Die kleine Lyla (2) will sich partout nicht mit ihrer Kindergitarre zufriedengeben. Lieber zupft sie an den Saiten von Papas Instrument. «Sie kommt nach mir, ein kleiner Sturkopf, der alles selber probieren will», sagt Jeremy Gasser (27) und lacht. Eigentlich ist es auch das, was Jeremy und sein älterer Bruder Tyron (32) bereits von ihren Eltern Cindy (63) und Roby Gasser (62) mit auf den Weg bekommen haben: «Probieren geht über studieren.»
Seine erste eigene Gitarre bekommt Jeremy als Dreikäsehoch von Grossvater Conny Gasser, dem Gründer des Freizeitparks Connyland und Mitinitiant des legendären Zürcher Weihnachtszirkus Conelli. «Es war sein Weihnachtsgeschenk für mich. Aber ich hatte keine Ahnung, wie man das Instrument spielt.» Anfangs bringt sich Jeremy das Gitarrenspielen selbst bei, später nimmt er einige Unterrichtstunden und übt vor allem mit Kollegen. «Noten lesen kann ich bis heute nicht», gesteht er.
Der Chef steht unter Strom
In wenigen Wochen steht die Premiere beim Zürcher Weihnachtszirkus auf dem Bauschänzli an. Im Connyland in Lipperswil TG wird eifrig herumgewuselt, um das Zelt und die Tribüne für den Aufbau parat zu machen. Rund 110 Personen sind mit den Vorbereitungen beschäftigt. Mittendrin Jeremy Gasser in Arbeitskluft und mit Elektroschraubenziehern in der Brusttasche. Der Conelli-Juniorchef (er teilt sich die Nachfolge mit Bruder Tyron, der weniger gern im Rampenlicht steht) ist gelernter Elektroinstallateur. «Früher hatte ich Angst vor Strom», gesteht Jeremy. «Heute nicht mehr, aber Respekt.» Die Circus-Chefs Gasser sind sich gewohnt, gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden an- und zuzupacken, statt sich im warmen Chefbüro zu verkriechen.
So arbeitet auch Jeremys Frau Carolyn Jane (41) im Familienunternehmen mit. Die gebürtige Britin aus Chester sitzt unter anderem an der Kasse des Restaurants, erledigt abends gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter die Tagesabrechnungen und wirkt teilweise bei Choreografien mit. Carolyn begann als Dreijährige mit Ballett. «Das war ein grosser Wunsch meiner Mutter», sagt sie. Als Profitänzerin tritt sie später in grossen Shows in Südkorea, Macau – dem «Las Vegas Asiens» –, ganz Europa und auf Kreuzfahrtschiffen auf. Ihr Weg führt sie auch in die Schweiz – zum Circus Conelli.
«Als ich sie tanzen sah, dachte ich mir: ‹Wow!›», erinnert sich Jeremy Gasser an die erste Begegnung. Als Sechsjähriger hatte er noch verträumt seiner Mutter Cindy beim Tanzen zugeschaut. «Dass ich selbst eine Tänzerin heirate, hätte ich nie zu träumen gewagt.» Kurz bevor Tochter Lyla vor zweieinhalb Jahren zur Welt kommt, geben sich Jeremy und Carolyn das Jawort. «Wir waren zehn Jahre ein Paar, haben uns genug Zeit für diesen Schritt gelassen.»
Sich genug Zeit für seine beiden Frauen zu nehmen, ist Jeremy Gasser auch heute heilig. Das aktuelle Conelli-Programm «Joy of Life» ist denn auch von seinem Privatleben inspiriert. «Wir vergessen manchmal im Alltagstrott die kleinen Momente mit unseren Liebsten.» Für Jeremy etwa Ausflüge mit Carolyn und Lyla an den Bodensee. Dort geniessen die Gassers so oft wie möglich unbeschwerte Momente. Ein ganz privater Familienzirkus eben.