Der grosse Moment ist da. Thomas Aeschi (46) steht im anthrazitfarbenen Anzug vor dem Altar der barocken Kirche St. Verena in Risch ZG. Sein Blick geht an den 100 geladenen Gästen vorbei zur Tür. Der Organist beginnt auf dem Klavier die Ballade «River Flows in You» von Yiruma zu spielen – nun soll die Braut die Kirche betreten. Eine Minute vergeht, zwei Minuten vergehen. Die Tür geht auf. Die Trauzeugin der Braut huscht herein. Es folgt jemand, der im Stau aufgehalten wurde. «Ich fragte mich schon, ob vielleicht mit dem Kleid etwas passiert sei», sagt der SVP-Fraktionschef. Der Organist beginnt nochmals von vorne mit dem Lied.
«Schon als Mädchen habe ich das Hochzeitsfoto meiner Eltern bewundert. Nun wurde mein Traum wahr», sagt Valeria Aeschi.
Sarah RauchensteinDann erscheint Valeria Aeschi (34) in einem nudefarbenen, mit Pailletten und Glitzer besetzen Kleid und strahlt übers ganze Gesicht. «Von der Warterei drinnen hab ich gar nichts mitbekommen», erzählt sie später und lacht. Auch in den Stunden davor sei sie überhaupt nicht nervös gewesen. «Ich gehe allgemein locker und mit Humor durchs Leben. Aber als ich Thomas vorne am Altar stehen sah, war ich total ergriffen.» Ihr Mädchentraum von der Hochzeit im Prinzessinnenkleid hat sich erfüllt. Die gemeinsame Tochter Julia, 15 Monate alt, sitzt derweil mit einer Blumenkette im Haar bei der Grossmutter auf dem Schoss.
«Das Jawort war für mich der emotionalste Moment», sagt Katholik Thomas Aeschi nach der Trauung in der Kirche St. Verena in Risch ZG.
Thomas Buchwalder«Erstaunlich viel Humor»
Ende August vor sechs Jahren: Beim Wahlauftakt der SVP Schweiz in Sattel SZ sah Thomas Aeschi Valeria Geissbühler zum ersten Mal. Der Zuger politisierte damals seit acht Jahren im Nationalrat und war seit zwei Jahren Taktgeber der grössten Partei der Schweiz. SVP-Politikerin Valeria Geissbühler verantwortete als jüngste Gemeinderätin von Schübelbach SZ das Ressort Bau und Umwelt. Die beiden kamen ins Gespräch. «Natürlich kannte ich Thomas vom Fernsehen. Mir fiel auf, dass er abseits der Kameras erstaunlich viel Humor hat», sagt sie augenzwinkernd.
Aeschi wiederum war begeistert, als ihm die Medizinische Analytikerin erzählte, wie sie mit 22 Jahren allein nach Afrika ging, um dort in einem Kinderheim zu arbeiten. «Sie ist eine starke Persönlichkeit, das beeindruckt mich bis heute», sagt der HSG-Ökonom, der selber über 70 Länder bereist hat. Einen Sommer später, als das Paar eine Velotour um den Zugersee machte, zeigte ihr Aeschi die idyllisch gelegene Kapelle in Risch hoch über dem See. «Ich wusste: Hier will ich heiraten», sagt sie. Thomas Aeschi lacht. «Valeria weiss genau, was sie will.»
Die 15 Monate alte Julia als Blumenmädchen. «Ob es ein zweites Kind gibt, lassen wir offen.»
Sarah RauchensteinAm Tag ihrer Hochzeit scheint wie damals bei ihrem Veloausflug die Sonne – nach einer Woche mit viel Regen und kalten Temperaturen ein Segen für das Paar. Pfarrer Reto Kaufmann hat rund ein Jahr zuvor Tochter Julia getauft. «Wir haben direkt Vertrauen zu ihm gehabt.» Mit seiner offenen Art schaffe es er, viele – auch junge Menschen – für die Kirche zu begeistern. Für Valeria Aeschi ist es selbstverständlich, dass sie allein zum Altar schreitet. «Ich liebe meinen Vater, aber als unabhängige Frau, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht, hätte das nicht zu mir gepasst.» Am Schluss der Predigt zitiert der Pfarrer das Hohelied der Liebe und ermutigt die Gäste, dem Brautpaar immer mal wieder das Kind abzunehmen, damit die Zeit zu zweit nicht zu kurz kommt. Töchterchen Julia ist inzwischen eingeschlafen.
Folklore darf bei einer Hochzeit von zwei SVP-Mitgliedern nicht fehlen. Alphornisten und Fahnenschwinger umrahmen den Auszug aus der Kirche.
