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Der Leidensweg von Manuela und Thomas

Unser Leben mit unerfülltem Kinderwunsch

Manuela und Thomas versuchen seit acht Jahren, ein Kind zu bekommen. Für Inseminationen und künstliche Befruchtung haben die Schweizer-Illustrierte-Leserin und ihr Partner schon über 50'000 Franken ausgegeben. Wie ist es, wenn der Lebenstraum Familie trotz so viel Aufwand nicht in Erfüllung geht? Und wie belastend ist die Situation für die Ehe? Hier erzählt das Paar seine Geschichte.

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IVF babies

Manuela und Thomas versuchen schon seit acht Jahren, schwanger zu werden. Trotz künstlicher Befruchtung bis heute ohne Erfolg.

Getty Images

Schon beim dritten Date wissen Manuela* und Thomas*, dass sie eines Tages Kinder wollen. Es habe sich so richtig angefühlt. «Wir kannten uns drei Wochen, als uns klar war, dass wir alles wollen. Hochzeit, Häuschen, Garten und vor allem Kinder», sagt Manuela. Thomas nickt.

Manuela ist damals 22, Thomas 21 Jahre alt. Knapp ein Jahr nach dem ersten Treffen ziehen die beiden in ihre erste gemeinsame Wohnung. 3,5 Zimmer am linken Zürichsee-Ufer. Aus dem Büro soll mal ein Kinderzimmer werden. Bis es aber so weit ist, bereist das Paar verschiedene Länder und Städte. In Bangkok, an Manuelas 24. Geburtstag, geht Thomas vor ihr auf die Knie. Ein Jahr später heiratet das Paar. Mit dem Tausch der Eheringe wollen die beiden nun eine Familie gründen. 

Manuela setzt die Pille ab. Sie ist jetzt 25 Jahre alt und guter Dinge, rasch schwanger zu werden. Als auch nach sechs Monaten nichts passiert, sucht das Paar den Gynäkologen auf. Dieser schickt Manuela und Thomas nach Hause. Sie sollen es einfach weiter versuchen, das kann auch mal ein Jahr dauern, bis es einschlägt.

Bei Manuela und Thomas aber schlägt es nicht ein.

Kinderwunsch

Obwohl Manuela und Thomas Sex nach Plan haben, wird Manuela nicht schwanger.

Getty Images

Manuela und Thomas lassen sich medizinisch gründlich untersuchen. Der Arzt sagt, Manuelas Hormonwerte seien suboptimal. Und Thomas' Spermaprobe zeigt, dass nur wenige seiner Spermien genug stark sind, um den Weg zum Ei zu schaffen. Der Arzt empfiehlt Manuela eine hormonelle Behandlung. Ab sofort spritzt sich Manuela selber Hormone in den Bauch, sie nimmt zusätzlich Tabletten ein, überwacht ihren Eisprung. Ab da haben Manuela und Thomas Sex nach Plan. «Mit Lust und Spontaneität hatte unser Sex-Leben nichts mehr zu tun», sagt Thomas. «Im Gegenteil», ergänzt Manuela, «Sex war nur noch ein Stressfaktor.»

Das Schlimmste aber, da sind sich beide einig, war jeweils jener Tag, an dem Manuela die Mens bekam. «Ich habe nur noch geheult.» Für Thomas' Gefühle habe es fast keinen Platz mehr gehabt. «Ich war so beschäftigt mit Manuela trösten, dass ich selber untergegangen bin.»

Das Paar beginnt immer häufiger zu streiten. Manuela leidet unter den Nebenwirkungen der Hormonbehandlung, Thomas fühlt sich nur noch als Samenspender. 

Dann rät der Arzt zur Insemination. Die Krankenkasse zahlt drei Versuche. Dabei wird das Sperma direkt in die Frau injiziert. Manuela und Thomas fassen Mut und sind guter Hoffnung. Aber auch die Inseminationen bringen keinen Erfolg.

