Am feministischen Streik vom 14. Juni forderten Frauen in der Schweiz Lohn, Wahrnehmung und Respekt. Tausende gingen auf die Strasse. Allein in Zürich zählte das Feministische Streikkollektiv 120'000 Teilnehmende. Die Polizei sprach von über 15'000.
«Frauen bekommen weniger Lohn und Rente, machen mehr unbezahlte Arbeit, erleben Diskriminierungen und Belästigungen»
Jaël, Sängerin und Mutter
Auch virtuell beteiligten sich viele Stimmen mit feministischen Forderungen am Streik. Eine von ihnen: Die Berner Sängerin Jaël (43). «Frauen bekommen weniger Lohn und Rente, machen mehr unbezahlte Arbeit, erleben Diskriminierungen und Belästigungen», schreibt die Bernerin in einem Statement auf Instagram.
Unveränderte Zusatzbelastung trotz steigender Erwerbstätigkeit
In Sachen Gleichstellung sei zwar viel erreicht – aber noch lange nicht genug, findet die Sängerin. «Ich bin dankbar, haben unsere Vorfahrinnen für uns gekämpft und geschaut, dass wir auch arbeiten DÜRFEN.» Jedoch ergebe sich daraus ein neues Problem: «Dass vergessen ging, dass es nicht ‹anstelle von›, sondern ‹noch oben drauf› ist.»
Berufstätige Mütter erledigen nämlich nicht weniger unbezahlte Arbeit, wenn sie einer Lohnarbeit nachgehen – sie erledigen die gleiche Menge einfach noch nebenbei. Der Fortschritt wird zur Zusatzbelastung. Dies belegt die Statistik.
- Eine Analyse des Statistischen Amts Zürich zu den Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung 2010 - 2020 zeigt: Trotz steigender Erwerbstätigkeit haben Mütter im genannten Zeitraum keine Verringerung der Kinderbetreuungszeit erfahren.
- Auch wechseln Mütter doppelt so häufig ihren Arbeitsplatz zugunsten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wie Väter. Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen: Immer mehr Mütter mit kleinen Kindern sind erwerbstätig. Jedoch sind es nach wie vor die Frauen, die sich nach Strich und Faden verbiegen, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Details gibts unter diesem Link.
Alles alleine schaffen zu müssen, entspreche nicht der Natur des Menschen, ist Jaël überzeugt. Sie glaubt, dass vielen Müttern heutzutage ein Setting fehle, in dem helfende Hände zur Verfügung stehen – «wie das eigentlich ursprünglich für den Homo sapiens mal gedacht war».
«Alles perfekt zu schaffen geht nicht, ohne krank zu werden.»
Jaël, Sängerin und Mutter
«Ich bin erschrocken darüber, wie viele Frauen, die ich kenne und die mir lieb sind (dabei zähle ich mich mit dazu), immer wieder in Erschöpfungszustände geraten, weil alles schlicht zuviel ist.»
Auch deswegen habe ihren Song «only human» (Deutsch: «nur menschlich») geschrieben. Die Botschaft: «Alles perfekt zu schaffen geht nicht, ohne krank zu werden. Macht Abstriche! Steht zu eurem menschlich sein! Ich übe auch noch ...»
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Ausserdem hebt die Sängerin einen Punkt hervor, der in manchen feministischen Strömungen vergessen zu gehen scheint: Dass Feminismus die Entscheidungsmöglichkeit und -freiheit beider Geschlechter beinhaltet. «Ebenfalls scheint mir, es ist nicht für alle ein arbeiten DÜRFEN, sondern man gilt als schräg und altbackenes ‹Muttchen›, wenn man sich dafür entscheidet (etwas länger oder ganz) Daheim bei den Kindern zu sein.»
Für Liala wünscht sich Jaël eine andere Zukunft
Es ist noch ein «weeeeeiiiiiiiter Weg», den die Gesellschaft zur Gleichstellung der Geschlechter zurückzulegen hat, so die zweifache Mutter. Wohin der Weg führen soll, davon hat Jaël eine genaue Vorstellung. «Für meine Tochter wünsche ich mir, dass sie einmal unbefangen mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin entscheiden darf, was für sie das Richtige ist. Kinder haben oder nicht. Und wenn ja – Daheim bleiben oder nicht oder zu welchem Prozentsatz. Und wenn sie mit oder ohne Kinder in einen Beruf aufgeht, dann soll sie dies zu den gleichen Konditionen tun dürfen wie mein Sohn.»