter in unserem Herzen», der verfilmt werden soll. Darin schreibt sie über die Schicksale unterschiedlicher Menschen, über Mut und Hoffnung und darüber, andere nicht zu verurteilen. «Die positiven Rückmeldungen berühren mich sehr.»
Unterstützung erfährt Kristina Böhm aber auch von der Familie: «Meine drei Töchter und meine beiden Enkelkin – der sind wundervoll», schwärmt sie. «Und mein Lebenspartner Röbi, mit dem ich seit 2014 glücklich bin. Er führt eine Tauchschule auf den Malediven. Wir sehen uns regelmässig, telefonieren jeden Tag.»
Vierbeiniger Begleiter: Seit acht Jahren ist Hund Strolchi an ihrer Seite. «Wir sind ein tolles Paar», sagt Kristina schmunzelnd.
Remo BuessTrotz allem hat sie Sorge wegen der Zukunft: «Natürlich mache ich mir Gedanken, wie es mit meinem Herz weitergeht.» Eben überstand sie einen weiteren Eingriff. «Ich hoffe sehr, dass mir noch viele Jahre geschenkt werden!» Erneut nimmt sie das Buch über Karlheinz Böhm in die Hand. «Papa hat mir beigebracht, stark zu sein und niemals aufzugeben. Dafür danke ich ihm!»