Ich gebe es zu, Blockflöte zu spielen, war nicht mein Traum. Ich wollte als Kind schon immer Panflöte lernen. In meiner märchenhaften Vorstellung spielte ich mit wehendem, schwarzglänzendem langen Haar und Kopfschmuck aus Federn wunderschöne Klänge aus dem Instrument, daherreitend auf einem weissen Pferd, ein bisschen so wie eine meiner Heldinnen in einem Jugendroman von Federica de Cesco. Es kam anders.
In unserem Dorf gab es damals kein so «exotisches» Instrument im Musikunterricht. «Lern lieber Blockflöte», sagten meine Eltern. Das tat ich, halbherzig. Später gab es immer noch keine Panflöte, ich stieg auf die Querflöte um, das fand ich wenigstens ein bisschen spannender. Doch nach der Primarschulzeit war der Zauber vorbei und die Flöte rostet wohl noch heute irgendwo auf dem Estrich meiner Eltern vor sich hin. An meine Blockflöte kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern. Schade eigentlich!
Musikalischer Grundstein
Obwohl die Blockflöte bei so vielen Kindern den Grundstein zur Musikalität legt, erhält das Instrument wenig Anerkennung. Sie wird als Anfängerinstrument abgetan, nervt manchmal – wenn die Übung fehlt – Elternund Kinder gleichermassen. Dabei können ihre Klänge auch auf hohem Niveau entzücken, wie zum Beispiel Schweizer Flötisten-Star Maurice Steger (54) eindrücklich beweist.
Ein ebensogrosser Fan von der Blockflöte ist Verena Michel. Sie spielt seit 60 Jahren Blockflöte und nimmt heute noch unregelmässig Unterricht bei Maurice Steger. Sie selber unterrichtete Kinder ab 5 Jahren in ihrer eingenen Blockflötenschule in Magden AG. Die heute pensionierte passionierte Flötistin weiss, warum die Blockflöte heute nach wie vor als sehr beliebtestes und geeignetestes Instrument zum frühen Einstieg in die Musikwelt gilt.
Verena Michel, warum ist die Blockflöte für so viele Kinder das erste Instrument, das sie lernen?
Die Blockflöte hat den Vorteil, dass man gleich zu Beginn einen einigermassen gut klingenden Ton erzeugen kann. Bei anderen Instrumenten ist das für kleine Kinder deutlich schwieriger. Die Blockflöte führt oft schneller zu ersten Erfolgserlebnissen als zum Beispiel die Geige oder die Gitarre. Für die Eltern ist eine Blockflöte ausserdem relativ preiswert in der Anschaffung.
Was lernen Kinder durch die Blockflöte?
Kinder lernen mit Musikinstrumenten – nicht nur mit der Blockflöte – ihre Feinmotorik zu koordinieren und sie entwickeln ihr Rhythmusgefühl. Musizieren fördert die Sozialkompetenz, sie können gemeinsam etwas erreichen. Ausserdem entfalten Kinder sich beim Musizieren kreativ. Die ersten Erfolge stärken das Selbstvertrauen – und bei der Blockflöte treten diese Erfolge eben oft schneller ein, weil der Einstieg einfacher ist. Wenn innert relativ kurzer Zeit ein Lied erlernt werden kann, ist dieser Erfolg gerade bei kleineren Kindern Motivation, weiterzumachen.
Verena Michel
Blockflötenlehrerin Verena Michel
ZVGVerena Michel-Rechsteiner spielt seit 60 Jahren Blockflöte. Die inzwischen pensionierte Blockflötenlehrerin und ehemalige Primarlehrerin studierte Blockflöte am Konservatorium Biel und Violine an der Abraham Comfort in Winterthur. Von 1980 bis 1999 unterrichtete sie an der Pädagogischen Hochschule in Zofingen. 1997 gründete Verena Michel die Blockflötenschule in Magden AG. Bis heute nimmt sie unregelmässig Flötenstunden beim Schweizer Blockflötenstar Maurice Steger.
Wenn das Kind früh den Wunsch äussert, ein anderes Instrument zu lernen, soll es trotzdem zuerst Blockflöte lernen?
Nein. Wenn ein Kind von sich aus kein Interesse an der Blockflöte hat, kann es kontraproduktiv sein, es trotzdem zuerst in die Blockflötenstunde zu schicken – die Freude an der Musik könnte verloren gehen. Wenn das Kind begeistert ist von einem Cello oder einer Oboe, soll es dieses Instrument wählen dürfen. Das Angebot ist heute vielfältig. Ausschlaggebend sollte auch bei Kindern immer die Liebe zum Instrument sein – die Flöte muss nicht zwingend der Einstieg sein.
Und wenn das Kind partout nur ein Schlagzeug oder eine E-Gitarre will?
Auch ein Schlagzeug eignet sich als Einstiegsinstrument (ab 6 Jahren, Marimba und Xylophon ab 5 Jahren). Es fördert das Rhythmusgefühl und die Koordination. Die E-Gitarre hingegen erfordert allein schon mit der Elektronik einiges an Aufwand und Vorbereitung, bis das Kind zu spielen beginnen kann. Ausserdem ist sie relativ schwer im Gewicht. Eine klassische akustische Gitarre ist aber wiederum eine gute Möglichkeit, sich auf die E-Gitarre vorzubereiten.
Verena Michels Schülerinnen und Schüler lernen verschiedene Flöten zu spielen.
ZVGViele Kinder starten zwar mit der Blockflöte, steigen dann aber sobald wie möglich auf ein anderes Instrument um. Wie halten Sie ihre Schüler bei Laune?
Das Wichtigste ist, darauf zu hören, woran das Kind Freude hat. Wenn ich spüre, dass ein Kind meine Leidenschaft zur Flöte teilt, entwickelt sich über Jahre eine wunderbare Arbeit und Beziehung. Die Kinder spielen auch gemeinsam in Ensembles auf 8 verschiedenen Blockflöten vom Sopranino bis zum Subbass (die grösste Blockflöte ist 3 Meter lang). Diese Schüler haben die Blockflöte als Instrument lieb gewonnen. Wenn der Funke da ist, fördere ich gerne. Die Liebe zur Musik hat für mich immer Priorität – das Kind ist da ganz frei in seiner Wahl, für welches Instrument es sich entscheidet.