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Romina weiss Rat

Wie Eltern bei Doktorspielen Grenzen richtig setzen

Doktorspiele gehören zur normalen kindlichen Entwicklung. Familien-Expertin Romina Brunner erklärt, was okay ist und wo Grenzen gesetzt werden sollten – und erinnert sich vergnügt an ihre eigene Dökterlizeit.

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doktorspiele

Doktorspiele sollten den Eltern nicht allzu viele Sorgen machen, sagt Familienexpertin Romina Brunner. Es gilt jedoch, aufmerksam zu beobachten, ob sich beide Kinder wohl fühlen in der Situation.

Getty Images/PhotoAlto
Romina Brunner, SI Online Familien Bloggerin, bei sich zu Hause in Birchwil ZH, am 09.11.2018, Foto Lucian Hunziker
Romina Brunner

Mein Sohn (7) findet sein Schnäbi grad total spannend. Als ich letzthin ins Kinderzimmer kam, standen er und das Nachbarsmädchen (6) nackt vor mir. Sie kicherten und fassten sich gegenseitig an die Geschlechtsteile. Ich war geschockt und bat die beiden sich anzuziehen. Ich möchte ja nicht, dass unsere Nachbarn schlecht über uns denken. Nun frag ich mich, ob ich überreagiert habe. Was meinst du? – Silvia (37)

Liebe Silvia

Ich kann verstehen, dass die Situation erst einmal überfordert. Doch keine Sorge. Dein Sohn ist weder unanständig noch verdorben, und sein Tun ist moralisch auch nicht verwerflich. Doktorspiele gehören vielmehr zur normalen kindlichen Entwicklung. Bei den meisten Kindern beginnt das Interesse am anderen Geschlecht mit vier, fünf Jahren.

Fragt Romina!

Habt ihr auch ein Thema, das euch beschäftigt? Dann schreibt ein Mail an romina@schweizer-illustrierte.ch

Auch wir haben als Kinder Doktor gespielt

Sie spielen «Schnäbeli und Füdli luege», oder gar «Baby machen» und legen sich aufeinander. Die kindlichen Fantasien sind gross und in der Regel völlig harmlos: Das Nachbarsmädchen hat vielleicht keinen Bruder und möchte nun auch mal wissen, wie sich so ein Pfiffeli anfühlt. Ein anderes hat ein Geschwisterchen bekommen und will jetzt seine Kindergartenfreundin einsalben und wickeln.

Mein Bruder etwa musste als Dreijähriger gefühlte 20-mal nackt von einer Kommode springen, als er bei seiner Gotte und deren Mädchen zu Besuch war. Die Schwestern setzten sich davor und kicherten. Sie fanden es zu lustig, wie sich sein Schnäbi beim Sprung auf und ab bewegte. Wir lachen noch heute alle darüber.

«Die Mütter sollen ab und zu einen Blick auf das Geschehen werfen, auch wenn das in vielen Ratgebern anders kommuniziert wird.»

Susanne Baldini, Eltern- und Erwachsenenbildnerin

Manche Kinder ziehen sich zum «Dökterlen» auch zurück. Schliessen vielleicht die Zimmertüre. Auch das muss dich nicht beunruhigen, denn in der Regel gehen Kinder sehr liebevoll miteinander um. Trotzdem sagt Eltern und Erwachsenenbildnerin Susanne Baldini: «Die Mütter sollen ab und zu einen Blick auf das Geschehen werfen, auch wenn das in vielen Ratgebern anders kommuniziert wird.» Schliesslich könne man nie wissen, was da vor sich gehe.

Ganz wichtig ist, dass alle Beteiligten mit dem Spiel einverstanden sind. Auch darf der Alters- und Entwicklungsunterschied der Kinder nicht zu gross sein. «Es darf kein Machtgefälle entstehen. Sonst wird es problematisch, da das Jüngere immer unterlegen ist», sagt Baldini.

Kinder sollten sich ermutigt fühlen, ihre Grenzen zu kommunizieren

Wird es einem Kind zu viel, oder möchte es nicht berührt werden, darf und muss es das sagen können, und die anderen müssen seine Wünsche akzeptieren. Selbstverständlich dürfen sie sich auch keine Gegenstände in die Scheide oder den Anus einführen. Das ist absolut tabu! Denn es besteht eine Verletzungsgefahr.

Du als Mami solltest zudem gut auf die Reaktionen der Kleinen achten. Manche Kinder sind zu scheu um sich zu wehren. Dreht das Kind sich weg? Oder mag es nicht umarmt werden? Getraut es sich, seine Gefühl zu verbalisieren? «Stopp» zu sagen? Falls es einem Kind oder dir selbst unwohl ist, beendest du die Doktorspiele besser. Du kannst beispielsweise sagen: «Deine Freundin möchte das nicht. Komm, wir ziehen uns wieder an. Ihr dürft aber noch noch das Bäbi oder den Teddy untersuchen.»

Bücher helfen den Kleinen, ihre Körper zu verstehen

Findest du keine passende Worte oder ist dir das Thema Sexualität generell unangenehm, kannst du deine Kinder auch anhand eines Bilderbuches aufklären. Zum Beispiel «Mein erstes Aufklärungsbuch» von Dagmar Geisler (ISBN 978-3-7855-7478-2, für Kinder ab fünf Jahren), oder «Wachsen oder erwachsen werden» von Sabine Thor-Wiedemann (ISBN 978-3-473-35861-8, für Kinder zwischen acht und zwölf Jahren).

Was die Nachbarsmutter angeht, da bin ich für Transparenz. Ich würde ihr den Vorfall erzählen. Einfach damit sie informiert ist. Vielleicht will sie mit ihrem Mädchen nochmals in Ruhe reden. Vorsicht aber, wenn das Kind aus einer anderen Kultur stammt, oder die Familie sehr gläubig ist! Oft sind diese Themen den Eltern unangenehm. Nicht, dass die Freundin deines Sohnes noch Ärger bekommt.

Herzlich, Romina

Unsere Expertin für Familienfragen

Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.

Von Romina Brunner am 2. Oktober 2019 - 10:00 Uhr, aktualisiert 13. Oktober 2020 - 11:30 Uhr