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Romina weiss Rat

«Meine Tochter hat den Kontakt zu mir abgebrochen»

Nach einer Trennung werden Kinder nicht selten zum Spielball der Erwachsenen. Doch was, wenn eine Kind plötzlich seinen Vater nicht mehr sehen will? Dafür gibt es unterschiedliche Gründe, sagt Familienexpertin Romina Brunner.

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Man looking depressed while sitting alone with his head in his hand on his living room sofa at home

Verzweifelter Vater: Nach der Trennung von der Mutter bricht die gemeinsame Tochter den Kontakt ab (Symbolbild).

Getty Images
Romina Brunner, SI Online Familien Bloggerin, bei sich zu Hause in Birchwil ZH, am 09.11.2018, Foto Lucian Hunziker
Romina Brunner

Meine Frau und ich sind seit 3 Jahren getrennt. Unser Verhältnis ist schwierig, was sich auch auf unsere Tochter (13) auswirkt. Ihre Mutter beeinflusst sie sehr. Seit einigen Wochen möchte sie auch nicht mehr das ganze Wochenende zu mir kommen. Dass wir nicht am gleichen Ort leben, macht die Situation nicht besser. Was kann ich tun, damit meine Tochter auch gerne ihre Zeit mit mir verbringt? Andi

Lieber Andi

Deine Geschichte hört sich schrecklich. Es muss furchtbar sein, wenn dich das eigene Kind nicht sehen möchte oder nur noch widerwillig und selten. Was auch immer zwischen dir und deiner Ex-Frau vorgefallen ist, es darf eure Vater-Tochter-Beziehung nicht zerstören.

Angst und Loyalität machen es den Kindern schwer

Doch nicht jeder Widerstand gegen die Eltern muss Ausdruck einer Entfremdung sein. Gerade wenn sich die Erwachsenen streiten, wie das bei euch der Fall ist, kann sich dies gerne auf die Kinder übertragen. Gut möglich, dass deine Tochter mit ihrem Desinteresse einzig ihre Mutter schützen möchte. Vielleicht leidet diese jeweils sehr, wenn du mit eurem Mädchen Zeit verbringst.

«Es kann sein, dass Kinder die Traurigkeit ihrer Eltern spüren und sie dadurch aus Loyalität nicht alleine lassen möchten», sagt Trennungsexpertin Martina Rissi. Manche Trennungskinder würden sich auch aus reiner Angst, den anderen Elternteil auch noch zu verlieren, auf die Seite der Mutter schlagen, zum Beispiel wenn der Vater die Familie verlassen hat.

Fragt Romina!

Habt ihr auch ein Thema, das euch beschäftigt? Dann schreibt ein Mail an romina@schweizer-illustrierte.ch

Doch das alles darf kein Rolle spielen. Denn Kinder haben laut Martina Rissi ein Recht, Mutter und Vater gleichermassen zu lieben, ganz egal was zwischen den Erwachsenen vorgefallen ist und wie es zum Zerwürfnis kam. Anderseits leiden alle, sei es auch nur im Stillen, zum Beispiel wenn sich das Kind aus Rücksicht zu einem Elternteil nicht getraut zu seinen Gefühlen zu stehen. «Es ist daher zentral, die Kinder aus der Verantwortung zu nehmen und sie von Schuld freizusprechen, da Kinder sich bei Trennungen oft mitverantwortlich fühlen», sagt die Trennungsexpertin und appelliert an die Eltern, ihr Ego den Kindern zuliebe zurückzustellen.

Ein klärendes Gespräch kann helfen

Lieber Andi, das Allerwichtigste ist, dass du mit deiner Tochter redest. Du kannst noch so viele Vermutungen anstellen, die Wahrheit findest du nur heraus, wenn du dich mit ihr aussprichst. Sag ihr, was dich bedrückt und dass du sie gerne sehen möchtest. Mit Ehrlichkeit fährst du immer am besten!

