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Schwingerkönig Nöldi Forrer sagt Ja

Traumhochzeit im Toggenburg

Vor zwei Jahren lernten sie sich kennen, nun haben sich Schwingerkönig Nöldi Forrer und Unternehmerin Seraina Mastai das Jawort in der Kirche gegeben. Warum er den Pfarrer schon mal aufs Kreuz legte und welches Lied ihre Liebe besiegelte.

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<p>Schwingerkönig Nöldi Forrer, 47, und seine Frau Seraina, 33, am Tag ihrer kirchlichen Hochzeit in seiner Heimat Stein im Toggenburg. «Min Schatz isch en Sonneschii.»</p>

Schwingerkönig Nöldi Forrer (47) und seine Frau Seraina (33) am Tag ihrer kirchlichen Hochzeit in seiner Heimat Stein im Toggenburg. «Min Schatz isch en Sonneschii.»

Fabienne Bühler

Für jede Minute, die Seraina zu spät in die Kirche kommt, trinke ich dann einen Appenzeller. Aber warum nicht jetzt schon einen?», fragt Nöldi Forrer. Der Schelm holt eine gekühlte Flasche Alpenbitter aus seinem Kühlschrank und schenkt sich, seinem Trauzeugen Roger und dessen Frau ein Gläsli ein. «Prost! Hilft auch es bitzeli gegen die Nervosität.» Dann richtet der 47-jährige Schwingerkönig das Hemd seines Hochzeitsanzugs Grösse XXL. «Eigentlich wollte ich in Weiss heiraten, doch der Pfarrer riet mir ab.» Und eigentlich wollte der 140-Kilo-Koloss abnehmen. «Doch ich habe mich dann für einen grösseren Anzug entschieden.»

<p>Am Hochzeitsvormittag genehmigt sich Nöldi (l.) in seiner Küche mit Trauzeuge Roger Rissi und dessen Freundin Caroline einen Appenzeller. Es werden noch mehr im Verlauf des Tages.</p>

Am Hochzeitsvormittag genehmigt sich Nöldi (l.) in seiner Küche mit Trauzeuge Roger Rissi und dessen Freundin Caroline einen Appenzeller. Es werden noch mehr im Verlauf des Tages.

Fabienne Bühler

Mit Schwung gehts in die Garage, es ist 11.55 Uhr. In ein paar Minuten kommt Seraina heim – und er darf seine Braut erst in der Kirche sehen! Also düst er von seinem Königssitz runter Richtung Dorfkirche von Stein im Toggenburg. Trauzeuge Roger schmunzelt. Er weiss: Seraina und Nöldi kommen praktisch immer zu spät. Im Kofferraum seines Subaru hat der Bräutigam acht Liter Appenzeller. Der Schwingerkönig von 2001, der mit 151 Kränzen so viele wie kein anderer gewonnen hat: «An einem so grossen Tag gibts auch grossen Durst.»

12.05 Uhr. Seraina Mastai kommt in Nöldis Haus an, mit Söhnchen Emilio und Trauzeugin Naomi war sie beim Friseur. Die 33-jährige Zürcherin aus Winterthur führt mit ihrem Bruder Luca in der vierten Generation das Comestibles-Familienunternehmen Mastai. Ihr Vorname entspricht ihrem Naturell, übersetzt bedeutet er die Heitere, Fröhliche, Glückliche.

<p>Seraina Mastai eine Stunde vor der Trauung mit ihrem Sohn Emilio in Nöldis Haus in Stein SG. Der Vater des zwei monatigen Prinzen schaut stolz von der Wand herunter.</p>

Seraina Mastai eine Stunde vor der Trauung mit ihrem Sohn Emilio in Nöldis Haus in Stein SG. Der Vater des zwei monatigen Prinzen schaut stolz von der Wand herunter.

Fabienne Bühler

Kennengelernt haben sich Nöldi und sie – beide waren schon einmal verheiratet – vor zwei Jahren. Seit der Geburt ihres Emilio im letzten August ist Seraina oft bei Nöldi daheim. Dort angekommen, legt die Braut ihren Wonneproppen zum Wickeln aufs Stubensofa, zieht ihm ein festliches Kleidli an, füllt einen Schoppen Muttermilch ab. Mutter Ruth hilft Seraina in das Hochzeitskleid, die letzten Sachen für den langen Tag werden eingepackt.

