Wir sollten einander mehr schöne Geburtsgeschichten erzählen, findet Redaktorin Maja.
Am besten erinnere ich mich an die Frau, die mir so null nahe stand. Wir kannten uns nämlich gerade mal zehn Minuten, als sie ausholte. Sie erzählte mir, dass sie bei der Geburt ihrer Tochter fast gestorben ist. Dass die Ärzt:innen komplett versagt haben. Und dass sie heute noch, 7 Jahre nach der Niederkunft, in psychologischer Behandlung ist.
Die Details habe ich verdrängt. Nicht, weil sie mir egal sind. Es tut mir sehr leid, dass diese Frau so eine schlimme Erfahrung machen musste. Fakt ist bloss: Ich kenne sie nicht. Unsere Wege trafen sich, als ich im achten Monat schwanger war. Und zwar auf dem Spielplatz, den ich mit einer Freundin und ihrer damals 3-jährigen Tochter besuchte.
Wir kamen ins Gespräch und die Fremde fragte, ob das das in meinem Bauch mein erstes Kind ist. Ich bejahte, sie legte mit ihrer Story los.
Keine überlegt, was ihre schlimme Geschichte mit mir macht
Die Fremde steht stellvertretend für viele Mütter, die während meiner Schwangerschaft ungefragt von den Horror-Geburten ihrer Kinder erzählten. Ich erinnere mich an Freundinnen von Freundinnen. An Arbeitskolleginnen, an Nachbarinnen und an Frauen im Bus, Tram oder in der Schlange vor einer Kasse. Mein dicker Bauch schien sie förmlich dazu einzuladen, von ihren Traumata zu berichten.
Ich blieb stets freundlich, hörte zu, zeigte Mitgefühl, ging nach Hause und entwickelte mit jeder Geschichte etwas mehr Angst vor der Geburt, die meinem Sohn und mir bevor stand.
Als Schwangere fand es Redaktorin Maja nicht cool, ungefragt Horrorstories hören zu müssen.
PrivatWarum ich es nicht schaffte, zu sagen, dass ich keine Horror-Stories hören will, weil sie mir nicht gut tun, weiss ich nicht. Ich weiss nur, dass ich in der Schwangerschaft besonders verletzlich war.
Geholfen hat mir der Geburtsvorbereitungskurs bei meiner Hebamme, wenn man dem so sagen kann. Weil ich während der Corona-Pandemie schwanger war, gab es keine reguläre Kurse.
So sassen mein Partner, unsere Hebamme und ich ein paar Wochen vor dem Geburtstermin bei uns auf dem Balkon. Die Hebamme sagte, ich darf meinem Körper vertrauen. Dass er gebären kann. Dass ich gebären kann. Dass es in den allermeisten Fällen gut kommt und wenn nicht, dann bin ich in den besten Händen.
Sie sagte, dass ich intuitiv alles richtig machen werde. Dass gebären weh tut, dass es lange dauern und mühsam werden kann, dass das aber alles total normal und in Ordnung ist. Und wenn nicht, dann gibt es immer noch Optionen. PDA, geplanter Kaiserschnitt, you name it.
Nur Dank der Hebamme schaffte ich es einigermassen entspannt in den Gebärsaal. Nach den zahlreichen Horror-Stories und den mutmachenden Worten meiner Hebamme war ich auf alles gefasst.
Mein Sohn ist heute fünf Jahre alt. Genau so lange gehöre ich nun auch zu den Müttern, die Schwangeren ungefragt von seiner Geburt erzählt. Warum ich das mache, worüber ich mich in diesem Text aufrege? Weil ich es wichtig finde, werdenden Müttern Positives zu berichten.
Ich erzähle ihnen nicht, dass die Geburt meines Kindes ein Sonntagsspaziergang war. Ich erzähle ihnen viel mehr von der Einleitung und dass diese lange gedauert hat. Dass ich wegen Corona vorwiegend alleine im Spital war und dass die Wehen nicht ganz ohne waren.
Noch mehr aber erzähle ich, dass all das dennoch nicht schlimm war. Dass der Körper ein Masterpiece ist. Dass man mit Wehen intuitiv mitatmen kann. Dass man zwischen den Wehen genug Pausen hat. Dass man seine Bedürfnisse jederzeit mitteilen darf und soll. Und dass man mit jeder Wehe seinem Baby ein Stückli näher ist.
Du darfst sowas von Stop sagen, liebe Schwangere!
Vor allem aber schwärme ich von den ersten Minuten und Stunden nach der Geburt. Und wie vergessen jegliche Strapazen sind, wenn einem das Bündeli Menschli mal auf die Brust gelegt wurde.
Dann frage ich jeweils, ob die Schwangeren Fragen haben. Die einen haben, die anderen nicht. Eines aber haben alle gemeinsam: Bis jetzt hat sich noch jede herzlich bedankt. Solange das so ist, erzähle ich weiterhin ungefragt weiter.
Und falls du, liebe Leserin, aktuell gerade schwanger bist, will ich dir obendrauf noch einen ungefragten Tipp geben: Du darfst jede ungefragte (und gefragte) Horror-Geburten-Story mit bestem Gewissen abwürgen.