Die ganzen Ersparnisse fliessen in den Kinderwunsch

Manuela und Thomas machen weiter. Sie wollen es noch einmal auf natürlichem Weg probieren. Manuela spritzt sich weiter Hormone. Und wird tatsächlich schwanger. In der elften Woche erleidet sie eine Fehlgeburt. «Wir hatten das Herzli schon schlagen sehen im Ultraschall», sagt sie unter Tränen. «Die Trauer hat mich dann so umgehauen, dass ich während sechs Monaten gelähmt war.» Manuela und Thomas entfremdeten sich. «Wir überlegten uns sogar, ob wir uns trennen sollen», sagt Thomas.

Dank einer Paartherapie findet sich das Paar wieder. Und macht weiter. Nach wie vor spritzt sich Manuela Hormone. Sie nimmt 15 Kilo zu, hat Wassereinlagerungen in den Beinen und wird depressiv. Thomas will, dass sie aufhört mit den Hormonen. Manuela will davon nichts wissen. 

Eine Kinderwunsch-Klinik in Österreich soll Abhilfe schaffen. Die künstliche Befruchtung ist da günstiger als in der Schweiz. Manuela und Thomas fahren ständig über die Grenze. Untersuchungen, Ei-Entnahme, Befruchtung, Zuwarten. All das dauert mehrere Tage. Die ganze Welt dreht sich nur noch um den Kinderwunsch. 

Zwei Jahre lang setzen Manuela und Thomas auf die österreichische Kinderwunsch-Klinik. Fünf Mal kommt es zu einer künstlichen Befruchtung. Fünf mal ist die Hoffnung gross, dass sich aus der befruchteten Ei-Zelle ein Embryo entwickelt. Fünf mal passiert das nicht.

3d illustration of in vitro fertilization of an egg cell.

Bei In vitro wird das Ei der Frau im Labor befruchtet und dann eingesetzt.

Getty Images/Science Photo Libra

Für Manuela und Thomas ist ein Leben ohne Kind aber keine Option. Die beiden googeln, recherchieren, tauschen sich in Foren mit anderen Betroffenen aus – und landen schliesslich in einer Kinderwunsch-Klinik in Zypern. Hier geht das Prozedere von vorne los. Nur die Hormone, die sich Manuela jetzt spritzt, sind höher dosiert als zuvor. Manuela durchlebt eine regelrechte Wesensveränderung. Sie ist ständig müde, gereizt, weint viel und hat keine Geduld. «Wir leben total isoliert», sagt Thomas. Für Treffen mit Freunden und Familie hat das Paar keine Energie.

Wohl verdiente Ferien sind auch keine Option. Die Urlaubstage und das Ersparte fliessen in die Reisen nach Zypern. Erst gerade vor fünf Tagen hat ein sogenannter Transfer stattgefunden. So wird die Prozedur genannt, wenn das im Labor befruchtete Ei Manuela eingesetzt wird. Nun heisst es wieder abwarten. In knapp zwei Wochen können sie und Thomas einen Frühschwangerschaftstest machen. Was, wenn auch der negativ ist? «Dann machen wir weiter», sagt Manuela bestimmt. «Ich weiss nicht, wie lange ich es noch schaffe», sagt Thomas.

Hat sich das Paar schon einmal überlegt, wie ein Leben ohne Kinder sein könnte? Was ein solches sogar für Vorteile mit sich bringen würde? Und wie sie ihre Zukunft auch ohne Kinder gestalten könnten? «Ich schon», sagt Thomas. «Ich kann mich mit dem Gedanken anfreunden, in eine teure und tolle Wohnung zu ziehen und das Geld, das wir nicht für Kinder ausgeben müssen, ins Reisen zu investieren.» Manuela winkt ab, will von einem Leben ohne Kinder nichts wissen. «Ich mache so lange weiter, wie es meine biologische Uhr zulässt.»

 

*Namen von der Redaktion geändert. 

 

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Maja Zivadinovic
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Von Maja Zivadinovic am 12. Oktober 2021 - 07:09 Uhr