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  4. Probleme in der Kita: Was tun, wenn es dem Kind nicht gefällt

Romina weiss Rat

Nicht alle Kinder sind Kita-tauglich

Mit Lob an die Adresse der Kitas hält unsere Gesellschaft nicht zurück. Familienexpertin Romina Brunner ist aber überzeugt, dass es auch Kinder gibt, für die die Kita nicht die richtige Betreuungsform ist.

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Kita

Manche Kinder finden die Kita das Grösste. Andere tun sich schwer damit.

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Romina Brunner, SI Online Familien Bloggerin, bei sich zu Hause in Birchwil ZH, am 09.11.2018, Foto Lucian Hunziker
Romina Brunner

Meine beiden Kinder gehen seit einem Jahr jeweils am Montag in die Kita. Am Anfang ging alles gut. Die grosse Schwester (4) schaute zu ihrem Bruder, das gab ihm Sicherheit. Doch inzwischen kommt mein Sohn (19 Monate) mit jeder Woche weniger klar. Mittlerweile weint er schon, wenn wir daheim losgehen. Mir bricht es fast das Herz. Kann es sein, dass mein Sohn nicht Kita-tauglich ist? — Elisa (34)

Liebe Elisa

Es trifft wohl alle Eltern, wenn ihr Kind beim Abschied in der Kita-Garderobe herzzerreissend weint. Ganz besonders, wenn es seinen Kummer einzig durch Tränen ausdrücken kann. Klar, dass dir so auch dein Job weniger Spass macht - sogar wenn du deine Arbeit eigentlich gerne magst.

Dass es Kinder gibt, die Kita-untauglich sind, ist in unserer Gesellschaft ein grosses Tabu. Kommt ein Kleines nicht klar, ist für Aussenstehende schnell die Mutter schuld. Gerade Berufstätige können grausam sein. Sie werfen mit Sätzen um sich wie: «Du musst loslassen. Es liegt an dir. Du überträgst deine Gefühle.» Am Ende fühlen sich Eltern und Kinder schlecht.

Fragt Romina!

Habt ihr auch ein Thema, das euch beschäftigt? Dann schreibt ein Mail an romina@schweizer-illustrierte.ch

Wir haben auch keine guten Erinnerungen an die Kita-Zeit unserer Ältesten. Nie hätte ich gedacht, dass es Probleme geben könnte. Die Kita passte, die Betreuer waren herzlich, die Grossmutter zur Not an Stelle. Ja, sogar der Cousin war in der gleichen Gruppe. Doch unsere Maus fühlte sich einfach nicht wohl.

Die vielen Kinder, der Lärm und die Trennung von Zuhause setzten ihr zu. Abschiedstränen waren Standard und die Nähe, die sie nach den beiden Kita-Tagen einforderte, war extrem. Beim Abholen klammerte sie sich  wie ein Äffchen an meine Brust. Teilweise hob sie den Kopf nicht mal, um sich zu verabschieden.  

Zum Glück war mein Chef sehr verständnisvoll. Er liess mich früher los und von daheim arbeiten. So konnte ich immerhin die Betreuungszeit stark reduzieren. 

 

«Kinder unter drei Jahren haben Mühe, wenn sie nur an einem Tag auf der Gruppe sind.»

Helen Eugster, Leiterin der Kinderwerkstatt Dübendorf

Laut Helen Eugster, Leiterin der Kinderwerkstatt Dübendorf, sind denn auch tatsächlich nicht alle Kinder gleichermassen Kita-tauglich. Gerade Kinder, die nur einmal pro Woche vor Ort sind, fänden sich häufig schlecht zurecht, weil sie keine Gewohnheit daraus entwickeln können, sagt sie. «Kinder unter drei Jahren haben Mühe, wenn sie nur an einem Tag auf der Gruppe sind. Sie vergessen, wie es das letzte Mal war und beginnen jede Woche wieder von vorne.»

Bei Eugster kommen daher alle Schützlinge mindestens 1.5 Tage pro Woche in die Kita. Auch schaut sie, dass Geschwister nicht immer zusammenkleben. Denn es passiere oft, dass sich das Ältere zu sehr um das jüngere Geschwisterchen kümmere. «In diesem Fall ermutigen wir das Ältere, loszulassen, damit es seinen eigenen Weg gehen kann», sagt Eugster. Dadurch bekämen die Betreuer mehr Raum für das jüngere Geschwisterkind und könnten ihm so den Krippen-Alltag erleichtern.

Die Bindugssicherheit wird gefährdet

Wie man es macht, es scheint nichts richtig zu sein. Für die Bindungssicherheit sind zu viele Kitabesuche nicht förderlich. Denn je häufiger ein Kleinkind von der Hauptbezugsperson getrennt ist, desto eher verliert es den sicheren Bezug zu ihr. «Eine sichere Bindung jedoch ist ein Grundpfeiler für das psychische Wohlbefinden und das Urvertrauen», sagt Familientherapeutin Susanne Baldini.

Man wisse, dass sicher gebundene Kinder sozialer, beliebter, besser in der Schule, leistungsfähiger und auch in der Ehe zufriedener seien. «Unsicher gebundene Kinder hingegen sind tyrannischer, haben Mühe sich auf andere Menschen einzulassen und zu vertrauen», sagt Baldini. 

 

 

Nur leider können sich ganz viele Eltern den Luxus nicht leisten, dass einer von ihnen Zuhause bleibt. Oft müssen beide Elternteile arbeiten, da die Familie mit einem Lohn nicht auskommen würde. Baldini beruhigt betroffene Mütter und Väter: «Das Kind merkt genau, ob die Eltern es abschieben wollen, um Ruhe zu haben, oder ob sie tatsächlich Geld verdienen müssen.» 

Liebe Elisa, hast du die Möglichkeit die Anzahl Krippentage zu erhöhen? Oder kann es gar sein, dass deine Tochter sich nicht mehr gleich intensiv um ihren Bruder kümmert? Vielleicht reagiert dein Sohn ja darauf.

Jedes Kind ist anders. Für manche mag die Kita optimal sein, für andere nicht. Vielleicht könnt ihr die Betreuung auch etwas mehr auf die individuellen Bedürfnisse eurer Kinder abstimmen. Eine gute Alternative zur Krippe kann auch eine Tagesmutter oder Nanny sein, die zu euch nach Hause kommt. In unserem Fall funktionierte die Nanny-Variante problemlos.

Herzlich, Romina

Unsere Expertin für Familienfragen

Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.

Von Romina Brunner am 7. August 2019 - 10:51 Uhr