Sarah RauchensteinBundesrat Albert Rösti unter Gästen
Vor der Kirche stehen Parteikollegen der SVP mit Hellebarden Spalier. «Das war eine sehr schöne Überraschung, von der wir nichts wussten», sagt sie. Unter den Gratulanten sind Nationalrätin und Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher mit ihrem Mann Roberto und Bundesrat Albert Rösti, der direkt von einem anderen Anlass kommt und deshalb ohne seine Frau Theres anreiste. Mit Walliser Weisswein stösst er mit dem Brautpaar an. «Darüber freute ich mich riesig. Es ist eine Ehre, dass ein Bundesrat Zeit findet», sagt Aeschi, der 2015 selber als Nachfolger von Eveline Widmer-Schlumpf für den Bundesrat kandidierte. Dennoch ist es ihm wichtig, dass seine Hochzeit nicht zum Parteianlass wird. «Bei der Feier am Abend haben wir bewusst auf Gäste aus der Politik verzichtet.»
«Ich geniesse es, einmal im Leben Prinzessin zu sein», sagt Valeria Aeschi. Im Sommer gehts zwei Wochen in die Ferien – als Familie.
Sarah RauchensteinKlar verbinde sie die gleiche Parteizugehörigkeit, sagt Valeria Aeschi. «Das heisst aber nicht, dass wir immer einer Meinung sind.» Auch nach Auftritten ihres Mannes am Fernsehen finde sie nicht immer alles gut. «Ich bin froh, dass Valeria kritisch ist und mir auch konstruktiv Feedback gibt», sagt Aeschi, der auch bei Themen wie dem Asylwesen kein Blatt vor den Mund nimmt.
Valeria Aeschi schätzt seine Gewissenhaftigkeit. «Thomas ist absolut verlässlich, und das gibt mir Sicherheit.» Zudem sei er ein toller Papi für Julia, die ihn verändert habe. «Thomas ist immer auf Zack, alles ist durchgetaktet. Julia zwingt ihn, auch mal zu entschleunigen. Das tut ihm gut.»
Das Töchterchen ist der Sonnenschein der Familie. «Julia ist offen und neugierig und strahlt in die Welt», schwärmt der Papa. Neben seinem Politamt und seiner Tätigkeit als selbstständiger Unternehmer habe ein fixer Papitag zwar keinen Platz. «An den freien Wochenenden packen wir Julia aber oft in den Wanderrucksack und gehen mit ihr in die Natur.»
Am Apéro mit dabei: die SVP-Mitglieder Peter Keller, Magdalena Martullo-Blocher, Manuel Strupler, Bundesrat Albert Rösti und Michael Graber (v. l.).
Sarah RauchensteinProseccorahmsuppe mit Kakao
Beim zweiten Apéro auf der Sonnenterrasse des Seehotels Waldstätterhof in Brunnen SZ mit Blick auf das Rütli ist Julia dann auch wieder wach und übt fleissig das Laufen an den Händen von Mama und Papa. Dann lauschen alle dem Gesang des Jodlerclubs Brunnen. Der Mythensaal des Viersternehauses, wo es für die Festgesellschaft später Salat mit Lachs und Forelle, eine Proseccorahmsuppe mit Kakao und Roastbeef mit Gratin und Gemüse gibt, ist mit unzähligen Blumen dekoriert. «Als ehemalige Floristin, die schon früher bei Hochzeiten mit viel Leidenschaft mitwirkte, war mir die Dekoration besonders wichtig», sagt Valeria Aeschi. Einen grossen Teil hat sie deshalb zusammen mit ihrer Mutter selber arrangiert – etwa den Blumenkranz für Julia.
«Mille-feuille ist Valerias Lieblingsdessert», sagt Thomas Aeschi. Bis vor Kurzem hatten sie zwei Wohn-sitze. Nach ihrem Rücktritt aus dem Gemeinderat von Schübelbach ist die Familie ab Sommer in Baar ZG zu Hause.
ZVGNach dem Essen ist es Zeit für die Party. Statt zu einem klassischen Hochzeitstanz feiern Aeschis und die Gäste zu Hits aus allen Jahren. Die Trauzeugen (Schwester und Bruder des Paars) haben Spiele organisiert, so kann man etwa mit Dartpfeilen auf Wünsche fürs Brautpaar zielen. Dazwischen ein weiterer Höhepunkt: Die Frischvermählten schneiden die Hochzeitstorte an – Mille-feuille aus geschichtetem Blätterteig. Er hat die Hand oben. «Aber ich hielt das Messer zuerst in der Hand», sagt sie augenzwinkernd. Von der Legende, dass wer die Hand oben hat, in der Ehe auch das Sagen hat, hält Valeria Aeschi nichts. «Wir beide sind auf Augenhöhe.»