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Kleine Kuratoren

So sehen Kinder die Kunstwerke von Paul Klee

Sie stellen die Kunstwelt auf den Kopf! Kinder haben für die neuste Ausstellung über den Jahrhundertkünstler Paul Klee die Werke ­ausgewählt. Was ihnen an den Gemälden des gebürtigen Berners besonders gefällt – und welches ­Geheimnis sie entdeckt haben.

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Kinder kuratieren Klee

Kurator Martin Waldmeier mit sieben der dreizehn Kinder, welche die neuste Klee-Ausstellung im Zentrum Paul Klee in Bern konzipiert haben.

Kurt Reichenbach

Die Sechstklässlerin Lena schüttelt energisch ihren Lockenkopf. «Nein, das Bild hängt zu hoch.» Die Museumstechniker reagieren prompt und senken das Werk «Komposition mit den Früchten» um weitere fünf Zentimeter auf 1,50 Meter. «Perfekt», nickt die Zwölfjährige zufrieden.

Im Zentrum Paul Klee in Bern findet der letzte Arbeitsprozess zu einem Pionierprojekt statt: Zum ersten Mal zeigt das Museum eine von Kindern kuratierte Ausstellung. «Wir haben uns die letzten zehn Monate jeden Mittwochnachmittag hier getroffen. Jetzt sehen wir das Resultat, das fägt», sagt Lyonel, 12, dessen Mutter ihn für das einzigartige Kunstprojekt angemeldet hat. Insgesamt haben dreizehn Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren die 160 Werke des berühmten Künstlers der Moderne ausgewählt, zusammengestellt, betitelt und arrangiert.

Kinder kuratieren Klee

Lena Beeli, 12: «Dieses Bild hat man in Klees Atelier gefunden. Es war noch nicht fertig, das macht es für mich speziell. Auch dass es nicht so leuchtende Farben hat wie andere Bilder, finde ich cool. Man erkennt ganz verschiedene Gestalten. Ich male am liebsten mit Bleistift.»

Kurt Reichenbach

«Paul Klee war überzeugt, dass im Blick der Kinder auf Kunst grosses Potenzial liegt», sagt Martin Waldmeier, 37, künstlerischer Leiter der Ausstellung mit dem Titel «Leuchtendes Geheimnis». Klees eigener Sohn Felix gab dem 1879 in Münchenbuchsee BE geborenen Künstler mit deutschen Wurzeln immer wieder entscheidende Anregungen.

Dies brachte Waldmeier auf die Idee, die mit 4000 Werken bedeutendste Klee-Sammlung der Welt mit Kinderaugen entdecken zu lassen – und so einen neuen Blick auf den Künstler zu erhalten. «Wichtig war uns, dass wir ihnen so viel Freiheit und Gestaltungsraum wie möglich bieten.»

Kinder kuratieren Klee

Lyonel Lädrach, 12: «Das Bild ‹Glas-Fassade› eröffnet die Ausstellung. Mir gefallen die Farben, das Quadratische. Es könnte eine Schatzkarte sein, ein Stadtplan, ein Spiel oder ein Fenster. Besonders ist, dass auf der Rückseite (siehe Text) ein weiteres Bild versteckt ist.»

Kurt Reichenbach

Und so kam bei Projektbeginn erst mal der Schock. Denn entgegen den Erwartungen, dass sich die Kinder beim zentralen Bild der Ausstellung für ein witziges Werk oder eine Karikatur von Klee entscheiden würden, wählten sie das Bild «Glas-Fassade».

Ein Werk, das Klee 1940 kurz vor seinem Tod schwer krank in seinem Berner Atelier gemalt hatte – ein Bild voller Trauer und Melancholie, das vermutlich Kirchenfenster zeigt. «Ich dachte nur: Was machen wir jetzt? Eine Ausstellung zum Tod?»

Kinder kuratieren Klee

Angelina Portmann, 9: «Ich mag dieses Bild besonders gern, weil ich darauf ein Tier erkenne, nämlich einen Vogel. Ich selber male auch gern Tiere, am liebsten mit Acryl. Mein Grosi malt auch, aber ich möchte mal Tierärztin oder Reitlehrerin werden.»

