Bitterroot Valley, Montana, USA: Der Weg führt auf ungeteerter Privatstrasse an grasenden Angusrindern und der Double K Ranch vorbei. Dann erscheint in einer Waldlichtung die Blockhütte von Jim (74) und Lynn Kouf (71). Der Yellowstone-Nationalpark liegt über sechs Autostunden entfernt, aber die Ranch-Häuser der gleichnamigen Hitserie mit Kevin Costner befinden sich nur wenige Kilometer entfernt in Darby. «Wir haben eine unserer Blockhütten dem Kameramann der Serie vermietet und ein Rind für Dreharbeiten zur Verfügung gestellt», erzählt Jim Kouf im imposanten Wohnzimmer, das halb Westernmuseum, halb Kinderkrippe für die Enkelin ist.
Vergleiche mit Kevin Costner lassen ihn nur schmunzeln. Trotzdem: Die Hollywood-Verbindung gibt es. Kouf ist nämlich Drehbuchautor. Die Skripts von «National Treasure» mit Nicolas Cage, «Rush Hour» mit Jackie Chan, «Money Monster» mit George Clooney und Julia Roberts sowie die Hit-Serie «Grimm» gehen auf sein Konto. Die Koufs haben auch in Los Angeles ein Haus, aber oft bringt Jim seine Ideen hier im Schreibturm zu Papier – fern des Familientreibens, dafür umgeben von einer Schweizerfahne. Kouf kann seine Wurzeln bis nach Oberterzen SG verfolgen: Während der Auswanderungswelle brachen seine Ururgrosseltern Anton und Maria Gubser 1840 in die USA auf. Die Gubsers siedelten erst in Iowa, dann in Nebraska. «Meine Mutter betonte immer: Wir kommen aus der Schweiz!», erinnert er sich.
Family-Time bei Jim & Lynn Kouf. Sohn Dillon bewohnt mit seiner Frau Tesa und Tochter Everly ein eigenes Haus auf dem Gut.
Frank MasiPhyllis Gubser kam schliesslich ins boomende Kalifornien, wo sie beim Flugzeughersteller Lockheed Martin arbeitete und Marvin Kouf kennenlernte. Sohn Jim wuchs im Schatten der Filmstudios in Burbank auf und entdeckte während des Englisch- und Geschichtsstudiums seine Passion fürs Schreiben. Er brauchte nur zwei Jahre, um als Drehbuchautor Fuss zu fassen: «Ganz über Nacht passierte es schon nicht, ich schrieb sechs Filmskripts und elf TV-Shows, die niemand kaufte», relativiert er. «Aber ich habe mich reingekniet, und schliesslich ergab ein Job den anderen.»
Jim und Lynn Kouf haben ihr Zuhause mit viel Liebe und Familiengeschichten inklusive der Gubser-Familienbibel ausgestattet.
Der Durchhaltewillen brachte ihn auch mit Lynn zusammen: Sie lernten sich kennen, als er bei Paramount unter Vertrag und sie Assistentin eines Regisseurs war. «Aber dann hast du einen anderen geheiratet!» Er legt lachend den Arm um ihre Schultern. «Wir haben beide andere Leute geheiratet», wirft sie prompt ein. Gemeinsame Filmprojekte brachten sie einander näher, 1992 heirateten sie schliesslich doch.
Die Schweiz im Blut
Sobald er es sich leisten konnte, reiste Jim in die Schweiz. Er zeigte das Land seiner Vorfahren auch seinen vier Kindern. Selbst Enkeltochter Everly (1), die gerade auf Grossvaters Schoss klettert, war schon zu Besuch. Die steilen Hänge am Walensee passen zu ihm: «Mich zog es immer mehr in die Berge als ans Meer, und durch die Pfadfinder habe ich das Bergsteigen entdeckt», so Jim.
Auf der Double K Ranch gibt es keine Tiertransporte oder enge Ställe. Geschlachtet und jelagert wird auf dem Hof.
Auch sein jüngster Sohn Dillon (29) glaubt, die Schweiz noch im Blut zu haben: «Wir leben hier auch zwischen Bergen und Kühen, und wir essen ähnlich: Wir nehmen uns Zeit, mit der Familie am Tisch zu sitzen. In vielen amerikanischen Familien ist Essen nichts Zentrales. Sie setzen sich einfach mit Fast Food vor den Fernseher.»
Hilft die Heimatfahne beim Schreiben? – «Sicher, sie sorgt dafür, dass die Sonne mich nicht blendet», lacht Jim Kouf.
Als Kind verbrachte Jim viel Zeit draussen auf der Ranch seiner Gubser-Verwandten. Dort lernte er reiten, Auto fahren – und woher das Fleisch kommt: «Ich wollte meinen Kindern solche Erfahrungen auch ermöglichen.» In Montana fand er eine Blockhütte und Land mit Potenzial. Er kaufte ein paar Rinder, engagierte einen Ranch-Manager. Die Familie verbrachte Ferien und Feiertage fortan in Montana.
Von der Ranch auf den Tisch
Die Tiere sind das ganze Jahr über auf der Weide und fressen nur Gras. Geschlachtet wird direkt auf der Ranch. Das Fleisch wird im Hofladen oder im eigenen Restaurant verkauft, welches Dillon 2022 in Missoula eröffnete. «Es gibt keinen Transport und keine Mittelsmänner», erzählt Jim. Inzwischen feiert die Ranch ihr 40-jähriges Bestehen. «Das Schönste für mich ist, dass Dillon sie weiterführt.»
Das «Double K» (Restaurant & Delikatessen) ist mit Schweizer Werbeplakaten dekoriert: Dillon will das Zivieriplättli in den USA populär machen.
Das Gut ist über die Jahre auf 314 Hektaren Land, rund 300 Rinder sowie 35 Schweine angewachsen. Nur Pferde gibt es keine mehr: «Seit Lynn Multiple Sklerose hat, macht das keinen Sinn mehr», erklärt Jim. «Aber Dillon wird sicher eines Tages wieder Pferde für seine Kinder haben.» Jim und Lynn lassen sich von ihrer Krankheit nicht ausbremsen: Die Blockhütte hat inzwischen einen Lift. Und am Sonntag werden die beiden mit Dillons Familie auf dem See sein neues Boot testen.