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Romina weiss Rat

Soll ich mein Kind noch vor dem Schulstart aufklären?

Sexfilme auf dem Pausenplatz: Brauchen Eltern ihre Kinder vor Schulstart tatsächlich aufzuklären? Nein, findet Familienexpertin Romina Brunner. Eltern können so oder so nicht verhindern, was ihre Kinder auf dem Pausenhof aufschnappen.

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Romina Brunner, SI Online Familien Bloggerin, bei sich zu Hause in Birchwil ZH, am 09.11.2018, Foto Lucian Hunziker
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Romina Brunner, SI Online Familien Bloggerin, bei sich zu Hause in Birchwil ZH, am 09.11.2018, Foto Lucian Hunziker
Romina Brunner

Mein Sohn kommt nach den Sommerferien in die Schule. Nun haben mir Freunde geraten, ihn noch vor dem Schulstart aufzuklären. Ansonsten werde er via Handy-Sexfilme auf dem Pausenhof aufgeklärt. Ich tue mich schwer damit. Auch weil er sich mehr für andere Themen interessiert. Marie

Liebe Marie

Das Thema frühkindliche Sexualaufklärung scheidet die Geister. Es erstaunt mich wenig, dass selbst in deinem Umfeld die Meinungen geteilt sind. Denn so zahlreich die Experten, so unterschiedlich die Theorien. 

Umso entscheidender finde ich es, dass du auch auf dich und dein Muttergefühl hörst, schliesslich kennst du deinen Sohn am besten. Was stimmt für dich? Was interessiert ihn aktuell? Zeigt er Interesse an seinen Genitalien?  Möchte er wissen, wie ein Baby entsteht, oder interessieren ihn bloss Bagger und Bausteine?

Fragt Romina!

Habt ihr auch ein Thema, das euch beschäftigt? Dann schreibt ein Mail an romina@schweizer-illustrierte.ch

Du schreibst, dass dein Sohn an dem Thema noch wenig Interesse zeigt. Dan lass es doch einfach vorerst so stehen. Gut möglich, dass sich schon morgen alles ändert und du eine Gelegenheit bekommst, die du nutzen kannst um mit ihm darüber zu reden.

Auch Eltern- und Erwachsenenbildnerin Susanne Baldini sagt: «Eltern brauchen ihre Kinder nicht prophylaktisch aufzuklären. Sie kommen von selbst, wenn sie etwas zum Thema wissen wollen». Dies ändert in der Regel erst ab der Oberstufe. Da sind viele gehemmt den Eltern gewisse Fragen zum Thema Sexualität zu stellen.

Baldini empfiehlt ein passende Aufklärungslektüre ins Bücherregal zu stellen und abzuwarten. «Das Kind nimmt das Buch dann zur Hand, wenn der Zeitpunkt dafür richtig ist und stellt seine Fragen.» Laut Baldini kannst du auch bloss die Fragen beantworten, die deinen Sohn interessieren und diese in der Kindersprache beantworten. Also von «Schnäbi» und «Fudi» reden und nicht von Penis und Vagina oder von «Liebe machen» statt vom «sexuellen Akt.»

Ein anderer, sehr wichtiger Punkt ist die Aufklärung zum Thema sexuelle-Gewalt. Laut der Opferhilfe Schweiz erlebt jedes vierte Mädchen und jeder zehnte Junge sexuelle Gewalt. Wobei die Täter meistens aus dem eigenen Umfeld stammen. Baldini: «Die Kinder sollen wissen, dass ihr Körper ihnen gehört. Und dass sie «Nein» oder «Stopp» sagen dürfen. Auch in der eigenen Familie. Etwa wenn der Vater oder der Onkel sie gegen ihren Willen umarmt und berührt oder die Grosi mit ihren feuchten Küssen kommt», erklärt Baldini.

Die Kinder zu stärken und ihnen zu erklären wie sie sich abgrenzen können hält Baldini für die beste Prävention. Mehr zum Thema findest du hier.

Liebe Marie, Ich finde den Tipp mit dem Buch sehr wertvoll. Gerade weil dir das Thema Mühe macht. Schau dich doch mal in Ruhe in einem Buchladen um oder in einer Bibliothek. Erfahrungsgemäss gibt es sehr unterschiedliche Exemplare und da findest du sicher ein passendes. Zudem sind die Buchhändler bestens geschult und können die meisten deiner Fragen beantworten. Gerade weil das Thema Aufklärung sehr wichtig ist, findest du auch in Bibliotheken Material für alle Altersstufen.

Hilfreich sind auch immer Gegenfragen. «Was weisst du bereits darüber, Maxi?» oder «Was erzählen deine Kollegen und was interessiert dich? Ich persönlich finde es ganz wichtig, dass du ehrlich bist. Was aber nicht heisst, dass du alles sagen musst! Falls dich eine Antwort überfordert, kann du auch ruhig zugeben, dass du dir die richtigen Worte dafür überlegen musst und später auf ihn zurückkommen wirst. Allerdings solltest du dir bewusst sein, dass es ihn jetzt interessiert und das «später» nicht zu lange dauern darf, sonst fragt er irgendwann vielleicht nicht mehr.

Beruhigen kann ich dich zu deiner Befürchtung bezüglich «Sexfilme schauen auf dem Pausenplatz». Laut der obersten Lehrerin der Schweizer, Dagmar Rösler, herrscht auf den meisten Pausenplätzen ein Handyverbot. Falls du andere Beobachtungen machen solltest, würde ich auf jeden Fall die Lehrperson informieren. Allerdings kannst du wohl nicht vermeiden, dass dein Sohn nach den Sommerferien mit neuen Wörtern nach Hause kommt. Oder eben auch mit Fragen zur Sexualität, selbst wenn er in deinem Sinne aufgeklärt ist. 

Ich wünsche euch einen guten Schulstart!

 

Herzlich, 

Romina

Unsere Expertin für Familienfragen

Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.

Von Romina Brunner am 23. Juli 2020 - 07:09 Uhr