Für einmal pünktlich

Die Glocken der evangelisch-reformierten Dorfkirche Stein läuten, mit 120 Gästen ist sie bis auf den letzten Platz gefüllt, für den Blumenschmuck war eine Schwägerin von Nöldi besorgt. 13.30 Uhr. Nöldi nimmt, für einmal pünktlich, Platz auf seinem Stuhl im Chor der Kirche. Die Organistin intoniert einen Schanfigger Bauernhochzeitsmarsch, im Arm ihres Vaters Felice betritt die Braut die Kirche. Der reformierte Pfarrer Christoph Sigrist führt launig durch die Hochzeit. 1995 hat er hier in Stein den einheimischen Laus- und Bauernbuben Nöldi Forrer konfirmiert. Im Konf-Lager, erzählt er der Hochzeitsgesellschaft, gabs ein kleines Schwingfest, im Schlussgang standen Nöldi und der Pfarrer. In Kürze lag Letzterer auf dem Rücken, Nöldis Füdli im Gesicht. Der Jungschwinger, halb verdattert: «Tschuldigung, Herr Pfarrer!» Sigrist heute: «Noch nie bekam ich eine liebenswürdigere Entschuldigung.»

<p>Nöldis Anfrage an Pfarrer und Freund Christoph Sigrist (l.) kam kurzfristig. Für den Gottesdienst verschob dieser einen beruflichen Flug nach Berlin.</p>

Nöldis Anfrage an Pfarrer und Freund Christoph Sigrist (l.) kam kurzfristig. Für den Gottesdienst verschob dieser einen beruflichen Flug nach Berlin.

Fabienne Bühler

Nach der Predigt unter dem Motto des Bibeltextes «Für alles gibt es eine Stunde, und Zeit gibt es für jedes Vorhaben unter dem Himmel» erklingt «The Sound of Silence». Mit dem berührenden Simon-&-Garfunkel-Lied hatte Nöldi 2020 bei der TV-Show «The Masked Singer Switzerland» sein Gesangstalent unter Beweis gestellt. Beim Abspielen ab Tonband chrosed es. Ein Hochzeitsgast: «Nöldi, sing du! Du chasch es besser!» Lautes Gelächter.

<p>Die Eheringe. Der von Seraina ist mit Diamanten bestückt. Den seinen wechselte Nöldi noch am Hochzeitstag vom Ring – an den kleinen Finger.</p>

Die Eheringe. Der von Seraina ist mit Diamanten bestückt. Den seinen wechselte Nöldi noch am Hochzeitstag vom Ring – an den kleinen Finger.

Fabienne Bühler

«Willst du deinen Nöldi gernhaben in fröhlichen wie in leidvollen Zeiten, mit Gottes Hilfe», fragt der Pfarrer die Braut. Seraina, ganz zart: «Ja.» Nöldi, kurz darauf, wesentlich lauter: «Ja!» Die beiden küssen sich innig. Dann stecken sie sich dir Eheringe an – bei Nöldis Hand dauert das ein wenig länger. In den Schlusssegen mischt sich Geläut: Vor der Kirche schwingen Toggenburger Jungschwinger ihre Treicheln. Beim Apéro in der einheimischen Turnhalle nehmen der König und seine Königin ein Bad in der Menge. Auch Thomas Sutter, 52, Schwingerkönig von 1995, gehört zu den Gratulanten.

<p>Schützen, Käserkollegen und Jungschwinger stehen Spalier, als die Neuvermählten die reformierte Kirche Stein SG verlassen. Auch Blumenmeitli Lusya, 7, schaut zu.</p>

Schützen, Käserkollegen und Jungschwinger stehen Spalier, als die Neuvermählten die reformierte Kirche Stein SG verlassen. Auch Blumenmeitli Lusya, 7, schaut zu.

