«Wer ist bereit zu fliegen?» Die Frage von Indoor-Skydiving-Instruktor Alain Sigrist erntet aufgeregtes Kopfnicken. Denn im Windwerk in Winterthur wird Familie Wegmann heute in einem 17 Meter hohen Kanal abheben. Ganz ohne Flugzeug. Menschen können fliegen – so lautet das Motto hier. Doch wie?
Die Familie aus Winterberg ZH muss dafür erst ein paar Trockenübungen machen. Von Instruktor Alain erfährt sie, dass im Flug die Hüfte der tiefste Punkt sein sollte, Arme und Beine sind gut gestreckt.
Gekonnt platziert sich Tamara, 13, auf einem Übungsblock. Sie hat ihre erste Flugstunde schon hinter sich, für die übrigen Wegmanns ists eine Premiere. «Wie muss ich das machen?» Mama Daniela, 42, ist aufgeregt. «Füdli anspannen und Kinn hoch», erklärt ihr Alain. «Nicht hängen lassen. Eine gekochte Nudel fliegt nicht.»
Papa Daniel, 48, Yannick, 16, und Lars, 15, zwängen sich derweil schon in die obligatorischen Fluganzüge. Daniel zerrt am Outfit. «Die sind extra eng geschnitten», beruhigt ihn Alain. «Ah, dann liegts nicht an meinem Bauch, gut!», atmet Daniel auf und lacht. Angezogen wie Kampfpiloten, Helme unterm Arm, die Fliegerbrillen auf den Nasen – Familie Wegmann ist bereit zum Abheben!
Vor der fünf Meter hohen Verglasung des Windkanals staunen sie über die Flugkünste anderer Skydiver. Die zehn Millionen Franken teure Anlage erzeugt Wind mit bis zu 280 km/h. Schon Kinder ab fünf Jahren können sich als Miniadler versuchen. Seit Dezember ist die Anlage in Betrieb, drei Fallschirmspringer erfüllten sich mit der Gründung einen Traum.
Wer sich noch nicht in die windige Röhre traut, kann im Windwerk auch virtuell abheben. Dank einem Simulator mit VR-Brille fliegt man als Dinosaurier durch die Urzeit oder als Vogel über New York.
Jetzt ist es so weit: Airtime! Die fünf Flugschüler passieren mit Alain eine Schleuse und sitzen nun auf einem Bänkchen direkt vor dem Windkanal. Die Scheiben vibrieren, der Sturm in der Röhre donnert. Alle tragen Gehörschutz.
Mama Daniela darf sich als Erste langsam auf den tosenden Windstrom sinken lassen. Alain hält sie fest, bis sie in der perfekten Position ist. Und dann passiert es: Daniela schwebt in der Luft. Ihre Wangen flattern, aber sie strahlt übers ganze Gesicht. Auch Yannick und Lars haben das Fliegen schon beim zweiten von drei Versuchen im Griff. Yannick schafft gar eine Drehung.
Wo der Wind die Worte verweht, hilft Augenkontakt. Alain zeigt immer wieder pantomimisch an: Kinn hoch, Beine strecken! Dennoch schaukelt Papa Daniel beträchtlich hin und her, seine Arme wackeln.
Nesthäkchen Tamara lässt der Instruktor sogar einige Sekunden frei fliegen. Dann nimmt sie fürs Finale Anlauf und stürzt sich noch einmal in den Kanal. Alain packt sie am Rücken, der Wind beschleunigt noch mal und trägt die beiden auf sieben Meter Höhe. Eine schnelle Drehung – und sie sausen wieder herunter. Der Taxiflug ist eine Spezialität des Hauses. Wie eine Achterbahnfahrt!
Nach diesem Highlight wirbelt Alain kurz alleine durch den Kanal. Wie Ironman zischt er durch das Ausgangstor und landet mit einem Satz. Die Wegmanns sind sprachlos. Und glücklich. Es stimmt: Menschen können fliegen, solange es nur kräftig genug von unten weht.
Infos: Windwerk, Ohrbühlstrasse 21, Winterthur, Erwachsene ab CHF 89.–, ab 69.– bei 5er-Gruppen, Kinder 59.–, 49.– bei 5er-Gruppen, www.windwerk.ch