Vielleicht ist ja alles ganz harmlos. Vielleicht hat sich deine Tochter verliebt und sie möchte jede freie Minute mit ihrem Freund zusammen sein. Oder sie weiss, dass ihr Schwarm jeweils am Sonntagmittag ins Schwimmen geht und sie möchte ihn begleiten. Sollten solche Verliebtheits-Gefühle im Spiel sein, rate ich dir dringendst, dich eine Zeit lang zurückzunehmen und ihr entgegenzukommen. Das wird sie dir ein Leben lang danken. Eventuell kannst du sie ja statt am Wochenende auch unter der Woche zum Essen treffen?

«Kinder wollen ihre Freizeit irgendwann lieber mit Freunden verbringen, das ist ganz normal.»

Martina Rissi, Trennungsexpertin
Ablehnung nicht persönlich nehmen

Fakt ist, lieber Andi, 13-Jährige haben mit zunehmendem Alter weniger Lust, Zeit mit ihren Eltern zu verbringen. «Kinder wollen ihre Freizeit lieber mit Freunden verbringen, das ist ganz normal und gehört zur kindlichen Entwicklung. Dies trifft auch auf die Kinder zu, deren Eltern noch zusammen sind», sagt Rissi. Diese Ablehnung dürfe man auf keinen Fall persönlich nehmen, schliesslich bekämen auch die Mütter ihre pubertierenden Sprösslinge nicht mehr so oft zu Gesicht. «Nicht selten verbringen getrennte Väter qualitativ hochwertigere Zeit mit ihren Kindern, als dies im ursprünglichen Familien-Gefüge der Fall gewesen wäre», sagt Martina Rissi.

Der Wohnort ist ein wesentlicher Faktor

Lieber Andi, gibt es eine Möglichkeit, dass du zurück zu deiner Tochter an denselben Wohnort ziehst? Das würde euch viel mehr Freiheiten geben und dein Kind müsste sich nicht zwischen dir und ihren Freunden entscheiden. «Es bewährt sich, wenn Eltern am gleichen Ort oder zumindest in der Nähe wohnen. Das gibt den Kindern die Möglichkeit, sich frei zu bewegen und den gleichen Alltag mit Freunden zu führen, wie wenn sie bei der Mutter leben», so die Trennungsexpertin. «Es macht ausserdem die wunderbarste von allen Formen möglich. Nämlich, dass das Kind auch ganz spontan unter der Woche einmal zum Vater gehen kann.»

Falls sich deine Tochter plötzlich mit ihrer Mutter solidarisiert und gegen dich arbeitet, würde ich unbedingt eine Fachperson einbeziehen.

Interesse zeigen und so die Bindung stärken

Wichtig ist laut Rissi auch, dass du Interesse an den Freizeitaktivitäten deiner Tochter bekundest. Du könntest sie vielleicht zu ihren Hobbys begleiten oder fahren, wenn sie das möchte. Mit zunehmendem Alter verändern sich auch die Interessen. Es lohnt sich sehr, im Gespräch zu bleiben und zu fragen, auf welche Unternehmungen das Kind Lust hat.

Lieber Andi

Ich hoffe, dass sich eure Situation bald verbessert. Unter der Voraussetzung, dass du nun rasch ein klärendes Gespräch führst – im besten Fall zusammen mit deiner Ex-Frau und eurer Tochter. Du schreibst, dass euer Verhältnis verhärtet ist, doch ein Versuch ist es Wert, nicht? Falls alles anders kommt und sich deine Tochter plötzlich mit ihrer Mutter solidarisiert und gegen dich arbeitet, würde ich unbedingt eine Fachperson einbeziehen.

Ich drücke euch die Daumen!

Herzlichst,
Romina

Unsere Expertin für Familienfragen

Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.

Von Romina Brunner am 23. Oktober 2020 - 06:09 Uhr