Fabienne Bühler

18.40 Uhr. Die Frischvermählten treffen rechtzeitig im Festsaal von Toni Brunners «Haus der Freiheit» in Ebnat- Kappel ein. Der DJ spielt «Sarà perché ti amo» von Ricchi e Poveri. Nöldi zu Seraina: «Du bisch min Herzchäfer.»

«Ein herzensguter Mensch»

Vor dem Buffet mit Rindsfilet, Nüdeli, Pommes und Gemüse heissts für den Ex-Schwinger: a d Arbet. Auf der Bühne steht ein Bierfass, Nöldi ist für den Anstich verantwortlich. Eine Reminiszenz an das Winterthurer Oktoberfest 2023: Dort oblag ihm dieselbe Aufgabe, in Lederhosen. Dabei lernt er Seraina kennen. Sein erster Gedanke: «E Hübschi, mit grosser Ausstrahlung.» Eine Woche später besucht er mit einem Kollegen an der Olma die Gin-Bar, die Seraina betreut – in jener Nacht machts klick. Seraina gesteht dem Käsermeister, dass sie bis vor Kurzem keinen Käse ass. Er: «Gut so.» Und dass sie von Schwingen keine Ahnung hat. Seither waren die beiden an vielen Schwingfesten und Spielen des FC Winterthur – Seraina sitzt in dessen Beirat.

<p>Zur Begrüssung des Ehepaars im Festsaal spielt der DJ einen Remix der Italo-Schnulze «Sarà perché ti amo» – «Das ist, weil ich dich liebe».</p>

Zur Begrüssung des Ehepaars im Festsaal spielt der DJ einen Remix der Italo-Schnulze «Sarà perché ti amo» – «Das ist, weil ich dich liebe».

Fabienne Bühler

Vorletzten Sommer machten sie in Spanien Ferien mit Maila, Nöldis Tochter aus erster Ehe. Den Antrag macht er ihr in der Villa Felber in Ermatingen TG – nachdem er auf der Bühne «The Sound of Silence», auch Serainas Lieblingslied, singt. Nöldi: «Seraina ist der Mensch, der mich am meisten zum Lachen bringt. Ich liebe ihre unkomplizierte Art. Sie nimmt mich, wie ich bin.» Seraina: «Er ist ein herzensguter, positiver Mensch, harmoniebedürftig. Ich bewundere seinen starken Willen.» Sie beide seien Sturköpfe. «Doch vielleicht folgt er mir ja ab und zu.» Sie schmunzelt. «Manchmal schläft er einfach ein, etwa in einem Restaurant.» Er: «Ich stehe auch um drei Uhr auf.» Das Tagwerk als Chef zweier Käsereien beginnt früh.

<p>Nöldi probiert die Hochzeitstorte. «Seit ich Seraina kenne, habe ich über 20 Kilo zugenommen. Sie kocht einfach zu gut. Und riesige Portionen!»</p>

Nöldi probiert die Hochzeitstorte. «Seit ich Seraina kenne, habe ich über 20 Kilo zugenommen. Sie kocht einfach zu gut. Und riesige Portionen!»

Fabienne Bühler

23.40 Uhr. Das Ländlertrio Augenschmaus spielt einen Schottisch, Nöldi und Seraina steigen auf die Bühne. Nach zwei Tänzen verziehen sie sich kurz hinter den Vorhang, für innige Küsse. Ein wenig später übergibt sie ihm ein Geschenk, ein T-Shirt. Darauf steht: Nöd emol villicht – einer von Nöldis Sprüchen. Bedeutung: Geht gar nicht!

Es ist 5.30 Uhr, als das rauschende Fest zu Ende geht. Die acht Liter Appenzeller sind getrunken, Nöldi hat sein Versprechen gehalten: Mindestens neun Shots gehen auf seine Kappe. Die Neuvermählten steigen müde und glücklich ins Bett, zu Emilio hat Serainas Mutter geschaut. Vielleicht träumen die beiden von ihren Plänen, von der Hochzeitsreise. Seraina möchte Ferien in Italien, Nöldi lieber einen Schwedenofen in der Stube.

Thomas Kutschera
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Von Thomas Kutschera vor 11 Stunden