Kurt Reichenbach

Doch dann folgte die spannende Entdeckung: «Das Bild hat ein Geheimnis auf der Rückseite», sagt Lyonel stolz. Ein zweites, unfertiges Werk, das Klee mit rosa Farbe übermalt hatte, die aber im Lauf der Zeit abblätterte. Nicht mal Kurator Waldmeier wusste davon.

Und so recherchierten alle zusammen die Hintergründe dieses Bilds – und stiessen auf eine wahre Geschichte aus dem Leben Paul Klees: seine Freundschaft zu Karla Grosch, einer Tanzlehrerin am Bauhaus in Dresden und Freundin von Sohn Felix. «Der erste Schock entpuppte sich also als Glückstreffer», so Waldmeier.

Kinder kuratieren Klee

Die geheimnisvolle Rückseite des Bilds «Glas- Fassade» mit dem Titel «Mädchen stirbt und wird».

Kurt Reichenbach

Kinder dürfe man nicht unterschätzen. «In der Geschichte geht es neben Freundschaft und Liebe auch um Abschied und Trauer, was sie total gut einordnen konnten.» Die weiteren Werke hat die Gruppe spielerisch und intuitiv ausgewählt. «Diese Direktheit ist ganz im Sinn von Klee», sagt Waldmeier.

Besonders Spass hätten sie gehabt, Gedichte aus den Werktiteln von Klee abzuleiten – so seltsam die teilweise seien. «Auch hier haben mich die Kinder überrascht, weil sie Absurdes wunderbar annehmen und sich ihre eigenen Gedanken dazu machen.»

Kinder kuratieren Klee

Valentin Portmann, 11 (l.): «Voll cool fand ich, als wir ganz am Anfang unserer Arbeit vor zehn Monaten eine Auktion mit ‹Monopoly›-Geld gespielt haben. Ich habe eine halbe Million für ein Klee-Gemälde geboten und bezahlt. Ich habe heute noch Geld bei mir zu Hause.»

 

Mathis de Fino, 8:«Ich finde dieses farbige Bild sehr schön. Man erkennt eine Vase und Blumen. Und es ist in der Nacht gemalt, man sieht den Mond. Ich fand es lässig, immer am Mittwoch hierherzukommen, wir hatten es oft lustig. Es war aber auch streng.» Ben Streit, 12 «Ich selber male gern Maschinen, Autos und Erfindungen. Das Bild, welches uns so gefällt, heisst, glaube ich, ‹Letztes Stillleben›. Klee hat gemalt, kurz bevor er gestorben ist. Ich habe viel gelernt und freue mich, dass jetzt alle die Ausstellung sehen können.»

 

Ben Streit, 12 (r.): «Ich selber male gern Maschinen, -Autos und Erfindungen. Das Bild, -welches uns so gefällt, heisst, glaube ich, ‹Letztes Stillleben›. Klee hat gemalt, kurz bevor er gestorben ist. Ich habe viel gelernt und freue mich, dass jetzt alle die Ausstellung sehen können.»

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Mehr Diskussionen gab es bei einer Plattform in der Mitte der Ausstellung. «Wir wollten einen Ort zum Chillen, von wo aus man die Ausstellung von oben sieht», sagt Valentin, 11. Mit Getränkeautomat, Küche und TV. Nun stehen hier farbige Würfel, die die Kinder sogleich zu einer Burg zusammenbauen. «Ist auch ganz okay», sagt Ben, 12.

Auch dass Tiere an der Ausstellung, die bis 4. September zu sehen ist, draussen bleiben müssen, würden sie verkraften. «Dafür sieht man Klees Kater Bimbo auf einem Foto.»

Kinder kuratieren Klee

Marta Harrington, 10: «Ich fand spannend zu sehen, was es alles braucht, damit eine Ausstellung zustande kommt. Wir durften sogar die Wandfarben selber auswählen. Dieses Bild gefällt mir, weil es eine Kombination aus abstrakt und realistisch ist. Ich will mal Bücher illustrieren.»

Kurt Reichenbach
Jessica Pfister
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Text: Jessica Pfister am 28. Mai 2022 - 08:03 Uhr